Seite 30 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_09

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Gebäudeschadstoffe
Schadstoffhaltige Bausubstanzen –
Asbest gilt ein besonderes Augenmerk
Gerade in den Jahren 1950 bis 1970 wurden umfangreich schadstoffhaltige Bausubstanzen verarbeitet –
auch im Wohnungsbau. Viele dieser Gebäude werden nun altersgerecht und energieeffizient modernisiert.
Schadstoffhaltige Baustoffe sollten deshalb in der Planungsphase zwingend erhoben werden. Ein Leitfaden
zum Erkennen und Vermeiden von Altlastenproblemen – von Praktikern aus dem Arbeitskreis Gebäude-
schadstoffe des Altlastenforums Baden-Württemberg e. V.
Dagmar Rötgers
Gutachterin Ingenieurbüro
Smoltczyk & Partner GmbH
Stuttgart
Dr. Frank-Michael Lange
freiberuflicher Gutachter
Stuttgart
Rechtsanwalt Hellmuth Mohr
Kanzlei Wesch & Buchenroth
Stuttgart
HÄUFIGE SCHADSTOFFE
Faserförmige Schadstoffe:
Asbest
besteht aus natürlichen Fasern und wurde wegen seiner hervorragenden technischen
Eigenschaften in mehr als 3.000 verschiedenen Bauprodukten eingesetzt.
Mineralwolle-Dämmstoffe
bestehen aus künstlich hergestellten Fasern und finden sich
häufig als Ummantelungen von Leitungen und Lüftungsanlagen, in Akustikdeckenplatten und
als Auflagen von abgehängten Decken, in Leichtbauwänden und –decken sowie als Dachdäm-
mungen.
Organische Schadstoffe:
PCB
(Polychlorierte Biphenyle) wurden in dauerelastischen Fugenmassen, Transformatoren,
Anstrichen/Farben, Kunstoffen und Kondensatoren (Deckenleuchten) verwendet.
PAK
(Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) sind in allen Teerprodukten wie Parkett-
kleber, Gussasphalt, Bitumendach- und Dichtungsbahnen, Isolierlagen enthalten.
PCP
(Pentachlorphenol) wurde als Wirkstoff in Holzschutzmitteln verwendet.
In der Planungsphase ist die Beeinflussbarkeit der
Kosten amgrößten und nimmt mit der Bauausfüh-
rung stetig ab. Jedoch finden bei Baumaßnahmen
erfahrungsgemäß auch die größten Versäumnisse
in der Planungsphase statt. Eine rechtzeitige Er-
fassung von Schadstoffen ist daher technisch und
rechtlich notwendig. Viele Schadstoffe werden
zusätzlich auch als Gefahrstoffe eingestuft, weil
sie gefährliche Merkmale besitzen – z. B. krebs-
erzeugend, erbgutverändernd, giftig, gesund-
heitsschädlich usw. sind. Die erfahrungsgemäß
amhäufigsten vorkommenden Schadstoffe stehen
rechts im Überblick.
In fast allen bis etwa 1994 erbauten Gebäuden
sind Schadstoffe vorhanden. Gesetzliche Her-
stellungs- und Verwendungsverbote gibt es für
Asbest seit 1994, alte Mineralwolle-Dämmstoffe
seit 1996 sowie PCB und PCP seit 1989. Jeder Bau-
herr sollte daher davon ausgehen, dass in seinem
Gebäude Schadstoffe vorhanden sind.
Gesetze und Regelwerke werden
zu wenig beachtet
Sorgloser Umgang mit Asbestprodukten führt zu
hohen Faserfreisetzungen. Der feine Asbeststaub
ist kaum sichtbar und fällt nicht durch Geruch auf.
Die Gefahr ist deshalb nicht wahrnehmbar.
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Im
Jahr 1999 gab es mit mehr als 1.000 Asbesttoten
erstmals mehr Todesfälle durch Asbest als durch
Arbeitsunfälle. Die Abbildung auf der folgenden
Seite verdeutlicht die enorme Steigerung des As-
bestverbrauchs von 1950 bis 1970 und das fast
gleichbleibend hohe Niveau auf bis zu 180.000
Tonnen in den Jahren 1970 bis 1980. Die nachfol-
gende Tabelle gibt darüber hinaus einen Einblick in
die vielfältigen Baumaterialien und Verwendungs-
bereiche, in denen Asbest zu finden ist.
Obwohl der Gesetzgeber mit Gesetzen und
Verordnungen, z. B. den Landesbauordnungen
(LBO), dem Chemikaliengesetz, dem Kreislauf-
wirtschaftsgesetz, der Gefahrstoffverordnung
(GefStoffV) und den Technischen Regeln für Ge-
fahrstoffe (TRGS), den Umgangmit Schadstoffen
und deren Entsorgung klar geregelt hat, werden
Schadstoffe in der Planungsphase und bei der
Finanzierung häufig nicht oder unzureichend
berücksichtigt. Das Schadstoffrisiko ist bei Pla-
nern und Architekten vielfach nicht hinreichend
THEMA DES MONATS
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NEUBAU UND SANIERUNG