Seite 8 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_08

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„Plötzlich ist es in, wieder urban zuwohnen“, wes-
halb Dankwart Guratzsch, Hausautor der Tages-
zeitung DieWelt und bekennender Altstadtfreund,
unlängst wieder zu einemRundumschlag aushol-
te: „Die Soziologenmüssen einsehen, dass siemit
ihren Analysen über die Wohnwünsche und -be-
dürfnisse der Städter ein Jahrhundert lang falsch
gelegen haben.“ Mehr noch, die „entmachteten
Sozialingenieure” sollten endlich zur Kenntnis
nehmen, dass – anders als in Zeiten „gewaltigen
ideologischen Überschwangs” – heute die Armen,
Alten und Ausländer dorthin vertrieben und aus-
gelagert werden, wo die Sozialreformer fälschlich
die Zukunft städtischenWohnens gesehen hatten:
in die Großwohnsiedlungen der Sechzigerjahre.
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Was für ein schrilles Lamento! Doch die hier an-
klingende Abneigung gegen das Wohnmodell
Großsiedlung ist wahrlich nicht neu. Seit Mitte
der 1970er Jahre, als die Wiederentdeckung der
alten Innenstädte zu einem Paradigmenwechsel
im planerischen Denken führte, werden in stadt-
politischen Debatten unentwegt solche Attacken
geritten. Ging es früher um „Licht, Luft und Son-
Wirtschaftlich tragbar, für Mieter bezahlbar
Den Großsiedlungen eine eigene Geschichte gönnen
Die großen Wohnsiedlungen, die seit den 1920er Jahren für breite Schichten der Bevölkerung gebaut wur-
den und in denen sich die große Mehrheit des Mietwohnungsbaus befindet, bergen Chancen und Risiken in
ihrem Umbau- und Erneuerungsprozess. Sie pauschal zu stigmatisieren, ist nicht nur falsch, sondern ver-
zerrt die guten Beispiel, die es gibt: Warum aus Neubauten manchmal erst Altbauten werden müssen.
Wolfgang Kil
freier Journalist, Berlin
Das Dr. Wilhelm-Külz-Viertel in Schwedt/Oder. Umbau von ehemals 500 Wohnungen in einheitlichen strukturierten Wohnblocks zu villenartigen Baustrukturen
mit variantenreichen Wohnungsgrundrissen
Quelle: Wohnbauten GmbH Schwedt/Oder
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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8|2012