Seite 72 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_08

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WEG-recht
WEG § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2
Kostentragung für Instandsetzung
und/oder Erneuerung der Fenster
Weist die Gemeinschaftsordnung die Pflicht zur Instandhaltung
und Instandsetzung der Fenster nebst Rahmen in dem räumlichen
Bereich des Sondereigentums den einzelnen Wohnungseigentümern
zu und nimmt dabei den Außenanstrich aus, ist eine vollständige
Erneuerung der Fenster im Zweifel Sache der Gemeinschaft.
BGH, Urteil vom 2. März 2012, V ZR 174/11
Bedeutung für die Praxis
Wird durch Regelung zur Instandhaltung der Fenster in der Gemein-
schaftsordnung festgelegt, dass soweit die Außenansicht betroffen
werde, eine einheitliche Ausführung unabdingbar und die Erneuerung des
Außenanstrichs der Fenster samt Rahmen und Rollläden Sache der Eigen-
tümergemeinschaft sei, so spricht dies dafür, dass die Kompletterneue-
rung der Fenster (nach § 5 Abs. 2 WEG zwingend Gemeinschaftseigentum)
in diesem Einzelfall erst recht nicht unter die Instandsetzungspflicht der
Sondereigentümer fällt. Anders ist bei eindeutiger Zuweisung auch dieser
Aufgabe an den einzelnen Wohnungseigentümer zu entscheiden. Auch
wenn dem Sondereigentümer uneingeschränkt die Instandsetzung und
Instandhaltung überbürdet wurde, reicht dies aus; denn im gesetzlichen
Sprachgebrauch umfasst die Instandhaltung und Instandsetzung auch
einen Austausch der Fenster.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 13 Abs. 2
Nachträgliche Begründung
von Sondernutzungsrechten
Eine Regelung in der Teilungserklärung, durch die sich der teilende
Eigentümer vorbehält, an Flächen des Gemeinschaftseigentums
nachträglich Sondernutzungsrechte zu begründen, muss dem
­sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2012, V ZR 125/11
Bedeutung für die Praxis
Ist der sog. „Aufteiler” nach der Teilungserklärung unwiderruflich befugt,
den im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen Teile der Gartenflächen als
Terrassen zur Sondernutzung zuzuordnen und soll diese Befugnis für das
jeweilige Sondernutzungsrecht nach dessen Eintragung in das Grundbuch
des begünstigten Wohnungs- bzw. Teileigentums erlöschen, so hat dies
den Sinn, ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer diese Zuordnung
vorzunehmen. Wirksam ist diese Regelung aber nur, wenn auch für
unbeteiligte Dritte (insbesondere Banken) klar im Vorhinein erkennbar
ist, welche Flächen (bestimmt nach Lage und Größe) nachträglich mit
Sondernutzungsrechten versehen werden dürfen, d. h. welche Flächen als
sondernutzungsfreie Flächen verbleiben müssen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt und Management
Stadtbau und Stadtentwicklung
DW G
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt und Management
Stadtbau und Stadtentwicklung
DW Grün
ZPO §§ 522, 574
Hoher Streitwert, aber keine
­zulässige Berufung?
Beschlüsse zur Erneuerung der Fensterelemente der Wohnung, die
Ablehnung des Antrags, dem Verwalter und dem Verwaltungsbei-
rat eine Rüge wegen verspäteter Erstellung der Jahresabrechnung
zu erteilen, sowie die erstrebte Versendung von Schriftverkehr zu
einem Gerichtsverfahren führen im Einzelfall zu einer unter 600 Euro
liegenden Beschwer des Klägers.
BGH, Beschluss vom 8. März 2012, V ZB 215/11
Bedeutung für die Praxis
Der Anfechtende muss durch die Abweisung seiner Klage mit mehr als
600 Euro beschwert sein, um das zulässige Rechtsmittel der Berufung
einlegen zu können. Dieser Mindestwert wird bei geringen Miteigentums­
anteilen des Anfechtenden auch bei hohen Baukosten oft nicht erreicht.
Während sich der Streitwert nach § 49a GKG berechnet, kommt es bei
der Beschwer (vgl. § 3 ZPO) nur auf das konkrete Einzelinteresse an. Der
einzige Ausweg für den Anfechtenden besteht in solchen Fällen darin, sich
weitere Streitgenossen zu suchen, die ebenfalls in die Berufung gehen
wollen und auch in erster Instanz unterlegen waren. Dem eher querulato-
risch veranlagten Einzelgänger dürfte dies allerdings schwer fallen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
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Haufe Gruppe
Markt und Management
Stadtbau und Stadtentwicklung
DW Grün
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DW G
§ 21 Abs. 3 WEG
Vertrauensschutz und langjährige
Anwendung eines fehlerhaften
Verteilungsschlüssels
Ein Verteilungsschlüssel darf nicht auf einen mangels Beschlusskom-
petenz nichtigen – von der Gemeinschaftsordnung abweichenden
– Beschluss (Verteilung nach Wohneinheiten, Wohnfläche und
Verbrauch) gestützt werden. Wohnungseigentümer können jedoch
ggf. darauf vertrauen, dass nach den Vorgaben des Beschlusses ab-
gerechnet wird, wenn dieser Verteilungsschlüssel nicht nur jahrelang
angewendet worden ist, sondern vor allem dem bestandskräftigen
Wirtschaftsplanbeschluss zugrunde lag.
LG Lüneburg, Urteil vom 6. September 2011 – 9 S 30/11
Bedeutung für die Praxis
Der Vertrauensschutzgedanke hat hier nur ausnahmsweise und wohl zu
Unrecht Bedeutung erlangt. Die Nichtigkeit von teilungserklärungsän-
dernden – nicht auf einer vertraglichen oder gesetzlichen „Öffnungsklau-
sel beruhenden – Beschlüssen ist seit BGH vom 20.9.2000 (ZMR 2000,
771) Allgemeingut. Derartige Rechtsprechungsänderungen haben auch
Rückwirkung (zur Teilrechtsfähigkeit: OLG Hamm ZMR 2006, 833; a.A.
nur OLG Celle ZMR 2006, 540). Neue Erkenntnisse und Anforderungen
des BGH sind grds. auf alle noch nicht bestandskräftig beschlossenen
bzw. rechtskräftig entschiedenen Sachverhalte anzuwenden, d. h. es ist
für die Zukunft ggf. von Gewohntem abzuweichen. Die Bindungswirkung
des Kostenverteilerschlüssels aus dem bestandskräftigen Wirtschaftsplan
(hierzu gehört auch die Sonderumlage) ist nicht zwingend.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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8|2012
Recht