BGB §§ 254, 280 Abs. 1,
ZPO §§ 167, 304, 538 Abs. 2
Rückgabe einer Mietwohnung
Z
um Erklärungswert des Verhaltens des Wohnraumvermieters bei
Rückgabe einer Mietwohnung.
OLG Hamm, Urteil vom 10. Mai 2012, I-28 U 166/11
Bedeutung für die Praxis
Ob ein Vermieter die Mietsache „vorbehaltlos abgenommen” hat, beruht
auf tatsächlichen Feststellungen, nämlich auf dem Erklärungswert des
Verhaltens des Vermieters im Einzelfall. Der rechtliche Gehalt der Rück-
gabe einer Mietsache, die mit Feststellung ihres Zustands verbunden ist,
ist daher durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. Vorliegend hatten
die Vermieterin und ihr Ehemann den Zustand der Mietsache gesichtet.
Eine ausdrückliche Erklärung in der Art, dass die Wohnung „in Ordnung”
sei oder ähnlich, hatten sie nicht abgegeben. Es konnte dahingestellt blei-
ben, ob die Vermieterin und ihr Ehemann verbal nichts bemängelt hatten
und schriftlich nichts festgehalten wurde. Jedenfalls hatten sie zahl-
reiche Fotografien des Zustands der Mietsache gefertigt. Fertigt aber der
Vermieter bei Rückgabe der Mietsache Lichtbilder, kann der Mieter dem
regelmäßig nicht den Erklärungswert beimessen, dass der Vermieter keine
Ansprüche wegen des Zustands der Mietsache verfolgen will. Denn das
Anfertigen von Fotografien dient in einer solchen Situation typischerwei-
se zu Beweiszwecken. Denn Sinn und Zweck dessen ist es, den Zustand der
Mietsache möglichst beweissicher festzuhalten. Es hätte keiner Fotogra-
fien bedurft, wenn die Mietsache bei Übergabe mangelfrei gewesen wäre.
In einer solchen Fallgestaltung darf der Mieter berechtigterweise nicht
annehmen, der Vermieter verzichte auf Ansprüche oder erkenne (z. B.
im Wege eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses) an, dass keine
Ansprüche gegen den Mieter bestünden.
Rechtsanwalt Heiko Ormanschick, Hamburg
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BGB § 556 Abs. 1; II.BV § 27 Anlage 3
Abrede über
einen Betriebskostenvorschuss
Zur Wirksamkeit einer solchen Abrede in einem Mietvertrag über
Wohnraum als Vereinbarung über die Umlegung von Betriebskosten.
BGH, Urteil vom 2. Mai 2012, XII ZR 88/10
Bedeutung für die Praxis
Es bedarf einer ausdrücklichen, inhaltlich bestimmten Regelung,
aus der sich ergibt, dass der Mieter neben der Grundmiete ganz oder
anteilig Betriebskosten zu tragen hat. Letztere müssen der Art nach
konkretisiert werden. Nur dann ist es dem Mieter möglich, sich zumin-
dest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf
ihn zukommen können. Diese Voraussetzungen sind bei einer formular-
mäßigen Vereinbarung in einem Wohnraummietvertrag erfüllt, wenn
der Vertrag zur Umlegung der Betriebskosten eine Verweisung auf die
Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung enthält, sofern es
sich nicht um „sonstige Betriebskosten” handelt. Im vorliegenden Fall
enthielt der Mietvertrag weder eine Aufzählung der umzulegenden
Betriebskosten noch eine Verweisung auf die – seinerzeit noch gelten-
de – Berechnungsverordnung. Genannt wurde unter der Überschrift
„Nebenkosten” vielmehr nur das Wort „Betriebskostenvorschuss”. Für
die Heizkosten waren keine Vorauszahlungen vorgesehen. Mit dieser
Absprache korrespondierte die Betriebskostenabrechnung, in welcher
keine Heizkosten ausgewiesen waren. Daraus folgerte der BGH, dass
die Vertragsparteien den Begriff der Betriebskosten jedenfalls nicht im
Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung verstan-
den hatten. Welchen anderen Inhalt die Vertragsparteien dem Begriff
beigelegt haben wollten, ließ sich auch durch eine Auslegung des
Mietvertrages nicht erkennen.
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BGB §§ 133, 157, 307
Ergänzende Vertragsauslegung
einer Preisänderungsklausel im
Gas-Sonderkunden-Vertrag
Der Kunde kann die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht
geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von
drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die
Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
BGH, Urteil vom 14. März 2012, VIII ZR 93/11
Bedeutung für die Praxis
Weder in der Zahlung der Abrechnungsbeträge noch in dem Weiterbezug
von Gas kann eine konkludente Zustimmung des Kunden zur Erhöhung
der Gaspreise gesehen werden. Aus seiner maßgeblichen Sicht lässt sich
der Übersendung einer Jahresabrechnung, die einseitig erhöhte Preise
ausweist, nicht der Wille des Versorgungsunternehmens entnehmen,
Vertragsrecht
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eine Änderung des Versorgungsvertrages hinsichtlich des vereinbarten
Preises herbeizuführen. Allerdings ist der Berechnung des Zahlungsan-
spruchs des Versorgungsunternehmens jedoch nicht der bei Vertrags-
schluss geschuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich
aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des Versorgungsvertrages,
die dazu führt, dass sich der Kunde nicht darauf berufen kann, nur zur
Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet
zu sein. Es ist immer dann eine nicht mehr hinnehmbare Störung des
Vertragsgefüges anzunehmen, wenn es sich um ein langjähriges Gasver-
sorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen
und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren
Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück-
liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend
macht. In diesen Fällen vermag die vertraglich vorgesehene, nur in die
Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungs-
unternehmens die Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide
Seiten zumutbaren Weise zu schließen.
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