Seite 55 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_08

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OB – Als Gastrednerin eröffnete die Präsidentin
des Internationalen Genossenschaftsbundes (ICA,
International Co-operativ Alliance), Dame Pau-
line Green, den Kongress, der ganz im Zeichen
des Mehrwerts, den Genossenschaften für ihre
Mitglieder und die Gesellschaft schaffen, stand.
Die ICA vertritt als NGO Genossenschaftsorgani-
sationen und -verbände und fungiert als inter-
nationales Sprachrohr der Genossenschaften. In
über 100 Staaten gibt es mehr als 800 Mio. Ge-
nossenschaftsmitglieder, erklärte Axel Gedasch-
ko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
Genossenschaftlicher Spirit
Pauline Green führte eindrücklich und mitreißend
vor Augen, dass die einzelnen Genossenschaften
Teil einer globalenGenossenschaftsbewegung sind.
Das Internationale Jahr der Genossenschaften ver-
eine Kooperativen aus Europa, Amerika, Asien und
Afrika sowie aus vielfältigen Geschäftsfeldern –
von Landwirtschafts-, über Konsum-, Finanz- und
Versicherungs- bis hin zu Energiegenossenschaf-
ten, erläuterte sie: Mehr als 100 Mio. Menschen
arbeitetenweltweit bei einer Genossenschaft. Dies
übertreffe die Anzahl der Angestellten aller multi-
nationalen Konzerne zusammen. Die 300 größten
Genossenschaften der Welt seien zusammen 1,6
Bio. US-Dollar wert. Dies entspreche der Wirt-
schaftsleistung der neuntgrößtenVolkswirtschaft.
Wichtiger sei jedoch, so Green, dass die Unterneh-
mensformGenossenschaftmit ihremeinfachen und
klarenGeschäftsmodell zeige, wie ökonomisch und
sozial verantwortlich agiertwerden könne. Deutlich
werde, welchewirtschaftliche Kraft auch kleinteili-
ge auf lokaler Ebene verankerte und vonMenschen
für Menschen betriebene Entwicklungen haben.
„Bei uns geht es um menschliche Bedürfnisse und
nicht um Gier“, erklärte Green und betonte, Ge-
nossenschaften seinen keine „business as usual,
but business“.
Dr. Eckard Ott, Vorstandsvorsitzender des Deut-
schen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands
(DGRV), betonte den Gewinn, den Genossen-
schaften für das Land darstellen und verwies
auf die gut 700 Neugründungen in den letzten
3 Jahren. Die rund 7.500 Genossenschaften mit
über 20 Mio. Mitgliedern hätten auch politisches
Gewicht. Sie bewiesen aufgrund ihrer teils über
150-jährigen Geschichte, ihre Anpassungsfähig-
keit. Die regionalen Wertschöpfungsketten, die
relative Insolvenzfestigkeit und die Mitbestim-
mung hob Axel Gedaschko als wichtige Säulen
des genossenschaftlichenWirkens hervor. Der Ge-
nossenschaftsgedanke sei zudem in Deutschland
tief verwurzelt und passe sehr gut zur sozialen
Marktwirtschaft.
Forever Young
Gesprächsrundenmit Genossenschaftsvorständen
machten deutlich, welchenHerausforderungen sich
dieWohnungsgenossenschaften heute stellen, wie
sie diese bewältigen und warum Genossenschaf-
ten nicht aus der Mode kommen. „Was einer nicht
schafft, schaffen viele“, beschrieb Herbert Alfeld,
Vorstandsmitglied der 1875gegründetenHambur-
ger AllgemeineDeutsche Schiffszimmerer-Genos-
senschaft eG, die Prinzipien von Genossenschaf-
ten, bemängelte aber, die Politik sehe ihre sozial
stabilisierende Kraft nicht. Barbara Rolfes-Poneß,
Vorstandsmitglied der 2003 gegründeten Berli-
nerWohnungsgenossenschaft Fidicinstraße 18 eG,
betonte, die Mitglieder würden sich kulturell im
Quartier engagieren, sowerde die Genossenschaft
als wichtiger Akteur sichtbar.
David Wilde, Vorstandsmitglied der Hattinger
hwg eG, erklärte, warum wertorientierte Unter-
nehmensführung und Solidarität gut zusammen-
passen: Entscheidend für Unternehmenserfolg
und folglich für solidarisches Handeln seien ein
klares Unternehmenskonzept, die Anwendung
moderner Managementinstrumente sowie die
Förderung von Mitarbeitern und Mitgliedern. Sil-
ke Wuttke, Vorstandsmitglied der Erfurter Woh-
nungsbaugenossenschaft Zukunft eG, setzt auf
Qualitätsmanagement und die Zertifizierung von
Prozessen und Services. Die Innovationsfähigkeit
vonGenossenschaften und neueWohnformen the-
matisierte Andreas Wahl, Vorstandsmitglied der
Ostland Wohnungsgenossenschaft eG., Hannover.
Auch er setzt auf die Zertifizierung altersgerechter
Angebote und daraus resultierende Qualitäts- und
Wettbewerbsvorteile. Christian Stupka, Vorstands-
mitglied der Münchner Genossenschaft WOGENO,
kooperiert beim Bau neuer Wohnungen aufgrund
des geringenAngebots an bezahlbarenBauflächen
mit anderen Wohnungsunternehmen. Gemeinsam
habeman sogar erreicht, dass bei der Vergabe kom-
munaler Flächen nun dieQualität des Konzepts und
nicht der Preis entscheide.
GdW-Kongress zum Internationalen Jahr der Genossenschaften
Erfolgsmodell Genossenschaften
Am 14. Juni 2012 luden der GdW und seine Mitgliedsverbände unter dem Motto „Genossenschaften bauen
eine bessere Welt” zur zentralen wohnungswirtschaftlichen Veranstaltung nach Berlin. Nicht nur die wirt-
schaftlichen und gesellschaftlichen Leistungen der Genossenschaften wurden gewürdigt, sondern auch auf
Erfolgskriterien und Herausforderungen geblickt.
„Ein bedeutendes internationales Netzwerk” – ICA-Prä-
sidentin Dame Pauline Green ruft das Gemeinschafts-
und Zugehörigkeitsgefühl der Genossenschaftler wach.
Foto: Thorsten George
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