Seite 54 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_08

Basic HTML-Version

Wohnung. Insbesondere das Bedürfnis nach per-
sönlicher Sicherheit (Einbruch, Fortbewegung bei
Dunkelheit), Sicherheit bei körperlichen Gebre-
chen, medizinischer Betreuung bei Bedarf und
Erhalt sozialer Kontakte stehen im Vordergrund.
Letztgenanntes auch insbesondere, da sich die Ak-
tionsräume des alterndenMenschen einengen und
die Umweltbezüge (Umfeld) schrumpfen. Daraus
leitet sich die Anforderung an die Gestaltung von
Wohnraum und -umfeld ab, den Interessen und
sich verändernden Leistungsanforderungen der
Mieter gerecht zu werden. Dies bildet die Basis zu
entwickelnder Musterlösungen für das Wohnen.
Selbstbestimmtes Wohnen
Viele ältere Menschen verstehen ihre Wohnung,
ihren eigenen Haushalt als einen Ausdruck ihrer
Selbstständigkeit und Kompetenz. Sie versuchen
daher so lange wie möglich, den eigenen Haus-
stand zu erhalten. Im Zusammenleben mit der
Kindergeneration sehen sie auch Risiken für ihre
Selbstbestimmung. Daher sollten Konzepte für das
möglichst lange Leben in den eigenen vier Wän-
den, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit im
Sinne des „Independent Living“ interpretieren:
Selbstbestimmt leben heißt, Kontrolle über das ei-
gene Leben zu haben, basierend auf der Wahlmög-
lichkeit zwischen akzeptablen Alternativen, die
die Abhängigkeit von den Entscheidungen anderer
bei der Bewältigung des Alltags minimieren. Das
schließt das Recht ein, seine eigenen Angelegen-
heiten selbst regeln zu können, an
dem öffentlichen Leben in der Ge-
meinde teilzuhaben, verschiedenste
soziale Rollen wahrzunehmen und
Entscheidungen selbst fällen zu können, ohne
dabei in die psychologische oder körperliche Ab-
hängigkeit anderer zu geraten. Selbstbestimmung
ist ein relatives Konzept, das jeder persönlich für
sich bestimmen muss.
Die „mitalternde Wohnung“
Der Lösungsansatz des im Rahmen des VSWG in-
itiierten Konzeptes „AlterLeben“ ist die „mital-
ternde Wohnung“ – ein mitwachsendes Konzept,
das durch seine modulare Gestaltung eine hohe
Anpassungsfähigkeit an die sich verändernden
Lebens- und Leistungsanforderungen der Men-
schen ermöglicht. Das Konzept geht von einem
kombinierten Ansatz, bestehend aus wirtschaft-
lich vertretbaren baulich-technischen Maßnah-
men in Wohnung und Gebäude zur Reduktion von
Barrieren, von der Einbindung technischer Unter-
stützungssysteme zur Assistenz im Wohnalltag
sowie von angekoppelten Dienstleistungen für
die Mieter, aus.
Neue Wohnformen auch für Jüngere
Zielgruppe der „mitalternden Wohnung“ sind
nicht nur ältere, sondern auch junge Bewohner,
Familien mit Kindern, bei denen der Komfortas-
pekt und die Sicherheit im Vordergrund stehen.
Unterstützungsfunktionen innerhalb der Woh-
nung betreffen in dieser Gruppe vor allem die
Bereiche Sicherheit (automatische Abschaltung
von Strom, Wasser, vernetzte Rauchmelder) und
Komfort (Heizungssteuerung, Anbindung ausge-
wählter externer Informationsdienste). Anforde-
rungen an „barrierearme“Wohnungen imRahmen
der Grundausstattung werden insbesondere mit
dem Einbau von Duschen, der Verbreiterung von
Türen sowie dem Entfernen von Schwellen und
Türübergängen gewährleistet. Solche Maßnah-
men erhöhen den Gebrauchswert der Wohnung in
erster Linie für Ältere, steigern aber gleichzeitig
denWohnkomfort für alle anderen Nutzergruppen
und reduzieren Gefahrenquellen. Wesentlich ist
einmodulares Angebot an die Mieter. Die Technik
steht hinter der Dienstleistung und ist sozusagen
Mittel zum Zweck. Der Mensch gelangt durch die
Dienstleistungmit demHilfsmittel der Technik zu
einer höheren Lebensqualität.
Menschliche Komponente darf nicht fehlen
Die „warme Hand“ steht bei den Genossen-
schaften immer im Vordergrund, denn Tech-
nik soll nur unterstützen. Deshalb ist es sehr
bedeutsam, menschliche Schnittstellen, z. B.
durch Sozialarbeiter, zu schaffen. Die Technik
hilft und ist wichtig, aber genauso wichtig ist
auch ein soziales Netz ringsherum. Nichts wäre
paradoxer als die Vereinsamung in einer tech-
nisch hoch aufgerüsteten Wohnung. Mit Nach-
barschaftshilfevereinen, Begegnungsstätten,
zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern, die
oft als Ersatzfamilie fungieren, und Angeboten
für das Mehrgenerationenwohnen bieten Woh-
nungsgenossenschaften das richtige Konzept und
funktionierende Netzwerke.
Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. war Konsor-
tialführer des AAL-Projektes „AlterLeben“ mit dem Lösungsansatz der
„mitalternden Wohnung“, welches im Juni 2012 ausläuft. Das Konzept
„AlterLeben“ wird auch zukünftig als Thema fortgeführt werden.
VSWG
Gesundheit
Sicherheit
Komfort
Freizeit
Ausgleich des vermin-
derten körperlichen
und geistigen Wohl-
ergehens. Direkt auf
die Person des Mieters
ausgerichtet, z. B.
Notrufzentrale,
Vitaldatenüberwachung
Ziel ist die Vermeidung
von unvertretbaren
Risiken, Beein-
trächtigungen und
von Gefahren, z. B.
Funktionsüberwachung,
Erinnerung an
(Fenster-) Schließen
Wohnen technisch so
unterstützen, dass es
dem Menschen Arbeit
verringert und ihm
Behaglichkeit bietet,
z. B. vernetzte Geräte,
zentrale Steuerung
Ausgestaltung von
sozialen Beziehungen
und Interaktionen zwi-
schen dem Mieter und
seinem Wohnumfeld,
z. B. Anbindung an
Freizeitangebote
Wohnbegleitende Dienstleistung
Technisch unterstützte Dienstleistung
Baukonzeptionell unterstützte Dienstleistung
Erprobtes Konzept
„Mitalternde Wohnung“
So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden
Barrierearmut oder –freiheit ist das A und O solcher
Konzepte.
Quelle: WGF
52
8|2012
Markt und Management