Seite 52 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_08

Basic HTML-Version

Internationales Jahr der Genossenschaften 2012
Wohnen für ein langes Leben: Genossenschaften stellen sich
den Herausforderungen für bedarfsgerechtes Wohnen
Der demografische Wandel macht eines deutlich: Die Bevölkerung schrumpft bei gleichzeitiger Überalte-
rung. Die Lebenserwartung steigt stetig an und damit auch das Durchschnittsalter der in einer Wohnungs-
genossenschaft lebenden Menschen. Sich auf deren spezielle Bedürfnisse einzustellen und den Wohnungs-
bestand schrittweise an diese anzupassen, wird eine wesentliche Herausforderung für die Zukunft sein.
Teil 7 unserer Serie zum Internationalen Jahr der Genossenschaften.
Wohnungsnot ist heute kein Grund mehr, einer
Genossenschaft als Mitglied beizutreten. Auch die
Bedeutung des lebenslangen Wohnrechts nimmt
angesichts einer hohen Mobilität der Mitglieder
ab. Die Geschäftspolitik der Wohnungsbaugenos-
senschaften richtet sich deshalb auf die Werbung
jüngerer Mitglieder und die Versorgung ihrer äl-
teren Mitglieder mit geeignetem Wohnraum und
zusätzlichen Dienstleistungen.
Zunahme der Nachfrage
nach passendemWohnraum
Vor demHintergrund, dass mehr als 80%der Älte-
ren so lange wie möglich, auch im Fall von Hilfe-
oder Betreuungsbedürftigkeit, in ihrer Wohnung
bleibenwollen, wird die Nachfrage nach einer pas-
senden Wohnumgebung zunehmen. Technische
Assistenzsysteme können einenwichtigen Beitrag
dazu leisten, dass alterndeMenschen so lange wie
möglich selbstständig und selbstbestimmt in ih-
remgewohnten häuslichen Umfeld leben können.
Dies gelingt umso besser, je erfolgreicher an die
technischen Systeme individualisierbare perso-
nenbezogene Dienstleistungen gekoppelt werden.
Es zeichnet sich daher ab, dass neueWohnkonzep-
tionen erforderlich werden, die der individuellen
Nachfrage- und Bedarfssituation der strukturell
älter werdenden Bevölkerung gerecht werden.
Aufgrund der Altersstrukturen ihrer Mitglieder
und einer traditionell stark sozialen Prägung ih-
rer Wohnquartiere, eignen sich Wohnungsgenos-
senschaften als Großvermieter beispielhaft für
eine Umgestaltung von Wohnungen im Bestand.
Das zeigen auch die Ergebnisse einer Mitglie-
derbefragung zum Thema „Wohnen im Alter“ in
sächsischen Wohnungsgenossenschaften, die im
Frühjahr 2010 in 1.683 Haushalten durchgeführt
wurde. Rund 45%der befragtenMitglieder waren
71 Jahre und älter.
Den hohen Anteil von ca. 32%dieser Altersgruppe
bei den sächsischen Genossenschaften bestätigt
auch der Sozialfragebogen 2009/2010. Für die
Gruppe dieser Genossenschaftsmitglieder wird die
Wohnungmehr undmehr zumLebensmittelpunkt.
Zunehmende gesundheitliche Einschränkungen
erschweren viele Tätigkeiten imAlltag, vieles kann
nicht mehr durch persönliche Kompensationsstra-
tegien ausgeglichen werden.
Genossenschaften als Ersatzfamilie
Service- undMitgliederorientierung inWohnungs-
genossenschaften heißt heute:
• passender Wohnraum für Jung und Alt
(generationsübergreifendes Wohnen),
• bei Bedarf ambulante Pflege,
• Beteiligung und Mitwirkung der Mitglieder,
• Ersatzfamilie sein durch Vertrauen
und Sicherheit,
• unentgeltliche Nachbarschaftshilfe.
Zusammengefasst heißt das: Förderung der
Lebensführung der Mitglieder. Dazu braucht es
Profis in den Vorständen, aber auch eine akti-
ve Mitwirkung der Mitglieder, Information und
Kontrolle, Gemeinschaft durch Gemeinsinn und
Ehrenamt. Die Genossenschaftsidee lebt davon,
dass die Genossenschaften konkrete Antworten
auf konkrete Nöte haben. Die Genossenschaft wird
zur Ersatzfamilie – und sie kann es.
Wohntrends der Zukunft
Der GdW stellte bereits im September 2008 eine
Studiemit demTitel „Wohntrends 2020“ vor, wel-
che die Auswirkungen aktueller Lebensgewohn-
heiten und Lebensphasen aller Altersklassen auf
das Wohnen beleuchtet. Dabei zeigte sich, dass
Dr. Axel Viehweger
Vorstand Verband Sächsischer
Wohnungsgenossenschaften e.V.
(VSWG), Dresden
50
8|2012
MArKT UND MANAGEMENT