Die Region Bitterfeld-Wolfen, in welcher die
Wohnungsgenossenschaft Wolfen eG (WGW) ih-
ren Immobilienbestand bewirtschaftet, hat seit
der Wende im Jahr 1990 einen dramatischen
Strukturwandel mit spürbaren Auswirkungen
auf den Wohnungsmarkt (überdurchschnittlich
hoher Leerstand) zu verkraften, dessen negative
Folgen auch heute noch anhalten. Die WGW hat
im Rahmen des Förderprogramms Stadtumbau
Ost auf diese Entwicklung durch den Abriss von
mehr als 3.700Wohnungen reagiert und ihren Be-
stand so seit 1990 um ca. 30% verringert. Trotz
dieses Rückbaus konnte die WGW ihre Vermie-
tungssituation nicht wesentlich verbessern, da
dem Abriss eine weiterhin sinkende Anzahl ver-
mieteter Wohnungen im verbleibenden Bestand
gegenüberstand. Die Leerstandsquote schwankte
in diesen Jahren zwischen 25 und 30%.
Zum 31. Dezember 2009 bzw. 30. Juni 2010 lie-
fen die Zinsfestschreibungen fast aller Darlehen
der WGW aus. Gleichzeitig endete auch der mit
den Altgläubigern auf der Basis eines früheren,
durch die Genossenschaft selbst erstellten Re-
strukturierungskonzeptes vereinbarte Zinsver-
zicht. Eine Fortführung der Finanzierungmachten
zwei Hauptkreditgeber von einemüberarbeiteten
Restrukturierungskonzept mit positiver Fortfüh-
rungsprognose und einer detaillierten langfris-
tigen Unternehmensplanung abhängig, erstellt
durch ein unabhängiges Beratungsunternehmen.
Beauftragung
eines Restrukturierungskonzepts
Vor diesem Hintergrund beauftragte die WGW
die BBT Treuhandstelle des Verbandes Berliner
und Brandenburgischer Wohnungsunternehmen
GmbH (BBT) im August 2009 mit der Erstellung
einer langfristigen Unternehmensplanungsrech-
nung 2009 bis 2020 sowie eines Restrukturie-
rungskonzeptes. Im Detail umfasste die Beauf-
tragung folgende Teilbereiche:
• Portfolioanalyse zur Ableitung von Objekt-
strategien und Definition eines strategischen
Kernbestandes,
• objektkonkrete Unternehmensplanungsrech-
nung in drei Szenarien unter Berücksichtigung
der Erkenntnisse aus der Portfolioanalyse,
• Bewertung des Besicherungsbestandes und
Analyse der Darlehens- und Besicherungssitu-
ation,
• Organisationsanalyse/Restrukturierungskon-
zept.
Im Zeitraum von August 2009 bis Februar 2010
erfolgte die Erarbeitung des Restrukturierungs-
konzeptes unter intensiver Einbeziehung des Vor-
stands und der Mitarbeiter der WGW. So wurde
u. a. mit Hilfe der Portfolioanalyse (mittels der
Planungs- und Portfoliomanagementsoftware
„Avestrategy“ der BBT) der Wohnungsbestand in
Kern-, Investitions- und Desinvestitionsbestand
segmentiert und diesbezügliche Objektstrategi-
en erarbeitet. Diese flossen anschließend in die
langfristige Unternehmensplanung ein, welche
wiederum die Basis für die zukünftige Unterneh-
mensstrategie bildete. Zudemwurde – aufbauend
auf den Ergebnissen der Portfolioanalyse und der
Unternehmensplanungsrechnung – auch die Be-
wertung des zukünftig zur Verfügung stehenden
Besicherungsbestandes vorgenommen. Den Belei-
hungswertenwurden anschließend die Einzel- und
Gesamtgrundschulden sowie die konkreten Dar-
lehen der Einzelgläubiger unter Berücksichtigung
von Querverhaftungen gegenübergestellt.
Parallel hierzu wurde im Rahmen der Organisati-
onsanalyse die Unternehmensstruktur der WGW
untersucht. Auchwurdenmögliche Optimierungs-
potenziale in Bezug auf die Aufbauorganisation
und dem damit verbundenen Personaleinsatz
identifiziert. Dies erfolgte in einem engen Zu-
sammenhangmit der Portfolioanalyse imHinblick
auf die Größe des zukünftigen Kernbestands und
daraus resultierender erforderlicher Mitarbei-
teranzahl. Die Ergebnisse flossen maßgeblich in
die Personal- und Verwaltungskostenplanung der
Unternehmensplanungsrechnung ein.
Ergebnisse
In Relation zur Unternehmensgröße war der Per-
sonalbestand zu hoch und das Gehaltsniveau für
die Region Bitterfeld-Wolfen überdurchschnitt-
lich. Im Rahmen der Beleihungswertermittlung
wurde für die Altgläubiger eine Beleihungslücke
(Unterbesicherung) in Höhe von rund 31 Mio. €
festgestellt. In Kombination mit der begrenzten
Wohnungsgenossenschaft Wolfen eG
Erfolgreiche Restrukturierung einer
Wohnungsgenossenschaft in Sachsen-Anhalt
Restrukturierungsprozesse gehören in den unternehmerischen Alltag – auch in der Wohnungswirtschaft.
Insbesondere Unternehmen in schrumpfenden Regionen und mit wirtschaftlichen Struktur- sowie
Nachfrageproblemen stehen mitunter vor immensen Herausforderungen. Wie externe Partner bei der
Analyse, der betrieblichen Restrukturierung und der Organisation der Umfinanzierung helfen können, zeigt
ein Beispiel aus Wolfen.
Sven Stüwe
BBT GmbH, Berlin
Sebastian Schneider
BBT GmbH, Berlin
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11|2012
MARKT UND MANAGEMENT