Seite 79 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_11

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In letzter Instanz hat der Bundesgerichtshof (BGH)
in Karlsruhe nun einenmehrjährigen Rechtsstreit
beendet. Interessant ist das Urteil insbesondere
für Wohnungsunternehmen, die keinen Vorsteu-
erabzug in Anspruch nehmen können.
Urteil und Begründung
Der BGH hat mit Urteil vom 18. April 2012
(Az.: VIII ZR 253/11) entschieden, dass alle
Arbeiten im Zusammenhang mit dem Legen von
Wasserhausanschlüssen dem für die Wasserlie-
ferung geltenden ermäßigten Umsatzsteuersatz
in Höhe von 7 % unterliegen. Geklagt hatte eine
Wohnungsgenossenschaft. Nachdem schon das
Amtsgericht und das Landgericht den ermäßigten
Umsatzsteuersatz für das Legen vonWasserhaus-
anschlüssen bejaht hatten, folgte nun auch der
BGH der Argumentation des Klägers.
Die Entscheidung des BGH schließt an die Urtei-
le des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Oktober
2008 (Az.: V R 61/03 und V R 27/06) und des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaf-
ten (EuGH) vom 3. April 2008 (Rs. C-442/05)
an. Das beklagte Finanzamt behandelte damals
das Legen von Hausanschlüssen als eine dem
Regelsteuersatz unterliegende selbstständige
Hauptleistung, während der Kläger den ermä-
ßigten Umsatzsteuersatz für die Wasserlieferung
anwenden wollten. Um nicht gegen Gemein-
schaftsrecht zu verstoßen, hatte der BFH den
EuGH zur Vorabentscheidung befragt und dann
entschieden, dass das Legen eines Hausanschlus-
ses durch ein Wasserversorgungsunternehmen
gegen gesondert berechnetes Entgelt unter den
Begriff „Lieferung von Wasser“ im Sinne von § 12
Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 34 der
Anlage 2 zum UStG fällt und deshalb mit dem
ermäßigen Steuersatz zu versteuern ist, wenn
die Anschlussleistung an den späteren Wasser-
bezieher erbracht wird.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen
begehrte die Wohnungsgenossenschaft von ei-
ner Betreiber-GmbH – also nicht dem Wasser-
versorgungsunternehmen selbst, sondern des-
sen Tochtergesellschaft – die Berichtigung von
Rechnungen für Leistungen im Zusammenhang
mit Wasserhausanschlüssen unter Ausweis von
7% Umsatzsteuer sowie Rückzahlung des Diffe-
renzbetrages.
Bedeutung für die Wohnungswirtschaft
Nach Auffassung der Richter des BGH hat der EuGH
den Begriff „Lieferung vonWasser“ über den Ein-
zelfall hinaus dahingehend gesetzlich definiert,
dass das Legen von Hausanschlüssen selbst un-
mittelbar unter diesen Begriff fällt und daher auf
diese Leistung der ermäßigte Steuersatz von 7%
anzuwenden ist.
Dies setzt weder voraus, dass die Lieferung von
Wasser und das Legen des Hausanschlusses von
demselben
Wasserversorgungsunternehmen
erbracht werden, noch ist es auf das erstmalige
Legen eines Hausanschlusses beschränkt. Zudem
findet der ermäßigte Steuersatz auch auf Arbeiten
zur Erneuerung oder zur Reduzierung vonWasser-
anschlüssen Anwendung.
Da der Anspruch auf Rechnungsberichtigung
an keine Fristen gebunden ist, konnte die Woh-
nungsgenossenschaft noch die Berichtigung von
Rechnungen aus dem Jahr 1999 begehren. Un-
ternehmen, die vor demHintergrund dieses BGH-
Urteils Rechnungsberichtigungen beanspruchen
wollen, sollten die dreijährige Verjährungsfrist
gemäß § 195 BGB beachten.
Beginnend mit Rechtskraft des BGH-Urteils wür-
den ihre Ansprüche zum31. Dezember 2015 ver-
jähren (§ 199 Abs. 1 BGB). Verjährung bewirkt al-
lerdings keinen Untergang des Anspruchs, sondern
nur ein Recht des Anspruchsgegners, die Erfüllung
zu verweigern (Einrede).
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Ermäßigter Umsatzsteuersatz
beim Legen von Wasserhausanschlüssen
Ein weiterer Artikel der DW-Serie zu aktuellen Bilanz- und Steuerthemen widmet sich der Bedeutung eines
BGH-Urteils zum ermäßigten Umsatzsteuersatz beim Einrichten von Wasserhausanschlüssen. Die Instituti-
on, die den beschriebenen Rechtsstreit vor dem BGH betreute, klärt auf, welche (positiven) Auswirkungen
für Wohnungsunternehmen über den Einzelfall hinaus bestehen.
StB Thomas Winkler
Vorstandsmitglied DOMUS AG
Berlin
Finanzverwaltung sieht Herstellen
eines Hausanschlusses als Nebenleis-
tung zur Lieferung von Wasser.
EuGH, BFH und BGH betrachten das
Herstellen eines Hausanschlusses als
„Lieferung von Wasser”.
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11|2012