Seite 71 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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WEG §§ 24 Abs. 7, 26
Abberufung des Verwalters
Auch wenn man annimmt, dass nicht jeder Fehler bei der Führung
der Beschlusssammlung stets zur Abberufung des Verwalters aus
wichtigem Grunde führen muss, sondern stets die Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen sind, liegt ein wichtiger Grund für
die Abberufung des Verwalters vor, wenn bei der Führung der
Beschlusssammlung mehrere Fehler gemacht wurden.
AG Wiesbaden, Urteil vom 7.10. 2011, 92 C 2445/11
Umsetzung für die Praxis
Die nicht ordnungsgemäße Führung der Beschlusssammlung ist der
einzige im WEG normierte Regelfall eines wichtigen Grundes für die
Abberufung des Verwalters (vgl. § 26 Abs. 1 S. 4 WEG). Das bedeutet
allerdings nicht, dass jeder minimale Fehler gleich zur Abberufung
berechtigt. Gefährlicher ist vielmehr der „Erst-Recht-Schluss“ bei sonsti-
gen Vertragsverstößen. Von einem wichtigen gegen die Bestellung zum
WEG-Verwalter sprechenden Grund ist z. B. dann auszugehen, wenn
der allein mit Stimmen der im Mietpool organisierten Wohnungseigen-
tümer gewählte Verwalter in der Nachbar-WEG bereits Mietpool-Woh-
nungseigentümer zu Beschlussanfechtungen unter Kostenübernahme
aufgefordert hat (vgl. AG Hamburg-Blankenese, ZMR 2008, 841).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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WEG §§ 23, 28
Fehlende Beschlusskompetenz für
Umlage der Kosten einer Bewirt­
schaftungsgesellschaft
1. Die Wohnungseigentümer dürfen nicht die Kosten einer
Gesellschaft, welche die Anlage bewirtschaftet, durch Beschluss
nach § 28 Abs. 5 WEG auch auf Eigentümer umlegen, die nicht
Gesellschafter sind (BayObLG, ZMR 2001, 828, 829). Es fehlt die
Beschlusskompetenz insoweit.
2. Das gilt selbst dann, wenn der Eigentümer einer in der Teilungs­
erklärung begründeten Verpflichtung zum Beitritt oder zur Über­
lassung des Sondereigentums zur Vermietung durch den Verwalter
zuwidergehandelt haben sollte. Für eine Vornahme eines solchen
Schadensausgleichs ist in einer Abrechnung nach § 28 Abs. 5 WEG
kein Raum.
BGH, Urteil vom 22.7.2011, V ZR 245/09
Umsetzung für die Praxis
zu 1) Hier wurde das Kriterium der formellen Beschlusskompetenz (vgl.
BGH ZMR 2000, 771) bei der Beschlussfassung nicht beachtet. Auch
§ 28 WEG ermöglicht nicht jede Art der Kostenbelastung.
zu 2) Schadensersatzansprüche sollten nicht über die Jahresabrech-
nung realisiert werden. Steht ein Ersatzanspruch gegen einen Woh-
nungseigentümer in Rede, rechtfertigt dies nur dann eine Direktbelas-
tung, wenn der Anspruch tituliert ist oder sonst feststeht (vgl. jüngst
BGH, Urteil vom 4.3.2011, V ZR 156/10, ZMR 2011, 573).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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WEG §§ 23 ff., 43 Nr. 4
I
m Regelfall hat ein Negativ­
beschluss keine Sperrwirkung;
Instandsetzungspflicht
1. Ob ein Negativbeschluss einer späteren positiven Beschlussfas­
sung entgegensteht, ist durch objektiv-normative Auslegung zu
bestimmen. Eine Sperrwirkung wird demnach regelmäßig nicht
gegeben sein, wenn sich der Beschluss in einer reinen Ablehnung
des gestellten Antrages erschöpft.
2. Eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, welche die
Instandhaltung und Instandsetzung u. a. der Außenfenster einer
Sondereigentumseinheit mit Ausnahme des Außenanstrichs dem
jeweiligen Sondereigentümer auferlegt, ist grundsätzlich dahinge­
hend auszulegen, dass von ihr auch eine erstmalige Herstellung
eines ordnungsgemäßen Zustandes erfasst wird, jedenfalls soweit
es um die Behebung anfänglicher Baumängel geht (entgegen OLG
München ZMR 2007, 304 f. = NZM 2007, 522 f.)
LG München I, Urteil vom 27.6.2011,
1 S 1062/11 (Revision eingelegt)
Umsetzung für die Praxis
Zu 1) Der Negativbeschluss ist im Grunde oft nur ein temporäres NEIN.
Die Gemeinschaft kann im Folgejahr, ohne durch die vorjährige An-
tragsablehnung festgelegt zu sein, neu diskutieren und beschließen.
Will die Gemeinschaft positiv auf längere Zeit etwas unterlassen, muss
der Antrag ggf. negativ formuliert werden. Bsp.: Die nächsten drei
Jahre soll die Baumaßnahme … nicht umgesetzt werden.
Zu 2) Wenn der einzelne Sondereigentümer für Maßnahmen am Ge-
meinschaftseigentum in Anspruch genommen werden soll, muss ver-
sucht werden, ihm präzise die anfänglichen Baumängel, Instandset-
zung und Instandhaltung aufzuerlegen. Außerdem muss klargestellt
werden, ob er selbst die Maßnahme durchführen soll oder nur intern
zahlungspflichtig ist. Im erstgenannten Fall droht ein singuläres Vorge-
hen je nach Geldbeutel des Eigentümers. Verwalter und Gemeinschaft
stehen außen vor und kontrollieren allenfalls.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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nicht in den Prozess um die Beauftragung des Anwalts der Mehrheit
eingebunden wurden. Insoweit sollte vorher durch Beschluss festgelegt
werden, dass der Verwalter einen (bestimmten) Anwalt zur Klagvertei-
digung mandatieren soll.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
ZPO § 93; WEG § 43 Nr. 4
Gibt es ein sofortiges ­Anerkenntnis
bei einer ­Anfechtungsklage?
§ 93 ZPO findet bei Anfechtungsklagen gemäß § 46 WEG niemals
Anwendung.
AG Wiesbaden, Urteil vom 7.10.2011, 92 C 3285/11
Umsetzung für die Praxis
Selbst wenn die verklagten Wohnungseigentümer ihren Fehler einse-
hen und sofort gegenteilig beschlössen, läge kein Fall fehlender Klag-
veranlassung vor, selbst wenn der Kläger vor Klageerhebung hiervon
Kenntnis gehabt hätte. Ob für den Fall eines Verzichts aller Wohnungs-
eigentümer auf das Anfechtungsrecht bez. des korrigierenden Zweit-
beschlusses anders zu entscheiden wäre, lässt sich der Entscheidung
nicht direkt entnehmen. Da der bloße Zweitbeschluss grds. anfechtbar
ist muss der Benachteiligte aus dem Erstbeschluss binnen Monatsfrist
(§ 46 WEG) gegen diesen Beschluss klagen. Das lässt keinen Raum
für die Annahme einer fehlenden Klagveranlassung, die obendrein die
Beklagten auch noch zu beweisen hätten.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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Die Wohnungswirtschaft
11/2011
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