Seite 53 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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Vorstand Jörg Wollenberg verweist auch
auf die Anfang der 1970er Jahre gebaute
„Ortolan-Burg“ im Stadtteil Buckow – ein
Großprojektmit 565Wohnungen, teils erstellt
in Fertigbauweise und vorbildlich versehen
mit vielen Gemeinschaftseinrichtungen.
Stolz ist er auch auf die direkt gegenüber
befindliche, 1988 fertig gestellte „Schnecke“
– ein weiteres, seinerzeit viel diskutiertes
Großprojekt mit 93 Wohnungen. Es wurde
als Pilotprojekt zum 100-jährigen Bestehen
der Genossenschaft entwickelt. Der Archi-
tekt Axel Gutzeit brachte hier vor 25 Jahren
Selbsthilfe-Erfahrung und den Wunsch der
bbg nach Rückbesinnung auf den genos-
senschaftlichen Gedanken zusammen: Die
Mitglieder brachten als so genannte Mus-
kelhypothek Eigenleistungen als Darlehen
ein, die bbg bot intensive technische Bera-
tung, die Bauleitung überwachte die Maß-
nahmen. „Das Projekt, entwickelt im sozialen
Wohnungsbau der 1980er Jahre, rechnet
sich für die Mitglieder und auch für die bbg
heute noch“, so Wollenberg. Anstrengend
war vor allem die Koordination des Baupro-
zesses, erinnert er sich, erbrachten doch die
Mitglieder jeweils unterschiedliche Eigenan-
teile. Das Auslaufen der Anschlussförderung
belastet allerdings aktuell die Mieten.
Belebung der Selbsthilfe im Neubau
Anspruchsvoll klingt auch ein aktuell in
Planung befindliches Neubauvorhaben mit
80 bis 100 Wohnungen, das so genannte
„bbg-Dorf“ auf einem großen bbg-Grund-
stück in Berlin-Pankow. Es entsteht als ein
Mehrgenerationenobjekt im Geschoss-
wohnungsbau: Im vorderen Abschnitt sind
Wohnungen für ältere Menschen geplant,
im hinteren Abschnitt Einfamilienhäuser
für jüngere Mitglieder und in der Mitte ein
Begegnungszentrum mit dem Charakter
eines Dorfplatzes. Autos werden draußen
parken.
Dieses Bauvorhaben entspricht dem Cha-
rakter der Genossenschaft. Obwohl viele
Mitglieder langfristig, oft über fünf Jahr-
zehnte, bei der bbg wohnen, liegt der
Altersdurchschnitt nur bei 48 bis 50 Jahre.
Dennoch arbeite man, so Wollenberg,
gemeinsam mit der Marketinginitiative
der Berliner Genossenschaften am Ruf der
Genossenschaften, die nach wie vor als ein
wenig „verstaubt“ gälten. Die Altersgruppe
der 25- bis 45-Jährigen wird zurzeit intensiv
angesprochen – unter anderem mit einem
weiteren Bauvorhaben in Berlin-Lichter-
felde. Dort entstehen familiengerechte
Wohnungen ab 80 Quadratmetern in guter
Ausstattung. Eine Besonderheit ist der
eigene Zugang zum Mietergarten. Für den
Mieter käme das nahezu dem „Wohnen im
Eigentum“ gleich, meint Wollenberg.
Der Schwerpunkt der Investitionen liegt
jedoch weniger beim Neubau, sondern vor
allem bei der Modernisierung der Bestände.
Unter anderem um Betriebskosten zu
senken, werden jährlich rund 15 Millionen
Euro eingesetzt – das entspricht etwa 24
Euro pro Quadratmeter.
Zukauf von Bestandswohnungen –
Mieter werden Mitglieder
Die bbg bemüht sich auch um den Zukauf
von zum Portfolio passenden Bestandswoh-
nungen. Im Geschäftsjahr 2010 wurden
160 Wohnungen hinzugekauft. Sie befinden
sich jeweils in der Nähe von bbg-Beständen
und haben unterschiedlichen Modernisie-
rungsbedarf. Die Modernisierungsvorhaben
stoßen bei den neuen Mietern in der Regel
auf große Zustimmung. Oft spiele die Vor-
geschichte eine Rolle, da einige Bestände
zuvor, ohne dass investiert wurde, bereits
mehrere Male verkauft worden seien, merkt
Wollenberg an.
DieMieter von neuenWohnanlagen werden,
das ist Standard, mit einem Begrüßungsfest
willkommengeheißenundMitarbeitergeben
gemeinsam mit dem Aufsichtsrat Informati-
onen über die Genossenschaft. Den Mietern
steht es frei, im bisherigen Mietverhältnis zu
bleiben. Doch die Leistungen der bbg, der
Hinweis auf die Solidargemeinschaft, die
alle Leistungen quersubventioniert, und der
Vorteil des Dauernutzungsvertrages über-
zeugen. Ausschlaggebend für den Wechsel
ist meist auch, dass Mieterhöhungen für die
Mitglieder durch eine „genossenschaftliche
Kappung“ begrenzt sind.
Genossenschaftlicher Gedanke –
­Sozialmanagement
Das bbg-Sozialmanagement ist sehr aktiv.
Besonderheit: Es wird von vielen Ehren-
amtlichen getragen und von der Genossen-
schaft sowie durch Spenden finanziert. Ein
eigens gegründeter Verein, benannt nach
dem früheren Vorstandsmitglied Margareta
Spettmann, stützt auf Spendenbasis Nach-
barschaftstreffs, Zusammenkünfte, Aus-
flüge und anderes mehr.
Nachbarn sollen sich helfen, und zwar
„nicht nur, wenn die Not groß ist“, ist das
Credo von Vorstand und Mitarbeitern.
Dieses „wir sind füreinander da“ verkörpern
auch die Mitglieder: Sie verdeutlichen den
Wert von Genossenschaften mit Initiativen
in den Quartieren oder der Bildung neuer
Netzwerke. Auch die Vorstände verstehen
ihre Tätigkeit nicht als etwas Besonderes:
„Wir sehen uns als Angestellte unserer
Mitglieder.“ Und das Leitbild der bbg ver-
deutlicht: „Hohe Mitgliederzufriedenheit
erreichen wir, weil wir uns alle gegenseitig
unterstützen, wenn es um das Thema
Wohnen geht.“ Die bbg ist ein gesundes
Unternehmen, das den Wunsch des Grün-
ders „friedlich, freundlich, genossenschaft-
lich zu leben“ beherzigt.
Bärbel Wegner, Hamburg
Oben: Die so genannte Schnecke im Stadtteil
Buckow, Parchimer Allee 5a, b, c, d.
Links: Das nach dem Gründer Karl Schrader
benannte Haus in der Malplaquetstraße im
Stadtteil Wedding.
Quelle: bbg
Die Wohnungswirtschaft
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