Seite 51 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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Interview mit Dr. Joachim Wege, Verbandsdirektor des Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V.
„Interessenvertretung
und Information bleibt wichtigste Funktion“
Am 2. November 2011 wurde der VNW 111 Jahre alt. Er blickt auf eine bewegte und erfolgreiche Geschichte zurück.
Der VNW vertritt die Interessen seiner insgesamt 316 Mitgliedsunternhemnen – Wohnungsgenossenschaften,
privatwirtschaftliche und kommunale Wohnungsunternehmen mit 710.500 Wohnungen in Hamburg, Mecklenburg-
Vorpommern und Schleswig-Holstein. Diese investieren jährlich knapp einen Milliarde Euro in Neubau, Instandhaltung und
Modernisierung. Rund 1,4 Millionen Menschen geben sie dabei ein Zuhause. Zum Jubiläum des VNW: ein Gespräch mit
Verbandsdirektor Dr. Joachim Wege, dem erst zwölften Verbandsdirektor in der Geschichte des VNW – auch dies ein Zeichen
für Beständigkeit und Kontinuität der Wohnungswirtschaft.
Herr Dr. Wege, was waren für den VNW
die drei wichtigsten Meilensteine der
letzten 111 Jahren?
Dr. Wege:
Zum einen natürlich erst einmal
die Gründung als Verband schleswig-
holsteinischer Baugenossenschaften am
2. November 1900 mit Peter Christian
Hansen als Gründungsvater und Pionier des
Genossenschaftswesens. Im Mittelpunkt
seiner Motivation stand die Verbesserung
der Lebens- und gesundheitlichen Verhält-
nisse der kleinen Leute. In seinen Augen
galt es die Wohnsituation dieser Bevölke-
rungsgruppe zu verbessern, die zum Teil
mit vier bis fünf Menschen pro Zimmer in
schlimmen Situationen hausten. Dies seien
viel schlechtere Bedingungen, als sie die
Standards für die Stallungen von Pferden
und Kühen vorsahen, so sein Vergleich.
In den 1930er Jahren kamen mit dem
Gesetz über die Sicherung der Gemeinnüt-
zigkeit im Wohnungswesen die Funktion
als Prüfungsverband der gemeinnützigen
Wohnungsunternehmen und die Erweite-
rung des Verbandsgebietes um Hamburg
und Mecklenburg hinzu. Nach dem 2. Welt-
krieg legte dann Dr. Julius Brecht mit der
Neugründung des VNW – und des Bun-
desverbands GdW – den Grundstein für
die Zukunft der wohnungswirtschaftlichen
Verbände.
1990 stellte gleich mit zwei wegweisenden
Meilensteinen ein besonders wichtiges Jahr
für die Geschichte des VNW dar. Mit der
Aufhebung des Wohngemeinnützigkeitsge-
setzes wurden die Wohnungunternehmen
aus der staatlichen Bevormundung in die
soziale Marktwirtschaft entlassen. Die Wie-
dervereinigung mit dem neugegründeten
Verband mecklenburgisch-vorpommerscher
Wohnungsunternehmen anlässlich des 90.
Geburtstages des VNW legte die Basis für
grundlegende Veränderungen im Verband.
Ein Blick in die Zukunft: Was sind für
Sie die drei wichtigsten Aufgaben der
Zukunft?
Dr. Wege:
Mit der Initiative Zukunfts-
werkstatt Agenda 2025 konzentrieren wir
uns auf gutes und preiswertes Wohnen
in der Gemeinschaft. Besonders in unsi-
cheren Zeiten hat sicheres und bezahlbares
Wohnen die Funktion eines sozialen Kitts.
Den demografischen Wandel zu gestalten,
den sozialen Zusammenhalt der Gesell-
schaft zu sichern und einer drohenden Spal-
tung der Gesellschaft entgegen zu wirken,
ist eine Hauptaufgabe des Verbandes.
Die Mitgliedsunternehmen bemühen sich
erfolgreich um Stabilität und Sicherheit in
den Quartieren. Im Bereich Integration und
Sozialmanagement haben sie ein großes
Know-how.
Eine weitere wichtige Funktion ist und bleibt
für den VNW die interne und externe Inter-
essenvertretung der Mitgliedsunternehmen
sowie die Information der Mitglieder über alle
wohnungswirtschaftlichen und -politischen
Themen, Aufgaben und Veränderungen.
Der Verband ist schließlich kein Selbstzweck.
Und wir wollen die gute partnerschaftliche
Zusammenarbeit innerhalb des Verbandes
weiter pflegen und als positives Beispiel aus
dem Norden – auch für eine stärkere politi-
sche Zusammenarbeit – stehen.
Ausbildung, Nachwuchs, Attraktivität der
Branche: In Zeiten des demografischen
Wandels ist auch in der Wohnungswirt­
schaft der Kampf um die klugen Köpfe
eröffnet. Wie stellt sich der VNW in
diesem Aufgabenbereich auf?
Dr. Wege:
Dass die Wohnungswirtschaft
ein attraktiver Arbeitgeber ist, ist leider
nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannt.
Wer weiß denn wirklich, wie viel Kreativität
in wohnungswirtschaftliche Arbeit und
Konzepte einfließen muss? Der Facetten-
reichtum der ökonomischen, sozialen und
ökologischen Aufgaben, die zum Wohle der
Mieter und zum wirtschaftlichen Betreiben
eines Wohnungsunternehmens unter-
nommen werden, ist leider nur sehr schwer
zu vermitteln. Neben der Ausbildungskam-
pagne, die wir als gut und wichtig unter-
stützen, wollen wir uns nun dem Thema
Frauen in der Führungsebene verschreiben.
Ihr Anteil muss auch ohne Quote erhöht
werden, dazu gibt es keine Alternative.
Herr Dr. Wege, herzlichen Dank!
Das Interview führte Ulrike Silberberg.
Dr. Joachim
Wege
Quelle: DW,
Foto: Olaf Berger
Der Verband wurde von Peter Chris-
tian Hansen im Werfterholungs-
heim Kiel-Gaarden – das heute das
Theater „Werftpark Kiel“ beherbergt
– gegründet. Hansen gilt als einer der
profiliertesten bürgerlichen Sozial­
politiker seiner Zeit. Er gründete
bereits 1878 den Flensburger Arbeiter-
Bauverein und 1900 den Kieler Bau-
und Sparverein. Hansen führte den
Verband bis 1922 als Verbandsdirektor.
Die Wohnungswirtschaft
11/2011
49
Jubiläum