Seite 14 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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Das Licht Aktiv Haus setzt auf Tages­
licht. Was sind die wichtigsten Vorteile
der Nutzung von Tageslicht in Räumen
gegenüber der künstlichen Beleuchtung?
Prof. Andres:
Das Tageslicht ist die Urform
des Lichts. Nicht nur dass das Leben ohne
Licht grundsätzlich nicht möglich wäre,
sondern auch die Entwicklung aller unwill-
kürlichen Mechanismen des menschlichen
Auges wie Helligkeits-, Entfernungs- und
Farbanpassung ist im Laufe der Evolution
ausschließlich unter Tages- beziehungs-
weise Sonnenlicht abgelaufen. Wir Men-
schen verfügen über innere Uhren, die
wichtige biologische Prozesse rhythmisch
steuern wie beispielsweise den Tag-Nacht-
Rhythmus. Um diese innere Uhr zu synchro-
nisieren, braucht der Mensch jeden Tag eine
gewisse Menge an Licht, die normalerweise
nur das Tageslicht zur Verfügung stellen
kann. Hierbei handelt es sich um Licht-
mengen, die weit über dem liegen, was man
beispielsweise fürs Lesen braucht. Diesen
Aspekt hat man jahrzehntelang nicht
berücksichtigt. Man muss heute trennen
zwischen dem Licht für die Erfüllung einer
Sehaufgabe und dem Licht, das man zur
Sicherstellung der gesundheitlichen Fak-
toren braucht. Deshalb ist Licht für den
Menschen ein absolutes Grundnahrungs-
mittel. Dabei ist es eben auch besonderes
wichtig, dass die Qualität des künstlichen
Lichts an der Lichtqualität des Tageslichts
gemessen wird. Es kommt also nicht nur auf
die Menge des Lichtes, sondern auch auf
dessen Qualität an.
Sie haben das Lichtkonzept des Hauses
geplant. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Prof. Andres:
Zuerst wurden die Tages-
lichtbedingungen für den Siegerentwurf der
TU Darmstadt untersucht und dann mit den
Wetterdaten von Hamburg ausgewertet.
Anhand einer solchen Simulation kann man
dann feststellen, wie viel Prozent des außen
verfügbaren Tageslichts im Innenraum
ankommt. Daraufhin wurde zum Beispiel
die Position der Fenster weiter optimiert.
Erst wenn das Tageslichtkonzept steht,
beginnt die Planung des Kunstlichtes.
Die Fensterflächen wurden im Bestands­
gebäude von ehemals 18 Quadratmeter
auf insgesamt 60 Quadratmeter erwei­
tert. Wie gläsern darf ein Haus sein,
damit sich der Mensch darin wohl fühlt?
Prof. Andres:
Ein Haus darf nicht zu
gläsern sein, da man sonst im Sommer –
jedenfalls ohne wirksamen Sonnenschutz
– ein Überhitzungsproblem hat, außerdem
fehlt es dann an Geborgenheit und Pri-
vatsphäre. So ist es in den Abendstunden
extrem schwierig, in den Räumen eine
behagliche Atmosphäre zu planen, da das
künstliche Licht zum Beispiel auf den spie-
gelnden Glasflächen reflektiert
wird und diese auch grundsätzlich
zu dunkel wirken. Hier gilt es, die
richtige Balance zwischen Rück-
zugsbereichen und Ein- sowie Aus-
blicken zu finden.
Haben Sie eine Vermutung, wo
sich die Testfamilie, insbesondere
die Kinder, bevorzugt aufhalten
werden?
Prof. Andres:
Ich kann mir gut
vorstellen, dass vor allem bei
Schlechtwetterphasen der Trep-
penraum vor der Bibliothek beson-
ders reizvoll ist. Hier fällt durch die
Anordnung mehrerer Dachflächen-
fenster besonders viel Tageslicht
ein. Gleichzeitig öffnet sich dieser
Treppenraum auch horizontal mit
einer Fensterfront auf knapp fünf
Interview mit Lichtplaner Professor Peter Andres
Licht ist für den Menschen
ein Grundnahrungsmittel
Die Lichtplanung nahm eine zentrale Rolle bei der Planung des Licht Aktiv Hauses ein. Sie basiert auf umfangreichen Unter-
suchungen des Lichtplaners Professor Peter Andres. Die DW-Redaktion sprach mit dem Lichtplaner über die Bedeutung
von Tageslicht für das menschliche Wohlbefinden, die Planung des Lichtkonzepts sowie die widersprüchliche Entwicklung
zwischen ausreichendem Tageslicht in Wohnräumen und den Anforderungen der Energieeinsparverordnung.
Prof. Ing. Peter Andres
Quelle: Velux/Adam Mørk
Die „Tageslicht-Lampe“ erweitert als zentraler Erschließungs- und Bibliotheksbereich den Raum bis zum
Dach.
Quelle: Velux/Adam Mørk
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Thema des Monats
Mehrwert Licht
Die Wohnungswirtschaft
11/2011