Seite 91 - CONTROLLER_Magazin_2013_02

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dann durch den Produktionsprozess zu ferti-
gen Gütern verarbeitet und verkauft. Mit dem
Verkauf kommt das Cash wieder in das Unter-
nehmen und der Kreislauf kann von neuem
beginnen.
Doch das Geld ist nicht für die gesamte Dauer
des Zyklus im Umlaufvermögen gebunden.
Rohstoffe werden normalerweise auf Ziel ein-
gekauft, dadurch kann die Produktion bereits
bei Lieferung beginnen, während der tatsäch-
liche Zahlungsmittelabfluss erst später eintritt.
Auch die fertigen Produkte werden oft auf Ziel
verkauft und die Rückumwandlung in Cash
geschieht zeitlich nach dem Verkauf des
Produkts.
Das Kapital ist also nur für den Zeitraum zwi-
schen Zahlungsausgang und Zahlungseingang
im Umlaufvermögen gebunden und stellt somit
das Working Capital dar. Die Dauer der Kapital-
bindung wird auch als Cash-Conversion-Cycle
bezeichnet (vgl. Abbildung 2). Dieser errechnet
sich folgendermaßen: Cash-Conversion-Cycle
= Lagerdauer + Inkassoperiode – Lieferanten-
zahlungsziel.
In die Berechnung des Working Capitals fließt
auch die Cash-Position des Unternehmens mit
ein. Damit jedoch nur das tatsächlich operativ
gebundene Kapital gemessen wird, arbeitet
man in der Praxis häufig mit der Kennzahl des
Net Working Capitals
. Dazu wird die Cash-
Position vom Working Capital abgezogen,
um
Verzerrungen durch hohe Kontoguthaben
zu vermeiden
(vgl. Abbildung 1).
Aus dem Cash-Conversion-Cycle ergeben sich
auch die drei Einflussgrößen auf das Working
Capital: Vorräte, Forderungen und Verbindlich-
keiten aus Lieferung und Leistung.
Vorräte, seien es nun Rohstoffe oder fertige
Produkte, binden Kapital. Sie stellen einen
Wert dar, der finanziert werden muss, ohne
dass das Geld arbeiten kann. Auf der anderen
Seite sind hohe Vorratsbestände wichtig, um
jederzeitige Liefer- und Produktionsbereit-
schaft sicherzustellen. Dieser Spagat zwi-
schen so wenig wie nötig und so viel wie mög-
lich ist ein klassisches Entscheidungsproblem
der BWL (siehe Bestellmengenoptimierung
nach Andler).
Auch Forderungen müssen finanziert werden.
In der Zeit, die dem Kunden zur Bezahlung der
Ware gegeben wird, kann das Unternehmen mit
den erzielten Einnahmen noch nicht wirtschaften
– erst bei tatsächlichem Zahlungsmittelzufluss.
Das gleiche Prinzip gilt auch bei den Verbindlich-
keiten. Kauft das Unternehmen Rohstoffe auf Ziel,
entstehen Verbindlichkeiten, eine Liquiditätsbe-
lastung manifestiert sich aber erst bei tatsäch-
licher Bezahlung. Diese Lieferantenkredite dienen
der kurzfristigen Finanzierung und beeinflussen
die Höhe des Net Working Capitals positiv.
Unterschiedliche Kennzahlen
für unterschiedliche Zwecke
Die verschiedenen Kennzahlen werden unter-
schiedlich berechnet und beinhalten daher
auch alle eine unterschiedliche Aussage. Die
Liquiditätsgrade sind durch die jeweilige
Geldnähe ihrer Vermögensgegenstände in drei
Stufen mit unterschiedlichen Zeithorizonten
unterteilt. Die
Liquidität I. Grades
misst den
Bestand an Zahlungsmitteln und ist durch den
kurzen Zeithorizont am ehesten für den Ein-
satz in der Finanzdisposition bzw. dem Cash-
Management geeignet. Die
Liquidität III.
Grades
umfasst das gesamt Umlaufvermögen
und bildet dabei auch eventuell schwierig zu
liquidierende Vorräte ab. Sie ist durch ihren
langfristigen Zeithorizont eher für Entschei-
dungen über die Finanzierungsstruktur geeig-
net als zur Steuerung des operativen Ge-
schäfts. Als Kennzahl mit sinnvollem Zeithori-
zont zur Unternehmenssteuerung bietet sich
die
Liquidität II. Grades
an, die im wesent-
lichen Zahlungsmittel und kurzfristige Forde-
rungen umfasst.
In der Praxis wird auch of t auch mit dem
Working Capital gesteuert. Doch wie hoch ist
Abb. 1: Liquiditätsgrade
Abb. 2: Cash-Conversion-Cycle
Abb. 3: Strukturbilanz
CM März / April 2013