Seite 85 - CONTROLLER_Magazin_2013_02

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An erster Stelle ist eine gewisse
Flexibilität
bzgl. der Anforderungen
notwendig. Oft liegt
auch bei hochqualifizierten, motivierten Men-
schen eine Unterbeschäftigung vor. Dabei han-
delt es sich nicht nur um Arbeitsuchende, son-
dern auch um Ruheständler, die nach Beendi-
gung der Berufstätigkeit wieder in der Heimat-
region leben und noch unternehmerisch tätig
sein wollen. Dem Begriff des Unternehmertums
kommt eine höhere Bedeutung als in den
Hauptmärkten zu, da die weitgehende Speziali-
sierung nicht möglich ist. Deshalb werden die
Verantwortlichen neben dem Verkauf auch die
Leistungserbringung und -abrechnung bis hin
zur Serviceerbringungbewerkstelligen, also im
besten Sinne unternehmerisch tätig sein.
Gemeinsame Überzeugung und Werte können
nicht vorausgesetzt werden, sondern sind
zu schaffen. Bestanden bisher keine Berüh-
rungspunkte und sind nur allgemeine Markt-
und Produktkenntnisse beim Partner vorhan-
den, gilt es eine entsprechende Zeit miteinan-
der einzuplanen. Neben Besuchen am Unter-
nehmenssi t z und einer Beglei tung der
operativen Abläufe ist bei jedem Einzelschritt
festzulegen, wie dieser zukünftig im neuen
Markt gestaltet wird. Hier wird kein einseitiges
Festlegen, sondern nur die gemeinsame
Lösungssuche dauerhaft praktikable Abläufe-
formen.
Die Schaffung gemeinsamer Über-
zeugungen benötigt Zeit
, ein vierzehntä-
giger Schnelldurchlauf durch alle Abteilungen
reicht hierzu nicht aus. Vielmehr ist ein
persönlicher Ansprechpartner zu benennen,
der die Einführung intensiv begleitet und auch
später als zentraler Anlaufpunkt zur Verfü-
gung steht.
Für die weitere Zusammenarbeit gilt es die
passenden Anreize
zu finden. Die üblichen
Entlohnungsformen der eigenen Mitarbeiter
werden sich aufgrund des anderen Geschäfts-
modells selten als passend herausstellen.
Oft
wird eine selbstständige Tätigkeit als die
bessere Lösung dargestellt
, wobei seitens
des Personalwesens die rechtliche Zulässig-
keit zu prüfen ist. In jedem Fall sind die
Vorstellungen des Par tners möglichst zu
berücksichtigen. Dabei ist ein Gesamtpaket
zu schnüren, da neben der Arbeitsleistung oft
noch Räumlichkeiten oder Fahrzeuge Teil der
Gesamtlösung sind.
Auch die üblichen Planvorgaben, verbunden mit
entsprechenden Kontrollen, werden sich auf den
hier beschriebenen Märkten nicht realisieren las-
sen.
Vielmehr gilt es eine starke strategische
Kontrolle zu implementieren, aber operative
Freiräume zu schaffen.
Chancen und Risiken
sind sicherlich höher als bei „normalen“ Ge-
schäf tsentscheidungen. Deshalb muss man
großzügige, aber konsequent einzuhaltende Aus-
gaben festlegen. Diese vorab definierten Investi-
tionen stellen das maximale Engagement dar. Bei
einer Überschreitung wird das Projekt beendet.
Diese Haltung ist schon bei Projektbeginn allen
Beteiligten deutlich aufzuzeigen, um spätere
Irritationen und Enttäuschungen zu vermeiden.
Bei allen Risken können sich vermeintlich
unbedeutende Märkte als durchaus erfolg-
reiche Objekte herausstellen.
Dann wächst
die Begehrlichkeit der Zentrale, die üblichen
Prozesse einzuführen, welche auf Hauptmärk-
ten etabliert sind. Damit verbunden wäre eine
Ausbootung des bisherigen Partners, welcher
nicht mehr in das angepasste Geschäftsmodell
passt. Hiervon ist jedoch Abstand zu nehmen.
Der lokale Vertreter stellt den zentralen
Ansprechpar tner für bestehende und
potenzielle Kunden dar.
Wird dieser aus dem
Geschäft gedrängt, würde dessen Wechsel zu
einem Konkurrenten eine empfindliche Schwä-
chung nach sich ziehen. Zwar mögen vertrag-
liche Wettbewerbsklauseln vereinbart sein, de-
ren Einhaltung wird jedoch schwierig durchzu-
setzen sein. Deshalb sollten bei einer geplanten
Veränderung des Geschäftsmodells frühzeitig
der Kontakt zum Partner gesucht und ein-
vernehmliche Lösungen gefunden werden.
Deren zeitliche Befristung, verbunden mit dem
Angebot der festen Übernahme, wird auch die
eigenen Ansprüche erfüllen können.
Das Controlling sollte diese Situation in den
Businessplänen reflektieren und auch im
Erfolgsfall Grenzen akzeptieren
, welche in
unbedeutenden Märkten zwangsweise beste-
hen und nicht über ein gewisses Maß hinaus-
geschoben werden können. Bei aller Euphorie
nach einem gelungen Start, können in der
Uckermark nicht die gleichen Ziele vorgegeben
werden wie im Hochtaunus.
Praxisfall: Treppenliftanbieter
Ein Treppenliftanbieter ist im Umkreis von
50 km um seinen Unternehmenssitz fest
etabliert.
Anzeigen, enger Kontakt mit Sani-
tätshäusern und persönliche Empfehlungen
gewährleisten eine starke Marktposition.
Wenn auch einzelne Konkurrenten preiswertere
Abb. 2: Ansprüche der verschiedenen Fachbereiche
CM März / April 2013