Seite 80 - CONTROLLER_Magazin_2013_02

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Empfehlungen zum Umgang
mit den Bewertungskriterien
(Modellelement 2)
Die geforderte, im Hinblick auf den Einsatz-
zweck des jeweiligen PM möglichst vollständige
Abdeckung von Informationen durch die an den
beiden Achsen ersichtlichen Bewertungskri-
terien ist beim Einkaufs-Portfolio weitgehend
gegeben. Beim Risiko-Portfolio gilt das nur für
binomialverteilte Risiken, nicht aber für die häu-
fig vorkommenden normalverteilten Risiken, bei
denen das Risiko in unterschiedlichem Ausmaß
auftreten kann.
Es fehlen wesentliche Informationen beim Ei-
senhower-Portfolio (z. B. die Komplexität und
Machbarkeit der Aufgaben) und insbesondere
beim BCG-Portfolio (z. B. staatliche Regulierung
und Wettbewerbsintensität des betroffenen
Marktes).
Folglich sind bei Risiko-, Eisenho-
wer- und BCG-Portfolio die Ergebnisse der
Portfolio-Analyse vorsichtig zu interpretie-
ren und um zusätzliche Informationen zu
ergänzen.
Eine vorsichtige Interpretation ist
auch ratsam, wenn die beiden Bewertungs-
kriterien nicht unabhängig voneinander sind.
Dieses Problem besteht bei den vier ausge-
wählten PM allerdings nicht.
Alle vier PM weisen hinsichtlich der für die Be-
wertungskriterien erforderlichen Daten diverse
Verfügbarkeits- und Messprobleme auf. Diese
Probleme sind jedoch kaum der PM-Methodik
anzulasten, sondern grundsätzlicher Natur (z. B.
Quantifizierungsprobleme und Wahrnehmungs-
verzerrungen bei der Beurteilung von Risiken).
Sie lassen sich durch Sorgfalt und erhöhten
Aufwand bei Datenbeschaffung und -aufberei-
tung mildern.
Empfehlungen zum Umgang
mit der Mehr-Felder-Typologie
(Modellelement 3)
Bei BCG- und Einkaufs-Portfolio sind die Ska-
lierung und die Festlegung der Trennlinien recht
willkürlich. Zudem besteht bei diesen PM und
auch beim Eisenhower-Portfolio die Gefahr von
unangemessenem „Schwarz-Weiß-Denken“,
da nur zwischen hoch und niedrig unterschie-
den wird. Auch sind die Feldbezeichnungen
beim BCG-Portfolio (Cash Cows etc.) und Ein-
kaufs-Portfolio (strategische Artikel etc.) kaum
durch die jeweiligen Bewertungskriterien ge-
rechtfertigt. Der Nutzer sollte
die genannten
Konstruktionsmängel bei der Interpretation
von Ergebnissen der Por t folio-Analyse
sorgfältig und explizit berücksichtigen.
So
ist es ratsam zu untersuchen, inwieweit sich die
Analyseergebnisse bei Variation von Skalierung
und Trennlinien verändern. Die Feldbezeich-
nungen sollten bei diesbezüglich problema-
tischen PM durch neutrale Bezeichnungen (z. B.
Typ I bis Typ IV) ersetzt werden.
Empfehlungen zum Umgang
mit den Normstrategien
(Modellelement 4)
Die in den vier PM enthaltenen
Normstrate-
gien
sind aus verschiedenen Gründen proble-
matisch, insbesondere sind sie aufgrund von
Mängeln hinsichtlich der anderen Modellele-
mente für die vier PM
kaum zu rechtfertigen.
Wenn beispielsweise Informationen, die für die
Rechtfertigung einer Normstrategie wesentlich
sind, nicht einfließen oder nur schwer messbar
sind, werden die Normstrategien in Frage ge-
stellt. So haben mehrere Forschungsbeiträge
starke Zweifel an den Normstrategien des
BCG-Portfolios offenbart. Aber auch bei Ein-
kaufs-, Eisenhower- und Risiko-Por t folio
sollten die Normstrategien allenfalls als
Denkanstöße, nicht aber als „blind“ zu be-
folgende Empfehlungen dienen.
Dies wird
auch in anderen Literaturbeiträgen gefordert,
doch angesichts von Erkenntnissen zur Anker-
heuristik ist fraglich, inwieweit diese Forderung
fruchtet.
Da menschliche Entscheidungen stark von An-
kerwerten (hier in Form von Normstrategien
vorliegend) beeinflusst werden können, ist ein
Verzicht auf Normstrategien erwägens-
wert.
Ein PM ohne Normstrategien mag zwar
aus Anwendersicht zunächst weniger nützlich
erscheinen, aber tatsächlich eher zu guten Ent-
scheidungen führen. Denn ohne Normstrate-
gien bewegt sich ein PM vom Entscheidungs-
modell in Richtung deskriptives Modell, welches
nur zur Informationsaufbereitung dient, so dass
sich eventuell bestehende Mängel eines PM
weniger schädlich auswirken.
Fazit
In diesem Beitrag konnten vier Modellelemente
abgegrenzt werden, mit denen sich alle be-
triebswirtschaftlichen PM charakterisieren las-
sen. Außerdem konnten sieben modellübergrei-
fende Anforderungen an PM hergeleitet werden,
welche sowohl für die Nutzung vorhandener PM
als auch für die Entwicklung neuer PM hilfreich
sein können. Aus den acht unterschiedenen
PM-Arten und den exemplarisch zugeordneten
24 PM wurden vier bedeutende Ansätze ausge-
wählt und näher diskutiert. Dabei zeigte sich,
dass aus den erarbeiteten Anforderungen
viel-
fältige Empfehlungen für die Anwendung
erwachsen. So trägt dieser Artikel dazu bei,
modellübergreifendes Wissen für die Nutzung
von PM aufzubauen, welches
den Anwendern
in der Praxis eine verbesserte Entschei-
dungsunterstützung ermöglichen
soll.
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Portfolio-Modelle richtig nutzen