Seite 52 - CONTROLLER_Magazin_2013_02

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Ziele auszurichten. Dafür lohnt sich der Auf-
wand allemal.
Aus dem operativen Geschäft
die Strategie finanzieren
In einem zweiten Schritt wurden die bestehen-
den Controllings-Instrumente dahingehend
überprüft, ob sie in den Rahmen strategischer
Achtsamkeit passen. Dabei ging es um drei
Anforderungsbereiche:
1) Informationen für die Erarbeitung
und Präzisierung der Strategie
Jede Strategie beruht auf Annahmen, deren
Plausibilität zu hinterfragen ist. Dafür werden
geeignete Informationen benötigt, die zum ei-
nen aus Beobachtungen und zum anderen aus
konkreten Überprüfungen bestehen. Beides
kann sehr vielfältig sein und für beides sind
stimmige Instrumente hilfreich.
In unserer „Tüftlerbude“ werden systematisch
Mitarbeiter angeregt, gemeinsam mit dem Ver-
trieb auf Messen zu fahren und sich nicht nur in
der eigenen Branche, sondern auch in anderen
Bereichen zu informieren, welche Problemstel-
lungen wie gelöst werden. Darüber hinaus
haben sie einen Vertriebsmitarbeiter und zwei
Entwicklungs-Ingenieure als „Trend-Scouts“
eingesetzt. Deren Beobachtungen gehen weit
über Messebesuche hinaus. Sie schließen die
Diskussion mit Wissenschaftlern „fremder“
Fachdisziplinen (z. B. Bevölkerungs-Entwicklung
und Klima) ebenso mit ein wie „Hospitationen“
bei Kunden und Kunden von Kunden oder den
Besuch von Kunstaustellungen. Zum Schluss
werden in ergebnis-offenen Workshops nach
sogenannten
Nutzen-Innovationen
gesucht:
a. Nutzen-Innovationen orientieren darauf, so-
wohl für mögliche Kunden als auch zugleich
für sich selbst einen Zuwachs an Nutzen zu er-
reichen und einen neuen, bisher in dieser
Weise von niemandem beanspruchten Markt
zu erschließen. Durch unvoreingenommene
Beobachtung können Probleme erkannt
werden, die durch ein außergewöhnliches
Angebot besser, origineller, einfacher, also
kurz gesagt: nutzbringender für alle Beteiligten
gelöst werden können. Es gibt faktisch keinen
Bereich, in dem sich nicht unzählige Beispiele
für derartiges Unternehmertum finden lassen:
Amazon, Apple, Bosch, bofrost*, die Berliner
Philharmoniker, Cirque du Soleil, dm, Ebay,
Google, Hansgrohe, John Deere, Kieser, Naxos,
Porsche, Red Bull oder Würth – die Kette ließe
sich fast beliebig erweitern. Gemeinsam ist
ihnen die Haltung, nach dem Nützlichen für
Menschen und nicht nach dem Wachstum
von Zahlen zu streben; gepaart mit einer
Kultur des Ungewöhnlichen sowie mit Selbst-
vertrauen und zielstrebiger Disziplin.
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b. Um das Außergewöhnliche ihrer Ideen im
Vergleich zu herkömmlichen Lösungen zu
visualisieren, verwenden unsere „Tüftler“ ein
von W. Chan Kim und Renée Mauborgne
entwickeltes Instrument – die Nutzenkontur.
Nutzenkonturen sagen zwar noch wenig
über die Erfolgspotenziale einer Idee aus. Sie
helfen aber dabei, das Besondere zu visuali-
sieren.
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c. Seit einigen Jahren werden die besten Ideen
in einem Innovationswettbewerb von allen
Mitarbeitern des Unternehmens bewertet.
Einmal im Jahr wird in feierlichem Rahmen
ein Innovationspreis vergeben.
Beobachtungen und daraus abgeleitete Nutzen-
konturen sind das eine – das Austesten solcher
Ideen das andere. Deshalb gibt es in unserer
„Tüftlerbude“ inzwischen eine sich immer noch
weiter ausprägende Kultur von verschiedensten
Arbeitsgruppen, in denen unter Einbeziehung
eines großen Teils der Mitarbeiter mögliche
Wege zur Umsetzung der aus Beobachtungen
gewonnenen Ideen getestet werden. Das führt
nicht nur zu Erkenntnissen über neue Er-
folgspotenziale des Unternehmens. Es macht
den Menschen auch sichtlich Spaß (sie sind
schließlich „Tüftler“) und hat schon manches
Talent offengelegt, das vorher im Verborgenen
„geschlummert“ hatte. Aus diesen Arbeits-
gruppen entspringen vielfältige Impulse für die
Weiterentwicklung der Strategie.
2) Umsetzung der Strategie in eine
verbindliche Planung
Strategische Konzepte bleiben unverbindlich,
wenn sie nicht in konkrete Pläne übersetzt wer-
den. Allerdings ist mit der Planung eine weitere
hartlebige Illusion verbunden: die scheinbare
Fähigkeit, Zukunft zu berechnen. Diese Illusion
ist eng mit der Reduktion aller Dinge und Bezie-
hungen auf Zahlen und Zahlenproportionen
verbunden.
Die Mathematik erlaubt uns ohne große
Schwierigkeiten, die Ungewissheiten der Reali-
tät auszublenden und gleichermaßen klare wie
einfache Verhältnisse zu schaffen. Für „norma-
le“ Planungen reichen die Grundrechenarten
aus und zum Schluss steht eine eindeutige
Zustandsbeschreibung auf dem Papier: Ab-
satz, Umsatz, Kosten (in vielfach budgetierter
Verzweigung) und Gewinn. In etwas komple-
xeren Ansätzen (z. B. den verschiedenen Vari-
anten der Kapitalwert-Berechnung) werden
Autoren
Dr. Herwig Friedag
Friedag Consult, Moderation in Unternehmen.
Dr. Friedag leitet den Öffentlichkeitsausschuss im
internationalen Controller Verein eV.
E-Mail:
Dr. Walter Schmidt
ask, Angewandte Strategie und Kommunikation. Er ist Mitglied
des Vorstands im Internationalen Controller Verein eV.
E-Mail:
Controlling – Die DIN SPEC 1086 –