Seite 46 - CONTROLLER_Magazin_2013_02

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an, mit deren Hilfe der Unternehmer
sein Unternehmen selbst bewerten kann. Die-
se Tools sind jedoch häufig
bestenfalls als
Hilfsmittel und Denkanstöße
zu sehen, da
dem Unternehmer bei der Bewertung der Ein-
zelbereiche der distanzierte Blick von außen
zwangsläufig fehlt. Auch werden getroffene
Entscheidungen er fahrungsgemäß häufig
nicht mehr ausreichend kritisch hinterfragt
und die eigene Stellung und das Geschäfts-
modell tendenziell überbewertet.
Darüber hinaus basieren diese Auswertungs-
modelle üblicherweise nicht auf statistischen
Daten und werden nicht entsprechend der ak-
tuellen Wirtschafts- und Insolvenzdaten aktua-
lisiert. Zumeist handelt es sich vielmehr um ein
Punktemodell, das nach der mehr oder weniger
subjektiven Einschätzung des Erstellers ge-
wichtet ist. Banken und Investoren akzeptieren
solche Selfrating-Verfahren für ihre Entschei-
dungen nicht.
Finanz- und
Unternehmens(voll)rating
Des Weiteren lässt sich ein Rating auch hin-
sichtlich des Prüfungsumfanges unterscheiden.
Ein
Finanzrating
befasst sich nur mit der
finanzwirtschaftlichen Seite eines Unterneh-
mens, also den Jahresabschlüssen und ande-
rem Zahlenwerk. Diese quantitativen Faktoren
liegen in messbarer Form vor, was eine relativ
schnelle und objektive Bewertung ermöglicht.
Zudem ist dieser Teil gut automatisierbar, führt
jedoch auch zu einer nur eingeschränkten Aus-
sagekraft.
Ein
Unternehmensrating
(auch
Vollrating
genannt) bezieht neben den quantitativen
Finanzzahlen auch qualitative Bewertungen
mit ein. Diese wiederum unterteilen sich in
„har te“ Faktoren, wie die Dauer der Ge-
schäftstätigkeit, und „weiche“ Faktoren, die
durch Expertenwissen, beispielsweise des
Kundenbetreuers der Bank, bewertet und
abgeleitet werden müssen.
Diese umfassen beispielsweise:
·
die fachliche und kaufmännische
Ausbildung der Geschäftsführung
·
das Auskunftsverhalten
·
das Vorhandensein und die Qualität des
Controllings
·
die Qualität der Unternehmensplanung
und Risikosteuerung, aber auch
·
die Marktsituation und die
·
Stellung des Unternehmens am Markt, sowie
·
Abhängigkeiten von Lieferanten und Kunden,
um nur einige mögliche Beispiele zu nennen.
Banken ergänzen diese zusätzlich durch Warn-
signale, wenn beispielsweise das Konto bereits
über einen längeren Zeitraum überzogen ist
oder eine gewisse Anzahl Lastschriften nicht
eingelöst werden konnte. Diese Warnsignale
führen im Anschluss an das Rating zu Abschlä-
gen der Ratingnote.
Abhängig von der Ratingart fließen auch syste-
matisch ausgewertete
Kontoinformationen
entweder auf der Seite der quantitativen
Finanzdaten oder/und bei den Warnsignalen
mit in das Rating ein.
Dies können sein:
·
Entwicklung der Kreditausnutzung im
Zeitverlauf
·
Verhältnis des Kontoumsatzes zur Kreditlinie
·
Anzahl und Höhe der Haben- in Verhältnis
zu den Soll-Bewegungen
·
Höhe der fünf höchsten Soll- zu den
zwei größten Haben-Buchungen je
Kalendermonat
·
Anzahl der Überziehungstage
·
u.v.m.
Die
quantitativen Faktoren
sind vergangen-
heitsbezogen, da sich die zugrunde gelegten
wirtschaftlichen Unterlagen auf vergangene
Stichtage beziehen, während die qualitativen
Bewertungen auf die zukünftige Ertragskraft
des Unternehmens abzielen. Im Gegensatz zum
Finanzrating setzt das Vollrating die Zusam-
menarbeit mit dem Unternehmen zwingend
voraus. Daher sind unbeauftrage externe Ra-
tings in Form eines Vollratings in der Praxis
kaum möglich, bzw. die aus solchen Ratings
abgeleiteten Ergebnisse auf jeden Fall kritisch
zu hinterfragen.
Bei größeren Kreditengagements verlangen
Banken stets ein Vollrating. Je größer und kom-
plexer das Unternehmen ist, desto stärker fallen
die qualitativen Aspekte und damit die persön-
lichen Bewertungen ins Gewicht. Daher ist es
empfehlenswert, den Betreuer direkt nach den
wesentlichen Faktoren des Ratings und seinem
Eindruck hierzu zu befragen, um die benötigten
Informationen auch in der notwendigen Qualität
liefern zu können.
Unterscheidung nach der Definition
des Schadensereignisses
Von besonderer Bedeutung bei der Interpreta-
tion eines Ratings ist die Frage, wie die Bonität
gemessen wurde, also welcher Sachverhalt als
Ausfall definiert ist und ob die erwartete Scha-
denshöhe in die Betrachtung mit einfließt. Die
Definitionen reichen von allgemeinen Auffällig-
keiten, über die verschiedenen Stufen des
Zahlungsverzuges bis hin zum Totalausfall,
also der Insolvenz. Entsprechend mehr oder
weniger sensitiv reagieren die einzelnen Ver-
fahren.
Der klassische Ratingansatz ist eine Prognose
der Eintrittswahrscheinlichkeit in Kombination
mit der zu erwartenden Höhe des Ausfalles
(
Expected-Loss-Ansatz
). Im Extremfall kann
sich also ein gutes Rating ergeben, auch wenn
mit höherer Wahrscheinlichkeit von einem Ver-
lust oder teilweisen Ausfall auszugehen ist,
dieser jedoch voraussichtlich nur sehr gering
ausfällt oder durch die Erträge der übrigen
Jahren voraussichtlich wieder ausgeglichen
wird.
Dieser Ansatz wurde um 1900 von
John Moody, Gründer von Moody‘s Inves-
tor Service, entwickelt
und wird wegen der
sehr kapitalmarkorientierten Aussage auch
heute noch für viele Ratings durch Ratingagen-
turen genutzt.
Im Gegensatz dazu messen
Bankenratings
,
mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kreditneh-
mer die ihm
gewährten Kredite vollständig
zurückzahlen und jede Zahlung fristge-
recht leisten
kann. Bereits der Ausfall eines
geringen Teilbetrages wird bei dieser Be-
trachtung als Eintritt des „vollen Schadens-
falles“ gesehen. Entsprechend Basel II gehen
die derzeitigen Bankenratings sogar noch
weiter und werten es bereits als Ausfall, so-
bald der Schuldner mit seinen Zahlungsver-
pflichtungen mehr als 90 Tage in Verzug ist.
Das Bankenrating misst somit nicht die Insol-
Rating