Seite 90 - CONTROLLER_Magazin_2012_01

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(1) der Wareneingang, in dem die Ware phy-
sisch und administrativ übernommen wird,
(2) die Marktsortierung, in der Lieferungen je
nach Logistikprozess umgeschichtet werden,
(3) das Lager und
(4) der Warenausgang.
Bei der Prozessanalyse hat es sich bewährt,
dem Warenstrom durch das Warenverteil-
zentrum zu folgen und an mehreren Stellen
in die Tiefe zu gehen
. Sämtliche Tätigkeiten
in den genannten Bereichen wurden
in Form
von 131 Prozessen dokumentiert
. In erster
Linie geschah dies über Gespräche mit leiten-
den Angestellten und zusätzlich mit Mitarbei-
tern der operativen Bereiche. Gespräche fan-
den in mehreren Runden statt, wobei nach je-
der Iteration die erarbeiteten Daten analysiert
und in Prozessketten abgebildet wurden. In
späteren Runden konnten immer gezieltere
Fragen gestellt werden, um die illustrierten
Prozesse zu bestätigen und notwendigenfalls
zu korrigieren. Durch die tageweise Mitarbeit
war sichergestellt, dass die Prozesse praxis-
nahe abgebildet wurden.
Die Liste der Tätig-
keiten wurde iterativ verbessert
und teil-
weise mit bereits vorhandenen Prozessdoku-
mentationen abgeglichen.
In der Prozessanalyse erhob man für jeden der
131 dokumentierten Prozesse die Anzahl der
Durchführungen in einem Jahr sowie die Zeit
einer einmaligen Durchführung. Dadurch konn-
te die Gesamtzeit des jeweiligen Prozesses in
einem Geschäftsjahr ermittelt werden. Über
diese Periode bekommt jeder Prozess einen
proportionalen Anteil der Kosten zugeordnet, je
nach Anfall in den jeweiligen Funktionsbe-
reichen.
Die Validierung des Zusammenhanges zwi-
schen den Kosten und der geleisteten Arbeits-
zeit erfolgte folgendermaßen: Erstens wurde
die
Summe aller Prozesszeiten den tat-
sächlich angefallenen Stunden in einem
Funktionsbereich gegenübergestellt
. Hier
ergab sich in jedem Funktionsbereich eine
Ab-
weichung von weniger als 5%
.
Zum Zweiten erfolgte eine Untersuchung der
Korrelation zwischen den Prozessen und den
angefallen Ist-Stunden in einem Funktionsbe-
reich, mittels einer multilinearen Regressions-
analyse. Dabei wurden unabhängige Variable
wie z. B. die Anzahl der Regalentnahmen,
Staplerbewegungen, Einlagerungsvorgänge
wochenweise den geleisteten Ist-Stunden als
abhängiger Variable gegenübergestellt.
Die
Korrelationsanalyse zeigte in einem, Zu-
sammenhang von über 97%, dass die an-
gefallenen Ist-Stunden von den dokumen-
tierten Prozesse verursacht wurden
. Darü-
ber hinaus wurde über die Koeffizienten, die
sich für die einzelnen unabhängigen Variablen
aus der Regressionsanalyse ergaben, noch klar
ersichtlich, welche unabhängige Variable sich
am meisten auf die Anzahl der geleisteten
Stunden auswirkt. Daraus kann einerseits ab-
geleitet werden, an welcher Stelle der Vorkalku-
lation genaue Daten das Ergebnis entscheidend
beeinflussen, aber auch, wo der größte Hebel
zur Steigerung der Effizienz liegt.
Drittens wurden die
Prozesskosten durch ei-
nen Personalkostenanteil von 90 % ge-
deckt.
Dieser hohe Anteil spiegelt eine sehr
gute Abbildung der Kosten durch die erhobenen
Prozessschritte wider.
Entscheidungsgrundlage für
Wahl des Logistikprozesses für
jeweiligen Lieferanten
Jedoch sind 131 Prozesse für die Zwecke
einer Vorkalkulation zu detailliert, und dies
würde keine Flexibilität in der Abwicklung der
Arbeitsprozesse erlauben. Beispielsweise
kommt es dazu, dass die Ware plötzlich an-
ders entladen werden muss als vorgesehen,
oder in einen anderen Lagerbereich gebracht
wird, weil der disponierte Lagerbereich bereits
keinen Platz mehr aufweist. Würde man nun
in der Vorkalkulation mit zu detaillierten Pro-
zessen rechnen, ergäbe sich daraus eine
starke Abweichung von den Ist-Kosten. Aus
diesem Grund ist ein Kalkulationstool ge-
schaffen worden, das die verschiedenen Ebe-
nen der Detaillierung bei der Berechnung der
Sollkosten abbildet. Um dies zu ermöglichen,
können
Prozesse zu Prozessfamilien ver-
dichtet
werden. Dadurch entsteht ein neuer
Ablauf, der die Eigenschaften aller zusam-
mengefassten Prozesse enthält. Durch die
Verdichtung von Prozessen entsteht eine neue
Sicht auf eine Kostenstelle – aus prozesstech-
nischer Sicht. Je nach Kenntnis der Vorbedin-
gungen kann die Kalkulation der Soll-Kosten
mit mehr oder weniger detaillierten Prozessen
ablaufen.
Autoren
Dipl.-Ing. Andreas Flanschger
ist Doktorand am Institut für Betriebswirtschaftslehre und
Betriebssoziologie der Technischen Universität Graz. Seine
Dissertation beschäftigt sich mit Controllingsystemen bei
technologiebasierten Jungunternehmen.
E-Mail:
Dipl.-Ing. René Winkler
ist Consultant bei TRICENTIS Technology & Consulting in Wien.
Dipl.-Ing. Dr. Markus Ringhofer
ist Key Account Manager bei der Firma Siemens VAI in Linz und
nebenberuflicher Lektor für Controlling an der FH-Steyr.
E-Mail:
Akzeptanz der Prozesskostenrechnung bei Logistikprozessen
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