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Deutschland steht vor einem tiefgreifenden
Umbau seiner Energieversorgung. Die funda-
mentalen Änderungen in den regulatorischen
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stel-
len die Energieversorgungsunternehmen (EVU)
vor
vielschichtige Herausforderungen
.
Den aktuellen politischen Diskussionen fol-
gend, werden nach der im Vorjahr beschlos-
senen Laufzeitverlängerung die deutschen
Kernkraftwerke stufenweise bis 2021/2022
abgeschaltet (AtG).
1
Damit einhergehend stel-
len sich Forderungen nach einem massiven
Ausbau erneuerbarer Energien
(EEG)
2
wie
auch den für den Transpor t
notwendigen
Netztrassen
. Das bedeutet einen Balanceakt
zwischen hohen Investitionen für den tech-
nischen Ausbau, dem Kampf um etwaige För-
dermittel, einer angepassten Preis- und Tarif-
politik sowie erhöhten Kostenbestandteilen
(Abschreibungen, Rekultivierung und Brennele-
mentesteuer etc.). Darüber hinaus verschärfen
weitere Themen wie
Smart Grids
, der Ausbau
dezentraler Netze
sowie der Ausbau von
Speichermöglichkeiten
bei der Energie-Ein-
speisung die Ergebnissituation und den Hand-
lungsdruck der EVU.
Neue Gesetzgebung und aktuelle
Trends erfordern Anpassung der
bestehenden Unternehmenssteue-
rungsmodelle
Um in diesem stark volatilen Umfeld Wachs-
tumschancen optimal zu nutzen, müssen die
Auswirkungen dieser
„Kursänderungen“
auf
die EVU – hinsichtlich des Leistungsspektrums
(z. B. Energiemix) genauso wie hinsichtlich
eventuell notwendiger Umstrukturierungen in-
nerhalb der EVU – antizipiert werden. Es sind
zukunftsfähige Steuerungsmodelle
notwen-
dig, die dies unterstützen.
Gefordert ist eine aktive Unternehmens-
steuerung.
Dabei bedeutet aktive Unterneh-
menssteuerung, sich Ziele zu setzen, wie sich
das Unternehmen zukünftig entwickeln soll,
und zielführende Strategien zu erarbeiten. Eine
aktive Unternehmenssteuerung bringt zum
Ausdruck, sich nicht bedingungslos den Markt-
entwicklungen hinzugeben, sondern die sich
bietenden Chancen und Möglichkeiten zu su-
chen. Solche Chancen und Möglichkeiten sind
aber nur dann erkennbar, wenn geeignete
Messsysteme (z. B. einzelne Kennzahlen) auf
den einzelnen Ebenen innerhalb der Unterneh-
menshierarchie zur Anwendung kommen. Nur
wenn
die „richtigen“ organisatorischen Un-
ternehmenseinheiten mit den „richtigen“
Kennzahlen
gesteuert werden, ist eine ziel-
führende, aktive Unternehmenssteuerung
möglich.
Wie sehen nun aktuell die Steuerungsmodelle
von EVUs in der Praxis aus und wo sehen die
Unternehmen zukünf tig Änderungsbedar f?
Sind die EVUs auf die aktuellen und zukünftigen
Herausforderungen vorbereitet?
Um diese Fragen zu beantworten, hat die Ma-
nagement- und Technologieberatung Bearing-
Point eine Untersuchung durchgeführt, für die
Gespräche mit Entscheidungsträgern verschie-
dener EVUs geführt sowie deren Geschäftsbe-
richte analysiert wurden. Differenziert wurde in
der Betrachtung zwischen den großen europä-
ischen Versorgern und deutschen Regionalver-
sorgern/Stadtwerken (regional tätige Unterneh-
men mit teilweise eigener Energieerzeugung).
Angewandte Steuerungsmodelle
von EVUs
Organisationsstrukturen und
Steuerungshierarchien
Ein elementarer Bestandteil der Unterneh-
menssteuerung ist die
organisatorische Aus-
richtung
anhand von Steuerungseinheiten.
EVUs untergliedern ihre Steuerungs-, bzw. Be-
richtseinheiten im Allgemeinen nach hierar-
chischen Merkmalen, wie Wertschöpfungsstu-
fen, Regionen, Produkten, aber auch Einzelge-
sellschaften.
Auf
Konzernebene
findet sich vielfach eine
Matrix der Steuerungshierarchien wieder.
Hierdurch kann beispielsweise parallel nach
einzelnen Wertschöpfungsstufen, den Regi-
onen und nach Produkten gesteuert werden.
Im Rahmen dieser Matrixhierarchien erfolgt
die Definition von Verantwortungsbereichen
häufig auch auf den nachgelagerten Organisa-
tionsebenen.
Regionalversorger/Stadtwerke waren auf der
ersten Berichtsebene
bereits in den letzten
Jahren primär nach Wertschöpfungsstufen
(Erzeugung, Handel/Beschaffung, Netz, Ver-
trieb) und zweitrangig nach Produkten ausge-
richtet (vgl. Abbildung 1). Auch die großen En-
ergieversorger konzentrieren sich zunehmend
Unternehmenssteuerung in der Energiewirtschaft
in Zeiten eines tiefgreifenden Wandels
von Stefani Rahmel, Malte Rönz und Wolfgang Völl
Unternehmenssteuerung in der Energiewirtschaft
Accenture-interne Verwendung