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Die Veränderungsdynamik auf den ver-
schiedensten Arbeits- und Lebensfeldern
gewinnt an Wirksamkeit. Der Wandel voll-
zieht sich immer rascher und intensiver.
Diese Entwicklung stellt die Unternehmen in die
Notwendigkeit, jene Veränderungsprozesse
auch zu gestalten und zu steuern. Anderenfalls
drohen Fehlentwicklungen, Reibungsverluste
oder Reformstau.
Controller verstehen sich als „Business
Partner“
. Diese Rolle schließt ausdrücklich mit
ein, an der Entwicklung und auch an der Verän-
derung des Business teilzuhaben. Es stellt sich
die Frage nach der Rolle und Funktion der Con-
troller im Change Management, im Manage-
ment des Wandels. Um diese Fragestellung
geht es in diesem Interview.
Biel:
Schön, Herr Prof. Dr. Sandt, dass wir wie-
der miteinander zu tun haben. Journalistische
Prinzipien und der Ethik-Kodex des Deutschen
Fachjournalisten Verbandes legen mir nahe,
unsere Leserinnen und Leser darüber zu infor-
mieren, dass wir uns seit vielen Jahren kennen
und seit etwa 15 Jahren im Austausch stehen.
Dieser Kontakt ergab sich während Ihrer Zeit
als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr-
stuhl von Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber.
Ich gebe diesen Hinweis aber auch sehr gerne,
weil ich mich an viele anregende und span-
nende Diskussionen mit Ihnen erinnere. Sie
haben gemeinsam mit Weber im Jahre 2010
am Thema
„Aufgaben der Controller in Ver-
änderungsprozessen“
gearbeitet und zu-
sammen mit Weber in der Reihe Advanced
Controlling den Band „Controlling und Change
Management“ veröffentlicht. Bitte erlauben
Sie, für das Controller Magazin einige Nachfra-
gen zu stellen.
Sandt:
Ja, sehr gerne
Biel:
Zunächst eine grundsätzliche Frage. Auf-
gabe und Rolle des Controllers bzw. der Con-
trollerin haben sich im Zeitablauf deutlich ver-
ändert, wie ein Blick auf Diskussionen, Studien
und Veröffentlichungen zeigt. Wir haben aber
nicht nur eine Veränderung, sondern zuneh-
mend auch eine Erweiterung von Aufgabe und
Rolle festzustellen.
Der „Controller als Change
Agent“ ist eine weitere Facette dieses Zu-
wachses an Aufgaben und Verantwortung.
Wie weit ist dies realistisch? Wie weit können
die Controller in der Praxis diesen Erwartungen
tatsächlich gerecht werden? Wunschdenken
oder doch eher Realität?
Sandt:
Sie sprechen einen sehr wichtigen
Punkt an. In der Tat kommen immer mehr Auf-
gaben auf die Controller zu. Denken wir z. B. an
die
zusätzlichen Aufgaben
im Rahmen der
internationalen Rechnungslegung nach
IFRS
.
Controller sind nun auch z. B. Informations-
dienstleister für die Bilanzbuchhalter im Rah-
men der gesetzlich vorgeschriebenen Rech-
nungslegung, z. B. bei Werthaltigkeitstests ge-
mäß IAS 36. Zudem kommen im Rahmen von
Compliance
neue Aufgaben hinzu. Und dann
noch
Change Management-Aufgaben?
Das
scheint sehr viel, zu viel.
Biel:
Warum ist diese Facette, über die wir hier
diskutieren, im breiten Aufgabenspektrum der
Controller dennoch ein bedeutendes Thema?
Sandt:
Aber gerade CM-Aufgaben (CM =
Change Management) unterstützen das zentra-
le Ziel der Controller, nämlich Business Partner
zu sein oder zu werden. Dabei müssen nicht
notwendigerweise neue Aufgaben komplett
übernommen werden. Bereits die Verknüpfung
und Verzahnung mit anderen Steuerungsinstru-
menten und Abteilungen kann sehr effektiv
sein. Es geht sozusagen nicht um einen wei-
teren „Vollzeitjob“, sondern um eine stärkere
Vernetzung, eine
stärkere An- und Verbin-
dung zum Change Management.
Biel:
Gibt es hierfür positive Beispiele?
Sandt:
Ja, beispielsweise findet sich in dem
von Ihnen erwähnten Buch ein Exempel, wie
Financial Controller und Six Sigma-Mana-
ger im Starwood-Konzern
zusammen ar-
beiten. Ein weiteres Beispiel ist die Organisati-
onseinheit
OPEX – Operational Excellence
bei Evonik Degussa
. Es ist mittlerweile
ein
„Transmissionsriemen“ zwischen Konzern-
controlling und operativen Einheiten.
Biel:
Wie sehen Controller die von Ihnen ge-
forderte stärkere Einbindung. Was sagt Ihre
Erfahrung?
Sandt:
Controller und Controller-Abteilungen
haben sich in ihren Leitbildern als Business
Partner positioniert. Das ist ein sehr anspruchs-
volles Ziel – und hat Folgen. Controller sollten
sich selbstkritisch die Frage stellen, inwieweit
sie diesem Leitbild gerecht werden. Ist dieses
Ziel ernstgemeint, gehört die proaktive Unter-
stützung von Veränderungsprozessen dazu!
Biel:
Wie gehen die Unternehmen mit diesem
Thema um? Können Sie die praktische Umset-
zung veranschaulichen?
Sandt:
BASF
z. B. hat dies explizit in ihrem
Controlling-Verständnis
als Business Partner
aufgenommen –
„initiate & drive change“.
Transparenz zu schaffen ist ein notwendiger
erster Schritt für erfolgreiche Controller-Arbeit.
Aber wenn Controller den operativen Führungs-
kräften lediglich mitteilen, dass die „Ampel“ auf
Gelb oder auf Rot steht, führt dies auf beiden
Seiten mittelfristig zu Frustration. Ein weiterer
Schritt könnte sein, aufzuzeigen, wie die Ampel
wieder auf Grün geschaltet bzw. ein Zielwert
erreicht werden kann. Dazu müssen – wie
angesprochen – Controller nicht notwendiger-
weise komplett neue Aufgaben übernehmen.
Aber zumindest eine Verknüpfung mit anderen
Steuerungsinstrumenten und Abteilungen
muss gewährleistet sein. Beispielsweise kann
Controller als Change Agent
Der Controller als Change Agent
Interview mit Prof. Dr. Joachim Sandt
von Alfred Biel
Accenture-interne Verwendung