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Vermietete Bestandsimmobilien der erwerbs-
wirtschaftlichen Wohnungswirtschaft sind na-
turgemäß dem
Einkommensstreben der Im-
mobilieneigentümer
(nachfolgend: Inves-
toren) unterwor fen. Vermietung und ggf.
Verwertung von Immobilien soll sich für Inves-
toren rechnen! Dies übt entsprechenden Druck
auf das laufende Immobilienmanagement aus:
Leerstand soll vermieden,
die ortsübliche
Vergleichsmiete
mit jedem Mietverhältnis
mindestens erreicht,
Instandhaltungsmaß-
nahmen
sollen optimiert werden und derglei-
chen mehr.
Stellen wir uns eine beliebige Wohn- oder Ge-
werbeimmobilie an ihrem Mikrostandort vor,
mit der im abgelaufenen Jahr ein positives
EBITDA erreicht wurde. Hier stellt sich die Fra-
ge: Ist das erzielte EBITDA hoch genug? Reicht
es aus Sicht der Investoren? Oder besteht für
die Zukunft Handlungsbedarf? So kann man für
Bestandsimmobilien bspw. die bisherige
Ab-
schöpfungsstrategie
fortsetzen, aber alterna-
tiv auch eine
Liquidation
in Erwägung ziehen.
Anstelle Abschöpfung kann ein Wechsel zu
einer
Modernisierungsstrategie
erfolgen,
verbunden mit der Hoffnung, dass durch die
„Revitalisierung“
oder das
„Redevelop-
ment“
der Immobilienwert aus Investorensicht
nachhaltig gesteigert werden kann.
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Eine Antwort auf diese Fragen geben
regelmä-
ßige Performancekontrollen
, die auf Basis
einer internen Mittelfristplanung durchgeführt
werden können. Der Beitrag zeigt auf Basis
eines Fallbeispiels, warum der sog. zeitliche
Grenzgewinn
eine Spitzenkennzahl im lau-
fenden Geschäftsmodell der Immobilienwirt-
schaft darstellen könnte und wie er sich auf
verschiedene strategische Handlungsalterna-
tiven anwenden und zum
Net Present Value-
Konzept
, das den State-of-the-Art im Investi-
tionsmanagement namhaf ter Unternehmen
darstellt, erweitern lässt.
Performancebeurteilung für eine
Bestandsimmobilie: Weiter ab-
schöpfen oder liquidieren?
Wir betrachten eine
bestehende Wohnimmo-
bilie
, die sich im Eigentum einer Immobilien-AG
befindet, die sich dem Ziel der
Shareholder
Value-Maximierung
verpflichtet fühlt und da-
her das Einkommensinteresse der Aktionäre in
den Mittelpunkt aller Managementmaßnahmen
stellt. Die Aktionäre seien als natürliche Per-
sonen der Einkommensteuer unterworfen: Un-
ter der Annahme der
Vollausschüttung
erzie-
len diese Einkünfte aus Kapitalvermögen und
entrichten die sog.
„Abgeltungssteuer“
. Ab-
bildung 1 zeigt exemplarisch, wie man sich eine
Mittelfristplanung für die nächsten drei Jahre
für eine Immobilie vorstellen kann, falls sie in
ihrer bisherigen Struktur unverändert weiterge-
nutzt wird.
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In Zeile 6 von Abbildung 1 ist erkennbar, dass
ein
signifikanter Anstieg der Leerstands-
quote
im Rahmen der mittelfristigen Voraus-
schau
erwartet
wird, was zu einem entspre-
chenden Rückgang der Mieteinzahlungen (ein-
schließlich der auf die Mieter umlegbaren
Betriebskosten) führt. Bei entsprechender
In-
flationierung
der operativen Auszahlungen
sinken die zu erwartenden operativen Rückflüs-
se (hier vereinfacht mit EBITDA gleichgesetzt).
Die objektbezogenen Unternehmenssteuern
werden unter der Fiktion der Eigenfinanzierung
berechnet, und es ergibt sich der operative
Cashflow vor Einkommensteuer. Diese Fiktion
ist sinnvoll, um allein den operativen Wertbei-
trag einzelner Immobilien zu ermitteln bzw. um
die Wertfrage unabhängig von der Unterneh-
mensverschuldung zu beantworten.
Unter der Annahme der
Vollausschüttung
operativer Rückflüsse
, wie auch im Rahmen
internationaler Unternehmensbewertungen
üblich, unterliegt dieser Flow To Equity als so-
fortige Dividende der Kapitalertrag- bzw. Ab-
geltungssteuer (hier vereinfacht ohne Solidari-
tätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) in Höhe
von 25 %, was in Zeile 32 zum letztlich
wertrelevanten operativen Nettoeinkommen
aus Sicht eines Investors führt. In Zeile 33
wird abschließend der im Falle des Verkaufs
am Sekundärmarkt erzielbare Liquidationser-
lös für die betrachtete Wohnimmobilie pro-
gnostiziert.
Auf der Grundlage dieser Eingabe- bzw. Pla-
nungsdaten der Perioden 1 bis 3 kann die Fra-
ge nach einer Weiternutzung (Abschöpfung)
der Bestandsimmobilie problematisiert werden.
Hierzu empfiehlt sich das Formulieren eines
zeitlichen Grenzgewinnkalküls aus Investoren-
sicht.
Performancemessung für Bestandsimmobilien mit
zeitlichen Grenzgewinnen und Net Present Values
Überlegungen zum Einsatz wertorientierter Controllingkennzahlen
für ein effektives Immobilienmanagement auf der Grundlage eines
Fallbeispiels
von Ralf Kesten
Teil 1
Performancemessung für Bestandsimmobilien
Accenture-interne Verwendung