Seite 39 - CONTROLLER_Magazin_2012_01

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operative Entscheidungen werden häufig
zentral von der Unternehmensleitung getrof-
fen. Diese Bündelung der Entscheidungs-
kompetenz bedingt, dass der Chef ein „Ge-
neralist“ ist, welcher sehr unterschiedliche
Aufgaben wahrnimmt und sich nicht nur auf
reine Führungsaufgaben beschränkt.
·
KMUs verfügen in vielerlei Hinsicht über
relativ
begrenzte Ressourcen:
Personal,
Kapital, spezialisiertes Fachwissen, etc. So
gibt es z. B. für Controllingaufgaben in den
seltensten Fällen Spezialisten, sondern diese
werden von anderen Funktionen wahrge-
nommen (z. B. vom Rechnungswesen oder
der Geschäftsleitung selbst).
·
Eine
geringe Prozessformalisierung
(d. h.
weniger starre Regeln) ermöglicht eine relativ
große Flexibilität und dadurch mehr Freiraum
zu eigenverantwortlichem Handeln. Direkte
Informationswege erleichtern und beschleu-
nigen die Abstimmung und Koordination, so-
dass KMUs insgesamt rasch und flexibel auf
Änderungen reagieren können.
·
Fehlentscheidungen
werden wegen der
geringeren Kapitaldecke
schneller „le-
bensbedrohlich“
, gefährden also den Fort-
bestand des Unternehmens. Weil relativ viele
Entscheidungen in diesem Sinne kritisch
sind, weisen KMUs oft einen eher reaktiven,
risikoscheuen Führungsstil auf – sie sind in
diesem Sinne also konservativ und vermei-
den riskante Investitionen und Strategien.
Diese Kombination aus eingeschränkter Res-
sourcenverfügbarkeit, operativer Nähe, hoher
Flexibilität und stetigem Anpassungs- und Re-
aktionsdruck prägt auch den Umgang der
KMU-Führung mit Führungsinformation (wozu
Kennzahleninformation eindeutig zählt). Empi-
rische Untersuchungen zeigen regelmäßig,
dass KMUs meist nur wenige Kennzahlen nut-
zen, dabei auf finanzielle Aspekte fokussieren
und sich kaum einem umfassenden Kenn-
zahlenmanagement widmen (vgl. Rauten-
strauch et al. 2003; Rathje/Schindler 2008;
Keidel 2009). Dabei steigt die Nutzungsintensi-
tät von Kennzahlen mit zunehmender Unterneh-
mensgröße tendenziell an (Ossadnik et al.
2004; Becker/Ulrich 2009). Aus der Sicht eines
auf Großunternehmen zugeschnittenen Con-
trollings wäre dieser Befund eindeutig als
„mangelhaft“ zu klassifizieren: KMUs nutzen
Kennzahlen nicht „richtig“ und nicht ausrei-
chend. Aber: „A small business is not a little big
business“!
Optionen eines KMU-spezifischen
Kennzahlenmanagements
Nachdem KMUs weder über das Expertenwis-
sen noch über die Personal- und Sachressour-
cen ihrer großen Pendants verfügen, sind auf
Großunternehmen zugeschnittene Ansätze des
Kennzahlenmanagements für kleine Unterneh-
men in der Regel nicht realisierbar: Alles, was
viel Zeit, umfangreiche Berechnungen und spe-
zielles Fachwissen erfordert, hat geringe Nut-
zungschancen. Diese Tatsache spricht sowohl
gegen komplexe Kennzahlensysteme
(mit
Dutzenden von Einzelkennzahlen) als auch ge-
gen konzeptionell anspruchsvolle (d. h. nur mit
umfassendem Fachwissen verständliche)
Kennzahlen,
wie es die meisten wertorien-
tierten Kennzahlen sind. Es wäre aber falsch,
daraus den einfachen Befund abzuleiten, dass
KMUs dann eben kein Kennzahlenmanagement
einsetzen können. Vielmehr geht es darum,
auch für KMUs geeignete Optionen eines Kenn-
zahlenmanagements zu entwickeln und auf ihre
praktische Tauglichkeit zu untersuchen. Hier
sollen drei mögliche Ansätze eines KMU-spezi-
fischen Kennzahlenmanagements näher be-
trachtet werden:
Option 1: „Externes Kennzahlenmanage-
ment“:
Das KMU lagert die Ermittlung und die Auswer-
tung von Kennzahlen (zumindest teilweise) an
Externe aus (z. B. den Steuerberater, die Haus-
bank, einen Unternehmensberater, etc.). Im Un-
ternehmen selbst wird die Kennzahleninfo zwar
für weitere Entscheidungen und Maßnahmen
genutzt, die eigentliche Aufgabe der Versor-
gung mit Kennzahleninformation wird allerdings
außerhalb des KMU wahrgenommen (vgl.
Urigshardt et al. 2008)
Option 2: „Automatisiertes Kennzahlenma-
nagement“:
Die Ermittlung und auch Auswertung von Kenn-
zahlen erfolgt zum Großteil automatisch in vor-
handenen EDV-Systemen, die Ergebnisse wer-
den zum Teil auch bereits automatisch aufbe-
reitet (z. B. in Form von standardisier ten
Berichten). Aus der Information konkrete Maß-
nahmen abzuleiten, bleibt aber Aufgabe von
Personen und ist nicht automatisiert. Dieser
Ansatz hat Ähnlichkeit mit dem Konzept „Busi-
ness Intelligence“ (vgl. Kemper et al. 2006),
wenngleich KMUs auch hier typischerweise
weniger umfassende und anspruchsvolle Lö-
sungen bevorzugen.
Option 3: „Vereinfachtes Kennzahlenma-
nagement“:
Es werden nur solche Kennzahlen genutzt, die
sich im operativen Tagesgeschäft und in der
laufenden Buchhaltung ohnehin „von selbst“
ergeben, z. B. Zahlen einer Betriebswirtschaft-
lichen Auswertung/BWA, Saldenlisten oder
Übersichten aus der Warenwirtschaft und Auf-
tragsabwicklung, etc. Eine zusätzliche Ermitt-
lung von weiteren Kennzahlen erfolgt nicht oder
nur sehr eingeschränkt (vgl. Ruchhöft /Krey
2006).
Die beschriebenen Optionen schließen einan-
der nicht aus und können auch sinnvoll kombi-
niert werden (vgl. Taschner 2010b), aber sie
haben doch sehr unterschiedliche Umset-
zungsvoraussetzungen. Es ist deshalb nicht zu
erwarten, dass jede Option für alle KMUs gleich
gut geeignet ist.
Empirische Untersuchung der
Attraktivität der Optionen
Um die Attraktivität der drei Optionen für KMUs
näher zu untersuchen, wurde ein Online-Fra-
gebogen entwickelt und im Zeitraum zwischen
November 2010 und Januar 2011 verfügbar
gemacht.
KMUs aus den Regionen Stuttgart
und Reutlingen
wurden per Email eingeladen,
an der Befragung teilzunehmen. Wichtiger als
eine hohe statistische Repräsentativität war
dabei, Einblick in die Motive der KMUs zur Nut-
zung oder Nicht-Nutzung der beschriebenen
Optionen zu erlangen und über offene Fragen
direktes Feedback zu den wahrgenommen Vor-
und Nachteilen der Optionen sammeln zu kön-
nen. Deshalb wurden in die abschließende
Auswertung nur Unternehmen aufgenommen,
welche den Fragebogen vollständig oder nahe-
zu vollständig ausgefüllt hatten. Insgesamt
CM Januar / Februar 2012
Accenture-interne Verwendung