Seite 21 - CONTROLLER_Magazin_2012_01

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teilnehmen.
Wer misst, setzt ein Maß, und
dieses Maß wird aus einer Werthaltung heraus
entwickelt. Um aber das, was man messen will
im Unternehmen, nicht nur aufgrund eines re-
tardierten Verfahrens aus dem monoperspekti-
vischen Horizont der Leitungspersonen zu ent-
wickeln, ist es dringend angeraten, vorher die
Indikatorenfindung dialogisch zu gestalten.
Nicht nur aus demokratischen Gründen ist dies
angebracht, sondern aus Gründen des Mess-
verfahrens, der Sicherung von Reliabilität und
Validität selbst.
Um möglichst viele Prozessbeteiligte in den
Indikatorenfindungsprozess einzubeziehen,
schlagen wir vor, den Entwicklungsprozess auf
der Grundlage des „Solution Cycles“ zu initiie-
ren.
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Dieses systemische Diagnoseverfahren
eignet sich insbesondere dazu, Entwicklungs-
vorhaben personen-, themen- und prozessori-
entiert zu realisieren. Ziel ist es, mithilfe des
Solution Cycles die Bewertungsgrundlagen für
die BSC zu entwickeln. Das Prozess-Design
des
Solution Cycle
ist ein empirisch entwi-
ckeltes Modell, welches auf systemischen
Überlegungen beruht (vgl. Abbildung 1).
Die acht Phasen des Solution Cycle kön-
nen zu drei Hauptmodi zusammengefasst
werden:
Der
Perzeptive Modus
umfasst Erkennen
und Wahrnehmen mit den ersten Beobach-
tungen, dem Austausch von Sichtweisen
sowie der gemeinsamen Problembeschrei-
bung und Visionsfindung. Hier werden die
Marktanforderungen mittels Scanning und
Monitoring (Awareness) aufgenommen so-
wie Kontext- und Aufgabenprämissen prä-
zisiert. Es wird im Sinne von Gregory Bate-
son Wissen generiert (Lernstufe 0).
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In
diesem Modus ist Langsamkeit angesagt,
Beschleunigung führt zu schlechten Lö-
sungen und Verlangsamung in späteren
Phasen.
Der sich anschließende
Kreative Modus
dient der interaktiven Lösungskreation, der
vertiefenden Planung von Interventionen so-
wie der aktiven Veränderung (Lernstufe 1).
Es wird kreiert, selektiert, ausprobiert und
realisier t. Hier werden Teams gebildet,
Engagement entfacht, Lösungen kreiert,
Veränderungen geplant und realisiert. Es
wird Neues gelernt und verändert (Lernen
Stufe 1).
Im
Reflektiven Modus
steht die Beobach-
tung der Veränderungen (Kontakt, Flow or
Flop) im Vordergrund. Die Er fahrungen
werden zu Mustern und Regeln systemati-
siert (Best Patterns), der Projektabschluss
gefeiert und die lernorientierte Reflexion
der Geschehnisse (Loslösung) manifestiert.
Die Lernstufe 2 beinhaltet das Lernen
zweiter Ordnung. Die Erfahrungen werden
aus der Außenperspektive betrachtet und
systematisiert. Verknüpft man nun die skiz-
zierten Erkenntnisse miteinander, so lassen
sich Lösungsansätze ableiten, die an die
individuellen Anforderungen eines jeden
Unternehmens angepasst werden können.
Auf Basis des Solution Cycle lassen sich
gezielte Interventionen durchführen, die
dabei helfen, wichtige (Veränderungs-) Im-
pulse anzustoßen, positive Atmosphären zu
schaffen und die Rahmenbedingungen für
die Veränderungsprozesse selbst zu ge-
stalten.
Ein Beobachter zweiter Ordnung (Coach,
Manager) sollte das Geschehen begleiten
und kontextuell steuern. Manager haben
die Aufgabe, Initiativen zu ermöglichen,
den Rahmen und die Regeln interaktiv zu
vereinbaren und ihre Einhaltung zu kontrol-
lieren sowie die Atmosphäre passend zu
gestalten.
Wenn aufgrund des Entwicklungsprozesses,
der mithilfe des
Solution Cycles
initiiert worden
ist, erste Ergebnisse hinsichtlich der ange-
strebten Entwicklungsperspektive erarbeitet
sind, dann kann man mit der BSC weitere
Schritte zur Auswahl von Messkriterien unter-
nehmen.
Die herkömmliche BSC-Vorgehensweise
sieht so aus, dass die Formulierung der
„Unternehmensstrategie“ und deren Um-
setzung ausschließlich Managementaufga-
be ist.
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Diese Vorstellung halten wir, unter
systemischen Aspekten gesehen, für ver-
fehlt.
Für die Entwicklung von Zukunftsfähig-
keit und Wegen, die ein Unternehmen gehen
will, gehört immer die
Integration von „Sta-
keholdern“,
und dazu gehören sowohl
Mitar-
beiter
als auch
Kunden
. Blinde „Strategieent-
würfe“ scheitern meistens über kurz oder lang
und sind aus unserer Perspektive häufig einem
wenig reflexiven Managementaktionismus ge-
schuldet.
Die Zielfindung und die Formulierung einer
Entwicklungsrichtung kann unter Zuhilfenah-
me der Prozessentwicklung mittels des
Solu-
tion Cycles
im Unternehmen initiiert werden.
Nach diesem
ersten Prozessschritt
kann der
Abb. 1: Der Solution Cycle (nach Gustav Bergmann)
CM Januar / Februar 2012
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