Seite 18 - CONTROLLER_Magazin_2012_01

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„Die empirischen Methoden, deren Attrakti-
onskraft im Anspruch ihrer Objektivität ent-
springt, bevorzugen paradoxerweise, wie es ihr
Ursprung in der Marktforschung erklärt, Sub-
jektives, nämlich abgesehen von statistischen
Daten des Zensustyps wie Geschlecht, Alter,
Personenstand, Einkommen, Bildung und ähn-
lichem Meinungen, Einstellungen, allenfalls
Verhaltensweisen von Subjekten.“(Th. W. Ador-
no, GS8, S.199)
Messen kann man nur in einer trivialen
Welt der Eindeutigkeit, wo Maße verein-
bart sind und sich nichts ändert.
Wenn die
soziale Welt gemessen werden soll, steckt
dahinter der Wunsch, eine planbare, kontrol-
lierbare und beherrschbare Welt zu „behan-
deln“. Wir können kaum messen, was sich
permanent verändert, und zwar verändert
durch die Interaktionen an sich komplex agie-
render Akteure. Gemessen werden kann de-
ren Produktivität, Verhalten und Handeln nur,
wenn man die Akteure trivialisiert, ihr Hand-
lungsspektrum einschränkt und zudem die
Beziehungen untereinander kalibriert auf ein
überschaubares Maß.
Wer soziale Prozesse messen will, muss genau
diese vorher einschränken und konservieren.
Messungen gehen immer von einer kontrollier-
baren Welt aus, die es im sozialen Feld nur ge-
ben kann, wenn sie kontrollierbar gemacht
wird. Dies hat dann aber gewaltige Auswir-
kungen auf die Führungs- und Organisations-
kultur, denn Messen funktioniert nur in einer
trivialen Welt.
Wenn von Messung im Zusammenhang sozial-
wissenschaftlicher empirischer Forschung die
Rede ist, so spielt immer die Absicht eine Rol-
le, sich nicht unmittelbar Verfügbares verfüg-
bar zu machen.
Messung soll immer ein
„objektives“ Ergebnis dessen evozieren,
was gemessen wird.
Methodisch dienen
dazu vorwiegend normierte, mathematische
Verfahren, die alle subjektiven Aussagen und
Daten unter der Gleichschaltung in mathema-
tisierter Methodik, in Algorithmen scheinbar
objektive Korrelationen und Aussagen, trans-
ponieren. Dabei sind ausnahmslos alle empi-
rischen Verfahren subjektiv gebunden, und
schon die Auswahl der scheinbar objektiven
Methoden birgt die subjektiven Kalküle, derer
sie sich doch entbinden will.
Nichts Messbares ist objektiv messbar, wie
uns schon gute Lehrbücher der empirischen
Sozialforschung mittlerweile lehren.
Den-
noch hält der, aus unserer Sicht, Wahn des Mes-
sens immer weiter Einzug in alle Gebiete wissen-
schaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Art.
Die Dienstleistungen und das
System – Messungen und
Relationalität
Wenn wir nun die konstruktivistische Lesart von
Wahrheitsfragen bemühen, so kommen wir zu
dem Schluss, dass „Wahrheit“ einer gemein-
samen Vorstellungswelt entspringt (Heinz v.
Foerster).
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„Einer hat immer Unrecht, aber: mit
Dienstleistungsproduktivität – Vom Messen
des Unmessbaren
von Gustav Bergmann und Jürgen Daub
Dienstleistungsproduktivität – Vom Messen des Unmessbaren
Accenture-interne Verwendung