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... Während die bestehenden Instrumente zur
Ausschüttungsbemessung weitestgehend auf
vergangenheitsbezogenen Daten basieren, wer-
den erwartete Zahlungsströme und darauf auf-
bauende Liquiditätsprognosen (Plankapitalfluss-
rechnung) bei Solvenztests herangezogen. So
soll festgestellt werden, ob eine Ausschüttung
zur Insolvenz des Unternehmens führen könnte
oder nicht. Einige Vorschläge fordern zudem
einen ergänzenden Bilanztest. In Bezug auf die
konkreten Anforderungen an einen Solvenztest
ist sich die Wissenschaft noch nicht einig. So ist
die Einführung eines Solvenztests in Deutsch-
land als Alternative zum Einzelabschluss derzeit
nicht geplant.
Ziele und Gründe für die Einführung
Solvenztests sind darauf abgestellt, „ein ausrei-
chendes Eigenkapital im Unternehmen zu bin-
den“. Im Kern stellt sich die Frage, welche finan-
ziellen Mittel zur Ausschüttung zur Verfügung
stehen, ohne dabei das Fortbestehen des Unter-
nehmens zu gefährden. Die gegenwärtige Dis-
kussion in der Wissenschaft favorisiert als Alter-
nat ive zu den bislang bi lanzor ient ier ten
Höchstausschüttungsregelungen einen finanz-
planorientierten Solvenztest zum Schutz der
Gläubiger. Die Ausschüt tungsbemessung in
Deutschland ist zurzeit durch eine Mischung
aus gesellschaf ts- und handelsrechtlichen
Normen geregelt. Folgende Punkte werden da-
bei im Wesentlichen kritisiert: 1. Gläubiger wur-
den durch die bestehenden Regelungen nicht in
ef fizienter Weise geschützt; 2. Für kapital-
marktorientier te Konzerne ergibt sich eine
(kostenintensive) Abschlussvielfalt durch das
Nebeneinander von IFRS, HGB und Steuerrecht;
3. Es bestehen keine einheitlichen Kapital- und
Gläubigerschutzregelungen in der EU.
Inhaltliche Ausgestaltung von Solvenztests
Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung von
Solvenztests ist noch nicht abschließend ge-
klärt. Es lassen sich jedoch zwei (sich ergän-
zende) Ver fahren aufzeigen, die beide auf
dem englischen Richterrecht basieren: Der
Solvenztest ist grundsätzlich charakterisiert
durch die Kombination von vergangenheits-
und zukunf tsorientier ter sowie zahlungs-
strom- und stichtagsorientierter Betrachtung.
Größere Bedeutung für Erkenntnisse über die
zukünftige Zahlungsfähigkeit wird dabei dem
Liquiditätstest zugesprochen. Ein Solvenztest
gilt h. M. nach als bestanden, wenn:
- die bestehenden Verbindlichkeiten gedeckt
und ggf. determinierte Liquiditätskennzahlen
erfüllt werden (Finanzstatus),
- der Finanzmittelfonds während des gesamten
Betrachtungszeitraum positiv ist und die Fort-
führung der unternehmerischen Tätigkeit durch
ausreichende finanzielle Mit tel gesichert ist
(Finanzplan),
- der aufkommende Kapi talbedar f durch
bestehende Finanzierungsmöglichkeiten ausge-
glichen ist und keine Risiken zu erkennen
sind, die die unternehmerische Existenz in
Gefahr bringen könnten (Kapitalbedarfs- und
Risikoplanung).
Liquiditätstest (equity insolvency test)
Der Liquiditätstest steht im Fokus der aktuellen
Debatte. Mit diesem soll sichergestellt werden,
dass Ausschüttungen nur dann vorgenommen
werden, wenn die Gesel lschaf t in einem
bestimmten Zeitraum, nachdem eine Ausschüt-
tung vorgenommen wurde, ihren fälligen Zah-
lungsverpflichtungen Rechnung tragen kann.
Hierbei wird auf die Finanzplanung zurückgegrif-
fen. So wird im Sinne des Prinzips der Unterneh-
mensfortführung (going concern) die Liquidität
des Unternehmens in der Zukunft gemessen.
Die Ausgestaltung der prospektiven Finanzpla-
nung kann sich z.B. am Aufbau der Kapitalfluss-
rechnung gem. DRS 2 oder IAS 7 orientieren,
d. h. die Cashflows sind der Investitions- und
Finanzierungstätigkeit oder operativen Tätigkeit
zuzuordnen.
Bilanztest (balance sheet test)
Beim Bilanztest liegen Bilanzdaten zu Grunde
und es ist von einer Zahlungsunfähigkeit des
Unternehmens auszugehen, wenn die Summe
der Verbindlichkeiten nicht mehr durch die Sum-
me der Vermögenswerte gedeckt werden kann.
Kritik am Konzept des Solvenztests
Kernstück eines Solvenztests bildet die prospek-
tive Finanzplanung. Diese prognostizier ten
bzw. geplanten Daten sind mit großer Unsicher-
heit behaf tet. Zudem bieten sich für den
Ersteller im Rahmen solcher Prognose- bzw.
Planungsrechnungen erhebliche Einschätzungs-
spielräume. Ein solches Ausschüttungsbemes-
sungssystem ist daher im Vergleich zur bilanziel-
len Kapitalerhaltung weniger objektiv.
Ausblick
Auch in Deutschland könnten finanzplanbasierte
Solvenztests wegen der genannten Gründe
das traditionelle System der Kapitalerhaltung
(zumindest für kapitalmarktorientierte Konzerne)
ersetzen. Damit könnte das Gläubigerschutzsys-
tem in Zukunft aus zwei Teilen bestehen: Neben
die bilanzielle Kapitalerhaltung auf der Grund-
lage eines informat ionsor ient ier ten IFRS-
Abschlusses träte ein zukunfts- und liquiditäts-
orientierter Solvenztest. Für den Einzelabschluss
wurde in der Vergangenheit eine Verknüpfung
von IFRS und Solvenztest als Ausschüttungsbe-
messungsgrundlage abgelehnt, weil der Sol-
venztest nach Ansicht des Gesetzgebers noch
nicht derart ausgereift ist, als dass eine Veran-
kerung in den deutschen handelsrechtlichen
Vorschriften gerechtfertigt wäre. Gleichwohl
kommt eine von der EU-Kommission in Auftrag
gegebene Studie zur Kapitalerhaltung zu dem
Ergebnis, dass die IFRS mit Solvenztest grund-
sätzlich für Ausschüt tungszwecke geeignet
sind. Im Falle einer Einbettung in europäisches
Recht müssen noch präzise Vorgaben für die
Durchführung von Solvenztests formuliert wer-
den, um Ermessens- und Handlungsspielräume
auf ein geringeres Maß zu reduzieren.
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Ersteinsteller: Dipl.-Kfm. Lars Haneber, wissen-
schaftlicher Mitarbeiter, Universität Oldenburg
Aus ControllingWiki: Solvenztest
Internationaler Controller Verein ICV