Seite 90 - CONTROLLER_Magazin_2011_05

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dürfen doch auch die Nachteile nicht überse-
hen werden. Teilweise führen sie dazu, dass
vom Leasing abgeraten werden muss.
Leasingnachteile für den
Leasinggeber
Der
Leasinggeber
trägt als juristischer Ei-
gentümer bei kurz laufenden Leasingverträ-
gen den Großteil des
Restwertrisikos
. Wenn
er z. B. ein Fahrzeug für 36 Monate vermietet
und kein Andienungsrecht hat, so hängt die
Vorteilhaftigkeit des Kaufes des Leasinggutes
davon ab, ob er am Ende der ersten Vertrags-
laufzeit noch weitere Mieter oder einen Käufer
mindestens in der Nähe des kalkulierten Rest-
wertes findet. Wenn in der Zwischenzeit uner-
wartete Ereignisse stattgefunden haben (z. B.
wesentliche Preiserhöhung beim Kraftstoff,
notwendiger Rußfilter oder Durchbruch der
Elektrofahrzeuge), so wird er den kalkulierten
Restwert nicht erzielen können und damit ggf.
die vollständige Amortisation des ursprüng-
lichen Kaufpreises verfehlen. Zudem steht der
Leasingnehmer in der Gefahr, dass sich die
Finanzierungskonditionen wesentlich ver-
schlechtern, so dass die
Refinanzierung
schnell schwierig und teuer
werden kann.
Auch steuerliche Änderungen z. B. bei der Ge-
werbeertragssteuer können sich negativ aus-
wirken.
Leasingnachteile für den
Leasingnehmer
Auf der Seite der Leasingnehmer ist das
Rest-
wertrisiko
zu nennen, wenn er am Ende der
Vertragslaufzeit für den Restwert haften muss.
Ist der Wert hingegen gestiegen, hat er nur in
wenigen Vertragskonzepten daran einen klei-
nen Anteil. Zudem ist eine vorzeitige Vertrags-
beendigung wenig vorteilhaft, weil der Leasing-
geber dann häufig die aktuellen niedrigen
Marktrestwerte ansetzt und nicht die subventi-
onierten, welche die günstige Leasingrate erst
ermöglicht haben. Ein vorzeitiger Verkauf inner-
halb der Vertragslaufzeit ist nur sehr einge-
schränkt möglich, weil immer erst eine Verein-
barung mit dem Leasinggeber getroffen wer-
den muss. Auch Verlängerungen verlangen
nicht selten das Einverständnis des Leasingge-
bers. Eine freie Verfügung über das Leasinggut
ist somit nicht gegeben.
Ein weiterer Nachteil liegt
in der Komplexität
einiger Leasingverträge
, welche hohen Ar-
beitsaufwand fordern. So sind die Bedingungen
für einige Sale and lease back-Geschäfte so
trickreich, dass die Leasingnehmer – häufig
Kommunen – erst in der Finanzkrise gemerkt
haben, auf was sie sich eingelassen haben.
Auch die Unsicherheit hinsichtlich der Bilanzie-
rung kann genannt werden.
Die Beschreibung der Vor- und Nachteile zeigt,
dass jedes Leasingangebot sehr genau geprüft
werden muss. Einige rechnen sich, bei anderen
sollte der Kunde lieber herkömmliche Kredite
einsetzen. Um das entscheiden zu können, ist
ein Vorteilhaftigkeitsvergleich notwendig, für
den die relevanten Zinssätze beider Verhand-
lungspartner bekannt sein müssen.
Ableitung des Vergleichsmaß-
stabes (Kalkulationszinssatz)
Im Beispiel wurden einige Zahlungsarten ge-
nannt, deren zeitlicher Anfall sehr unterschied-
lich war. Eine Auszahlung gleich zu Beginn der
Leasingperiode ist schwerwiegender als eine
spätere. Denn die Kapitalverzinsung startet na-
türlich mit dem Vertragsbeginn. Vergleichbar
machen kann man die unterschiedlichen Aus-
zahlungen dadurch, dass man sie auf einen
einheitlichen Vergleichszeitpunkt bezieht. Hier
wird der Zeitpunkt t=0 gewählt. Aber auch alle
anderen Zeitpunkte wären möglich, so lange
alle Zahlungen auf sie bezogen werden. Die
Wahl des Vergleichszeitpunktes erfolgt dann
eher unter praktischen Gesichtspunkten. Im
Leasing wird fast immer der Startzeitpunkt ge-
wählt, so dass die Summe der Barwerte kalku-
liert werden muss.
In jedem Fall muss ein Vergleichsmaßstab auf-
gebaut werden.
Es wird ein individueller Kal-
kulationszinsfuß (Vergleichszinssatz) be-
nötigt
, der den zeitbezogenen Wert des Geldes
für den jeweiligen Entscheidungsträger angibt.
Die Ableitung des Vergleichszinssatzes erfolgt
für Privatpersonen und Unternehmen unter-
schiedlich. Erst wenn die Kalkulationszinssätze
der beiden Vertragsparteien feststehen, kön-
nen intelligente Vertragsstrukturen abgeleitet
werden.
Vergleichszinssätze für
Privatpersonen
Privatpersonen müssen sich dazu fragen, wie
sie zusätzliches Geld anlegen bzw. wie sie be-
nötigtes Geld beschaffen würden. Dabei kann
der Verbraucher in der Kreditsituation oder in
der Anlagesituation sein. Diese Unterschei-
dung ist wichtig für die Ableitung des Zins-
satzes.
Kreditsituation
Befindet sich die Privatperson in einer Kre-
ditsituation
, würde sie bei Geldbedarf den
Kredit erhöhen und bei Geldzugang abbauen.
Die Opportunität ist also jeweils im Aufbau bzw.
Abbau des relevanten Kredites zu sehen. Der
Kalkulationszinsfuß kann so im Effektivzins-
satz für Konsumentenkredite oder Hypothe-
kendarlehen bestehen oder im schlimmsten
Fall aus dem Effektivzinssatz für Kredite vom
Kredithai. Es hängt davon ab, wie die Privatper-
son reagieren würde.
Ertragssteuerliche Aspekte können in der Kre-
ditsituation meistens vernachlässigt werden,
da Kreditzinsen im privaten Bereich fast nie
von der steuerlichen Bemessungsgrundlage
abgezogen werden können.
Anlagesituation
In der Anlagesituation (oder auch Habensi-
tuation)
muss sich der Anleger fragen, ob er
durch Auflösung eines Teils seiner Anlagen die
Zahlungen durchführen und damit auf Zinsein-
künfte verzichten oder ob er die Anlagen wei-
terlaufen lassen soll. Die Zinssätze seiner aktu-
ellen und geplanten Anlagen dienen somit als
Vergleichsmaßstab ( Vergleichszinssatz). Zu
denken wäre im privaten Bereich beispielhaft
an die Verzinsung von deutschen Staatsanlei-
hen von ca. 3% oder auch (bei schlechtem
Anlageverhalten) die von Sparbüchern von
0,5% - 2%. Auch Sparpläne von Banken (ca.
2 - 4%) oder die Rendite von Lebensversiche-
Gewinnung neuer Kundengruppen durch kreatives Leasing