Seite 58 - CONTROLLER_Magazin_2011_05

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Man kann manchmal den Eindruck haben, dass
der Lotse in einigen Unternehmen – einmal an
Bord – nie von Bord geht und die Rolle des Ka-
pitäns (der Entscheidungsträger) permanent
übernimmt.
Der Lotse ist seiner Aufgabe
nach aber bekanntermaßen nicht während
der ganzen Reise eines Schiffes an Bord
. Er
wirkt nur für einen Bruchteil eines Anteils an
der Gesamtreise auf dem zugewiesenen Schiff.
Sobald das Schiff in sicheren Gewässern navi-
giert, verlässt er seine Wirkungsstätte und wid-
met sich anderen Schiffen – der Kapitän ist auf
sich allein gestellt.
Im Unterschied zum Lotsenbild verbleibt der
Controller – eingebettet in die Organisation
eines Unternehmens – in der Regel permanent
„an Bord”. Das ist ja auch im unternehme-
rischen Alltag so üblich und gewünscht und
macht sich in der dauerhaf ten organisato-
rischen Einbettung sichtbar. Für das Manage-
ment ist das natürlich eine möglicherweise
komfortable Situation: denn die Verantwortung
für die unternehmerischen Folgen einer Ent-
scheidung sind somit anscheinend auch nicht
mehr beim Kapitän, sondern beim permanent
an Bord befindlichen Lotsen.
Die eine oder andere Führungskraft mag sicher
dem Charme dieser augenscheinlichen Kon-
stellation erliegen, dass es ja dann immer noch
einen gibt, auf den die Verantwortung für nega-
tive Folgen von Entscheidungen geschoben
werden kann – frei nach dem Mot to: „Ich
musste ja auf Basis der Empfehlungen die Ent-
scheidung so treffen – ich konnte ja nichts da-
für”. Controller sozusagen als Feigenblatt, falls
es schief geht, und als willfähriger Erfüllungs-
gehilfe, wenn es gut geht.
Als Gegenargument ist sicher anzubringen,
dass Entscheidungen nicht allein Spezialisten
überlassen werden sollten, sondern dass das
Management hier seine Rolle als Gestalter und
Lenker, bezogen auf die Sicherstellung und
Weiterentwicklung des wirtschaftlichen Fortbe-
stehens eines Unternehmens, wahrnimmt.
Denn vielfach sind es nicht nur die rein auf Zah-
len basierenden Fakten und Schlussfolge-
rungen, die zu Entscheidungen führen. Ohne
einen gewissen unternehmerischen Mut, den
es als Führungskraft in Unternehmen braucht,
und der damit verbundenen Risikobereitschaft,
gäbe es sicherlich manche Unternehmen, gera-
de im Start-up-Bereich, gar nicht.
Dieser unternehmerische Mut oder diese
Risikobereitschaft ist nicht lern- oder ver-
mit telbar.
Es bedar f hier einer gewissen
Grundhaltung – diese spiegelt sich dann auch
im gesamten Unternehmen in der Unterneh-
menskultur und dem Miteinander wider.
Der
Verantwortung für Entscheidungen kann
und darf sich das Management nicht ent-
ziehen
. Letztendlich ist es der Rolle einer Füh-
rungskraft entsprechend, in Entscheidungssi-
tuationen eine Wahl zu treffen und dafür – egal
wer wie zugearbeitet hat – die Verantwortung
zu übernehmen.
Hier müssen Controller und Führungskraft
auf Basis eines gemeinsam zu erarbeitenden
Vertrauensverhältnisses den richtigen und
individuellen Weg der Zusammenarbeit fin-
den. Dies kann nur durch das persönliche
Gespräch erreicht werden – das wiederum
bedeutet unter Umständen, dass hier ein
lang andauernder Weg beschritten werden
muss.
E. „Wie lautet die Empfehlung für den
Controller?”
Wovon ist das Vorhandensein der einen oder
anderen Ausprägung der Rolle des Controllers
abhängig:
Entscheidende Rahmenbedingungen, die für
die Ausprägung der einen oder anderen Vari-
ante förderlich sind, werden sicherlich in der
Organisationsform und dem angewandten
Führungsstil und der damit verbundenen Un-
ternehmenskultur zu suchen sein.
Die Form der Zuarbeit des Controllers als
Entscheidungsträger ist eher in Organisa-
tionsformen zu finden, die einer klaren hie-
rarchischen Ordnung unterliegen
und in der
Führungskräfte nicht wegen ihrer Fachkompe-
tenz, die sie für die Leitung eines organisato-
rischen Bereiches prädestinieren, sondern we-
gen ihrer Führungskompetenz oder aus ande-
ren Gründen das Management übernommen
haben.
Die so angewandte Entscheidungsfindung ist
geprägt von einem Management von Aufgaben
und Entscheidungen, das konsequent delegiert
und auf die Empfehlungen zur Entscheidung
angewiesen ist. In öffentlichen Unternehmen
und Verwaltungen herrscht vielfach eine Kultur
der einschränkenden rechtlichen Vorschriften –
bedingt durch Sicherheitsdenken, Vergangen-
heitsbetrachtung und Innovationsaversion der
Führungskräfte. Controller schlüpfen hier leich-
ter in die Rolle des Entscheidungsträgers, wenn
es darum geht, neue, innovative Wege der Ziel-
erreichung zu beschreiten.
Insoweit ist auch das Selbstverständnis der
Führungskräfte in einem Unternehmen ent-
scheidend für die Ausprägung der Aufgabener-
füllung durch den Controller. Hier liegt die
Chance des Controllers, in seinem Sinne die
zukünf tige Unterstützungsleistung und die
Form der Entscheidungsfindung gemeinsam
mit den Führungskräften zu definieren. Aus
Sicht des Autors steht und fällt die Ausgestal-
tung der Informationsaufbereitung und deren
Ausprägung mit dem Zustand eines klar kas-
kadierten und von der Unternehmensleitung
heruntergebrochenen Zielsystems in einem
Unternehmen.
Ist ein Zielsystem, das alle Managementkräfte
in einer Unternehmensorganisation einbindet,
vorhanden und sind diese Ziele klar formuliert,
dann ist der Grundstein gelegt, um zielorien-
tiert zu führen. Damit ist den Managementkräf-
ten auf jeder hierarchischen Ebene der Rah-
Autor
Dipl.-Kfm. Klaus Bründermann
ist Abteilungsleiter Controlling in Lohmar.
Controller’s Selbstverständnis und dessen Umsetzung