Seite 95 - CONTROLLER_Magazin_2009_03

Basic HTML-Version

Neue Ansätze im Risikomanagement der OMV
Bewertung und Aggregation von Risiken als Basis einer
wertorientierten Steuerung
von Werner Gleißner, Theodor Schrei und Marco Wolfrum
(HI2065969)
Rationale ökonomische Entscheidungen sind
abhängig von era/arteten Erträgen (Renditen)
und Risiken. Für diese Entscheidungen maß–
geblich ist dabei grundsätzlich der aggregierte
Gesamtumfang an Risiken, der sich aus den
Einzelrisiken und ihren Wechselwirkungen (sto-
chastischen Abhängigkeiten) ergibt. Die Be–
rechnung des Gesamtumfangs der Unterneh–
mensrisiken und des daraus resultierenden Be–
darfs an Risikodeckungspotenzial (speziell
Eigenkapital) erfordert den Einsatz von Simu–
lationsverfahren (IVIonte Carlo Simulation), da
analytische Lösungen nur für in der Praxis meist
wenig realistische Spezialfälle (Normalvertei–
lung) existieren bzw. berechenbar sind.
Die Kenntnis des aggregierten Risikoum-
fangs
eines Unternehmens oder Unternehmens–
bereichs ist beispielsweise erforderlich, um
• den Bedarf an Eigenkapital und liquiden Mit–
teln als Risikodeckungspotenzial, und damit
die (risikogerechte) Finanzierungsstruktur zu
bestimmen,
• die zukünftige Entwicklung der Insol–
venzwahrscheinlichkeit und damit eine ange–
messene Ratingnote einschätzen zu können,
• planungskonsistente und risikogerechte Ka–
pitalkostensätze (Diskontierungszinssätze)
für Investitionsrechnung und wertorientierte
Unternehmensführung abzuleiten,
• Risikobewältigungsstrategien (speziell Risi–
kotransfer) zu optimieren und
• die
Planungssicherheit, also den Umfang
möglicher risikobedingter Planabweichungen,
zu beurteilen.
Speziell
innerhalb von Konzernen mit meh–
reren strategischen Geschäftseinheiten
(SGE)
oder Tochtergesellschaften wie bei OMV
ist es mit Hilfe von Risikoaggregationsverfahren
zudem möglich,
• den risikobedingten Eigenkapitalbedarf je
Unternehmensbereich zu bestimmen (Eigen-
kapitalallokation) und
• daraus risikogerechte Kapitalkostensätze als
Mindestanforderungen an die en/vartete Rendi–
te bereichsspezifisch abzuleiten (vgl. z.B.
Kruschwitz/Milde, 1996, S. 1155ff. und die An–
forderungen gemäß IFRS zum „angemessenen
Zins" bei Gleißner/Heyd, 2006, S. 103ff.).
Für die
Berechnung des Gesamtrisikoum-
fangs und damit des Eigenkapitalbedarfs
In
einem Konzern ergeben sich jedoch auch einige
besondere Herausforderungen. Vor allem ist bei
der Risikoaggregation in einem Konzern zu be–
achten, dass
• die Risikoaggregation in einem Unterneh–
mensmodell (Erfolgsrechnung und Bilanz)
vorzunehmen ist, das eine hierarchische
Struktur aufweist,
• deterministische und/oder stochastische Lie–
ferverflechtungen zwischen Konzernteilen
(Bereichen) zu berücksichtigen sind, die Risi–
kowirkungen von einem Unternehmensbe–
reich auf einen anderen übertragen und
• die stochastischen Abhängigkeiten zwischen
Risiken zu Risikodiversifikationseffekten füh–
ren (vgl. bspw. Henking, 1998), womit die
Summe des Risikoumfangs der Unterneh–
mensbereiche (bzw. der Eigenkapitalbedarfe)
nicht mehr mit demjenigen des Gesamtkon–
zerns übereinstimmt, was Verfahren der Risi-
kokapitalallokation erfordert.
In diesem Artikel wird zunächst die Methodik
der Aggregation von Risiken im Kontext der Un-
21
23
39
G
F
S
ternehmensplanung mittels Monte Carlo-Simu–
lation vorgestellt. Danach wird eine knappe
Übersicht über verschiedene Verfahren der Allo-
kation von Risikokapital (Eigenkapitalbedarf) ge–
geben. Vor einem kurzen Kapitel mit der Zu–
sammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
wird noch auf zwei wesentliche Anwendungs–
felder der Ergebnisse aus der Risikoaggregation
eingegangen, nämlich die Berechnung be–
reichsspezifischer Kapitalkostensätze für eine
wertorientierte Unternehmenssteuerung und
die Abschätzung eines direkten Ratings.
Die Aggregation von Risiken
mittels Monte-Carlo-Simulation
Um die Einzelrisiken - systematische und nicht
diversifizierte unsystematische - eines Unter–
nehmens zu aggregieren, müssen diese zu–
nächst durch eine geeignete Wahrscheinlich–
keitsverteilung beschrieben und dann denjeni–
gen Positionen der Untemehmensplanung zu–
geordnet werden, bei denen diese Risiken zu
Planabweichungen führen können (Abb. 1).
In der OMV wird jedem einzelnen Risiko bei der
Identifizierung die best-passende Verteilung aus
vier Verteilungstypen unterlegt. Damit wird nicht
nur ein
besseres Risikobewusstsein ge–
schaffen,
sondern auch eine optimale Grundla–
ge für eine Aggregation gelegt. Bei der Risiko–
aggregation werden damit die Erkenntnisse der
Risikoanalyse in den Kontext des Planungssys–
tems (z.B. Erfolgsrechnung und Bilanz) inte–
griert. Risiken sind nichts anderes als Ursachen
für mögliche Planabweichungen. Mit Hilfe von
Simulationsverfahren (insbesondere eine Mon–
te-Carlo-Simulation, die ja eine Simulation von
unterschiedlichen Verteilungen ermöglicht) wird
93