Seite 46 - CONTROLLER_Magazin_2009_03

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Wirtschaftskrise - Platzt jetzt die „Wir-Ideologie"?
Wirtschaftskrise -
Platzt jetzt die „Wir-Ideologie"?
von Georg Kraus, Bruchsal
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G
F
Mr sitzen alle im selben Boot"
Dieses Gefühl
versuchen Führungskräfte im Arbeitsalltag oft
ihren Mitarbeitern zu vermitteln. Doch diese
„Wir-Ideologie" platzt zumeist schnell,
wenn - wie in
der aktuellen Wirtschaftsflaute -
die Umsätze und Erträge der Unternehmen
sinken und eventuell gar ein Personalabbau
droht.
„Wir sind ..." „Wir machen ..." Solche Sätze
prägen die Leitlinien und Führungsgrundsätze
fast aller (Groß-)Unternehmen. Und auch
ihre
Führungskräfte appellieren im Gespräch mit
den Mitarbeitern oft an das kollektive
WIR -
gerade so als hätten die Inhaber der Unter–
nehmen sowie deren Führungskräfte und
Mitarbeiter identische Interessen
und säßen
alle im selben Boot.
Doch dann brechen, wie in der aktuellen Wirt–
schaftsflaute,
die Umsätze weg und die Erträge
sinken. Und die Unternehmensleitung muss die
Vorgaben erhöhen sowie Sozialleistungen strei–
chen - und im Extremfall sogar Mitarbeiter ent–
lassen.
Dann
entpuppt sich das kollektive
WIR meist als ideologische „Seifenblase",
die schnell platzt, wenn die Sonne nicht mehr
scheint.
Unternehmen sind
Zweckgemeinschaften
Dann wird zudem deutlich: Unternehmen sind
keine (Groß-)Familien, in denen alle gemeinsam
durch dick und dünn gehen.
Unternehmen
sind vielmehr Zweckgemeinschaften
- also
soziale Gebilde, in denen sich Personen mit un–
terschiedlichen Interessen zeitweise zusam–
menschließen, um wechselseitig voneinander
zu profitieren. Und wenn ein oder mehrere Be–
teiligte aus der Zusammenarbeit keinen oder
nur noch wenig Nutzen ziehen? Dann trennen
sich die Wege wieder
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage:
Welchen Nutzen haben Unternehmen davon,
sich in den Mitarbeitergesprächen und -Publi–
kationen so zu präsentieren, als seien sie sozi–
ale Einrichtungen? Keinen! Denn hierdurch
werden nur die Interessensgegensätze ver–
schleiert, die zwischen den „Stakeholdern"
bestehen - angefangen bei den Unterneh–
mensinhabern, über die Führungskräfte bis
hin zu den einfachen Angestellten. Also wer–
den sie in den Mitarbeitergesprächen auch
nicht erörtert. Deshalb können auch keine
tragfähigen Kompromisse ausgehandelt wer-
• Dr Georg Kraus
ist geschättsführender Gesellschafter der Untemehmensbera-
tung Dr Kraus & Partner Bruchsal, für die fast 50 Trainer Bera–
ter und Coachs arbeiten. Er ist Autor des „Change Management
Handbuch" sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher
E-Mail: info@kraus-und-partnerde
Tel.: 07251 / 989034
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den, wie die Interessen aller Beteiligten im Ar–
beitsalltag angemessen berücksichtigt werden
können.
In Boom-Zeiten ist das kein Problem. Denn
dann ist genug zumVerteilen da. Anders ist dies
in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Dann zeigt
sich:
Die Ressourcen jedes Unternehmens
sind begrenzt
und die (Unternehmens-)Füh-
rung unterliegt Sachzwängen, denen sie sich
nicht entziehen kann.
Für
die meisten Mitarbeiter ist diese Erkenntnis
nicht neu. Sie erachten den Appell an das kol–
lektive WIR ohnehin als Führungsrhetorik und
die glatt gebürsteten (Führungs-)Leitlinien sowie
Mitarbeiterpostillen entlocken ihnen nur ein mü–
des Gähnen. Denn sie wissen:
Was im Unter–
nehmensalltag letztlich zählt, ist Leistung
... und das, was unter dem Strich übrig bleibt.
In schlechten Zeiten bricht der
„Sozialkitt" weg
Für manche Mitarbeiter ist das
Wegbrechen
des Sozialkitts in Krisenzeiten aber eine
Desillusionierung.
„Haben unsere Chefs nicht
gesagt, dass...?" „Steht in unseren Leitlinien
nicht...?" Sie fühlen sich verraten und verkauft.
Also gehen sie innertich auf Distanz zu ihrem
Arbeitgeber, was auch ihre künftige Arbeitshal–
tung prägt.
Deshalb sollten Führungskräfte im Führungs–
alltag möglichst selten an das kollektive WIR
appellieren. Statt diese verschleiernde Füh–
rungsrhetorik zu gebrauchen, sollten sie
im
ONTROLLER