Vertriebsplanung
des Unternehmens als durchaus sinnvoll er–
achtet werden kann, wäre in diesem Fall
eine durchgehend dezentrale Planung vor–
zuziehen. Das heißt, dass die Produktions–
planung auf den Bottom-Up-Informationen
aufbauen müsste, um die Nachfrage der
Kunden zu berücksichtigen. Dies wäre auf
Basis der momentan vorliegenden Pla–
nungsprozesse und -zeitfenster machbar.
Allerdings würde diese radikale Änderung
hin zu einer komplett dezentralen Planungs–
logik mit der stark zentralistisch ausgerich–
teten Unternehmenskultur kollidieren.
Koppelung beider Prozesse in der
Praxis
Die Schlüsse aus dem Praxisbeispiel lassen
sich durchaus verallgemeinern: Die Ausprä–
gung der Planungsprozesse sollte an das
Geschäftsmodell angepasst werden, was
zu einer stärker zentralen oder dezentralen
Ausrichtung führen kann (s. Abb. 7). Aufgrund
der beschriebenen Vor- und Nachteile der bei–
den Planungsmodelle kann es in der Praxis
durchaus ratsam sein, ein kombiniertes Modell
aus zentralen und dezentralen Prozessele–
menten zu verwenden.
Als wichtigstes dezentrales Bottom-Up-Pla–
nungselement sollte eine minimale Rückspra–
che mit den operativen Vertriebs- und Marke–
tingteams vor Ort zur Überprüfung der Erwar–
tungen über Preis- und Markterwartungen in
keinem Planungsprozess fehlen. Solange dies
erfolgt und die Kriterien für eine zentrale Pla–
nung gegeben sind, ist nichts gegen eine zen–
trale Ausprägung der Vertriebsplanung einzu–
wenden. Ganz im Gegenteil, die Vorteile einer
zentralen Planungmit wenig Beteiligten, schlan–
ken Prozessen und wenigen Schnittstellen
kommen unter diesen Umständen zu tragen.
Dagegen erscheint es bei einer stärker dezent–
ral ausgerichteten Planung fahrlässig, sich ein–
zig und allein auf die (tendenziell sehr optimisti–
sche) Markteinschätzung der Vertriebs- und
Marketingteams vor Ort zu verlassen. Deren In–
put ist zwar notwendig, um die oben erwähnten
Nachfragespitzen abzudecken, es erscheint al–
lerdings angebracht, auf einer oder mehreren
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übergeordneten Ebenen Top-Down-Plausibili-
Zent ra l au s gep r äg t e
P l a n u n g be i :
•Kontinuierlichen
Geschäf tsabläufen
•Angebotsorientierung:
Knappe Ware
(Rohstotfknappheit,
Produktionskapazität, .)
Hotie, konstante Naclifrage
•Zentralisierter
Unternehmenskultur
Dezent ra l ausgep r äg t e
P l a n u n g be i :
•Diskontinuierlichen
Geschäf tsabläufen
(Aktions- oder
projektgetrieben)
•Nachfrageorientierung:
Ausreichende Ware und
Produktionskapazität
r Schwankende Nachfrage
•Dezentraler
Unternehmenskultur
Da s opt ima l e
P l a nung smod e l l
hängt v on de r
Ge s c h ä f t s –
s i tuat ion d e s
Un t e r n e hme n s ab
Abb. 7: Argumente für eine zentrale oiter dezentrale Ausprägung der Vertriebsplanung
tätskontrollen einzubauen, durch die die Bot–
tom-Up-Zahlen kritisch hinterfragt werden. Im
Normalfall sollten Auffälligkeiten im Konsens
zwischen den beteiligten Planungsebenen ge–
klärt werden. Eventuelle einseitige Plananpas–
sungen auf übergeordneter Ebene („Manage–
ment Overwrites") sollten nur in Ausnahme–
fällen erfolgen.
Zusammenfassung
Die Vertriebsplanung mit ihren Kernelementen
Absatz- und Preisplanung sowie den verbunde–
nen Elementen der Finanzplanung ist das Herz–
stück der operativen Planung vieler Unterneh–
men. Durch die Auswirkungen auf die gesamte
Supply Chain vom Einkauf bis zum Vertrieb
kommt diesem Prozess zentrale Bedeutung zu.
Es kann zwischen zwei gegensätzlichen Mo–
dellprozessen unterschieden werden:
• Zentrale Vertriebsplanung: Angebots–
orientierter Top-Down-Push durch die
Supply Chain:
• Dezentrale Vertriebsplanung: Nachfrage–
orientierter Bottom-Up-Pull durch die Supply
Chain.
Aufgrund ihrer großen Bedeutung ist es nahe-
liegend, dass die zugrundeliegenden Planungs–
prozesse an die unternehmensspezifischen Ge–
gebenheiten angepasst werden. Dabei hat sich
herauskristallisiert, dass die Auswahl des Pla–
nungsprozesses stark mit der Unternehmens–
kultur zusammenhängt. Des Weiteren lassen
sich die Kontinuität der Geschäftsabläufe sowie
die Angebots- oder Nachfrageorientierung des
Geschäftsmodells als Auswahlkriterien heran–
ziehen: Je kontinuierlicher und stabiler die Ge–
schäftstätigkeit und je knapper die Ware, desto
sinnvoller erscheinen zentral gesteuerte Pla–
nungsprozesse. In der Praxis existieren haupt–
sächlich Mischformen beliebiger Ausprägung.
Dabei kommt es allerdings darauf an, die Top-
Down- und Bottom-Up-Elemente sinnvoll mit–
einander zu verknüpfen, wie anhand des Pra–
xisbeispiels deutlich wurde: Nur wenn zentra–
le und dezentrale Planungselemente inein–
ander greifen statt aufeinander zu prallen,
ist eine optimale Planung unter minimalem
Ressourceneinsatz umsetzbar
Eines sollte allerdings auch nach Optimierung
der Planungsprozesse nicht übersehen werden:
Planungen betreffen per definitionem die Zu–
kunft, die sich bekanntlich nicht vorhersagen
lässt - auch mit dem besten. Planungsprozess
lassen sich Überraschungen nicht gänzlich ver–
meiden! Doch sollte dieser Sie zumindest in die
Lage versetzen, mit Überraschungen professio–
nell umzugehen und deren Auswirkungen in
geregelte Bahnen zu lenken.
Literatur
Kahn, Kenneth B. (1998): Revisiting Top-Down
versus Bottom-Up Forecasting. Journal of Busi–
ness Forecasting.
Kotler, Philip (1997): Marketing Management:
Analysis, Planning, Implementation, and Cont–
rol. Prentice Hall International Inc.
Russell, Roberta S. & Taylor, Bernard W. III
(2000): Operations Management. Prentice Hall
International Inc.
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