Seite 96 - CONTROLLER_Magazin_2008_01

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Üb e r b e s t ä nd e :
•Hohe Kapitalbindung
durch Vorräte
•Verminderte Gewi nne
(oder sogar Ver luste)
durch nötige
Pre i ssenkungen
•Negativer Preiseffekt auf
gesamt es Portfolio der
Produktgruppe
•Verschlechterung der
fvlarkenpositionierung
Un t e r be s t ände :
•Verminderte Umsä tze
und Gew i nne durch
entgangene Geschä f t e
•Strafzahlungen bei
verspäteter oder
unvollständiger
Lieferung
•Verlust von
Marktantei len
•Beeinträchtigung der
Kundenbeziehungen
In be i den F ä l l en
s i nd erheb l i c t i e
f inanz i e l l e
S c h ä d e n zu
v e r z e i c hnen
Opt imi er t e
P l a n u n g s –
p r oze s s e helfen]
bei de r
Mi n imi e r ung de i
f i nanz i e l l en
S c h ä d e n
Abb. 5: Folgewirkungen einer dysfunktionalen Vertriebsplanung
die beschriebene dezentrale Bottom-Up-Pla–
nung kann nur in dezentral geführten, flexibel
agierenden Unternehmen funktionieren.
Typische Folgen von Fehl–
planungen
Beide Planungsmethoden stellen hohe Anfor–
derungen an alle Beteiligten: Fehleinschät–
zungen der Nachfrage durch die Planenden
werden genauso gnadenlos bestraft wie Verzö–
gerungen in der Supply Chain. Beides führt zu
Über- oder Unterproduktion und damit zu Über-
oder Unterbeständen mit den entsprechenden
wirtschaftlichen Folgen (s. Abb. 5):
- Überbestände: Diese belasten als Vor–
räte die Bilanz in Form hoher Kapitalbin–
dung. Oft müssen die Produkte dann zu
Niedrigpreisen abgegeben werden, was zu
deutlich verminderten Gewinnen oder gar zu
Verlusten führt. Dies kann auch negative Ef–
fekte auf die Preisgebung ähnlicher Pro–
dukte auslösen. Im ungünstigsten Fall kann
die Markenpositionierung des Unterneh–
mens darunter leiden.
• Unterbestände: Diese führen zu Umsatz-
und Gewinnausfällen durch nicht erhal–
tene oder nur teilweise ausgeführte Aufträ–
ge. In gravierenden Fällen kann es auch zur
Zahlung von Konventionalstrafen aufgrund
ausgefallener Lieferungen kommen. Neben
dem direkten finanziellen Schaden führen
Unterbestände zu geringeren Marktanteilen
und in vielen Fällen auch zur Belastung der
Kundenbeziehung.
Aus Controllingsicht sind beide Szenarien uner–
freulich. Eine pauschale Aussage, welches Sze–
nario weniger Schaden verursacht, ist nicht
möglich. Realistisch betrachtet muss davon
ausgegangen werden, dass der goldene Mittel–
weg zwischen Über- und Unterbeständen bei
Konsumgütern auch mit den besten Planungs–
prozessen nicht immer zu erreichen ist. Aller–
dings kann das Controlling bei der Absatz-
und Preisplanung wichtige Hilfestellungen
leisten: Schon im Vorfeld und während der
monatlichen Forecasts können Plausibilitäts-
prüfungen, zum Beispiel durch Vorjahres- oder
Wettbewerbsvergleiche, oder Risikoabschät–
zungen, zum Beispiel in Form von Szenario–
rechnungen, durchgeführt werden.
Gemischte Planungsprozesse
Die in den vorhergehenden Kapiteln aufge–
zeigten idealisierten Sollprozesse werden in
dieser reinen Form in der Praxis selten aufzu–
finden sein. Aus Sicht des Praktikers erschei–
nen beide Planungsmodelle mit Nachteilen
verbunden: Bei der zentralen Top-Down-Pla-
nung ist vor allem die fehlende Kundennähe
zu bemängeln, während die Qualität der
Bottom-Up-Planung oft durch den zu großen
Optimismus der beteiligten Vertriebsmitarbei–
ter beeinträchtigt wird. Daher finden sich in
der Praxis in der Regel Mischprozesse mit
einer eher zentralen oder eher dezentra–
len Ausprägung. Dabei sollte allerdings be–
achtet werden, dass die Top-Down- und
Bottom-Up-Planungselemente sich sinnvoll
ergänzen.
Praxisbeispiel Entkoppelter
Planungsprozess: Prozess–
beschreibung
Dass dies in der Praxis nicht immer der Fall
ist, zeigt das Beispiel des Herstellers von Un–
terhaltungselektronikprodukten (siehe Abbil–
dung 6). Die Supply Chainwird hier über einen
Push aus einer unternehmensweit einheit–
lichen zentralen Produktionsplanung gesteu–
ert, wobei die Jahresplanung durch monat–
liche Forecasts aktualisiert wird. Leitlinie der
Produktionsplanung ist die Sicherstellung
der Lieferfähigkeit bei Vermeidung der
Bildung hoher Lagerbestände. Die weitest–
gehend einheitliche Preisplanung des Pro–
duktportfolios erfolgt sinnvollerweise in den
Regionen (in diesem Fall EMEA - Europe,
Middle Fast, Africa).
Parallel dazu wird über ein aufwendiges mo–
natliches Bottom-Up-Forecasting die Nach–
frage in einem Pull-Prozess pro Key Account
(Großhändler und Einzelhandelsketten) und
Produkt in den einzelnen Ländern und Clus–
tern der Region abgefragt. Zu diesem Zweck
wird in jedem Land ein monatliches Planungs–
meeting mit allen Key Account Managern und
Produktmanagern sowie der Vertriebsleitung
abgehalten. Die Bottom-Up-Forecasts wer–
den auf Länder- und Regionsebene konsoli–
diert.
Die Warenzuteilung erfolgt dann in mehreren
Stufen: Zuerst von der zentralen Planungs–
einheit in die Regionen, in einem zweiten
Schritt innerhalb der Region auf die einzelnen
Länder, dort wiederum auf die einzelnen Key
Accounts. Nur letztere Schritte erfolgen auf
Basis der Bottom-Up-Forecasts, während der
erste Schritt anhand aus Landessicht nicht
nachvollziehbarer Kriterien erfolgt. Der
Informationsfluss beider Richtungen trifft
sich auf Ebene der Region, welche die
Nachfrage aus den Ländern allerdings nicht
an die Produktionsplanung weitergibt,
sondern nur zur Festlegung und Feinab–
stimmung der Warenzuteilung nutzt. Die
Zuteilung ist dann auch die Basis für den
monatlichen Finanzforecast: Neben der zu–
geteilten Menge fließen die zentral geplanten
Preise und Stückkosten in den Finanzforecast
ein.
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