Seite 37 - CONTROLLER_Magazin_2008_01

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CM Januar / Februar 2008
Scoring-Modelle im Forderungsmanagement
Gezielte Steuerung des Schuldnerportfolios durch Scoring-Systeme
von Björn Stolte, Bad Homburg v.d.H.
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Da
sich der
Trend zu einer verspäteten Zah–
lungsweise
sowohl bei privaten als auch bei
gewerblichen Schuldnern
in den letzten Jah–
ren kontinuierlich verstärkt
hat und vielfach
erhebliche Anstrengungen unternommen
werden, um entstandene Forderungsverluste
durch Umsatzsteigerungen zu kompensieren,
gehen insbesondere im l^assenkundengeschäft
immer mehr Unternehmen dazu über, Scoring-
Modelle im Forderungsmanagement einzu–
setzen.
Die
Intention der Verwendung von Scoring-
Modellen im operativen Forderungsmana–
gement ist die Prognose der Bonität bzw.
Forderungsausfallwahrscheinlichkeit des
Kunden. Der Nutzen dieser Informationen
ergibt sich hierbei dadurch, dass man
auf
Basis dieser Erkenntnisse bei kritischen
Kunden
in der Lage ist,
„präventiv" zu han–
deln.
Sprich, bedarfsgerechte Maßnahmen
frühzeitig initiiert werden können, um mög–
lichen Forderungsverlusten in der Zukunft vor–
zubeugen.
Gerade für Unternehmen, die sich einem
zunehmenden Verdrängungswettbewerb
ausgesetzt sehen, und deren Akquisition von
Neukunden oftmals mit erheblichen Kosten
verbunden ist, liefert das Risiko-Scoring auch
für das marketing- und vertriebsgetriebene
Kundenmanagement wichtige Basisinfor–
mationen. Denn bei der Auswahl von Kunden
für Direktmarketing- und Vertriebsaktivitäten
ist nicht nur das Gross- bzw. Up-Selling-
Potential von Relevanz, sondern eben auch
das Bonitätsrisiko. Denn was bringt der
höchste Rechnungsbetrag, wenn die Forde–
rung anschließend nicht in reale Umsätze für
das Unternehmen umgewandelt werden
kann?
Scoring-Modelle des Forde–
rungsmanagements im Kundenle–
benszyklus
Je nachdem, in welcher Phase des Kunden–
lebenszyklus die Bewertung des Kunden vorge–
nommen wird, können
drei unterschiedliche
Arten von Credit-Scoring-Systemen
zum
Einsatz
kommen, die für das Forderungs–
management von Relevanz sind:
• Antrags-Scoring:
Zweck des Antrags-
Scorings
ist,
die Kreditwürdigkeit und zu–
künftige Zahlungsfähigkeit von Neukunden
zum Zeitpunkt des ersten Antrags bzw. Auf–
trags zu prüfen. Diese Art des Scorings ist
deshalb von solch zentraler Bedeutung, da
gerade zu Beginn einer Kundenbeziehung die
höchsten Risiken aus getätigten Geschäften
bestehen. Vernachlässigungen in diesem
Bereich haben oftmals unmittelbare Auswir–
kungen auf die folgenden Prozessschritte
des Forderungsmanagements und machen
sich nicht selten durch lange Forderungs–
laufzeiten auf Einzelkunden-Ebene oder -
im schlimmsten Fall - durch direkte Forde–
rungsverluste bemerkbar
• Verhaltens-Scoring:
Bei risikobasierten
Verhaltens-Scoring-Systemen handelt es
sich um Bewertungssysteme, die das Boni–
tätsrisiko von Bestandskunden im Kredit–
geschäft auf Basis von Verhaltensdaten be–
schreiben und bewerten. Von besonderer
Relevanz für das Credit-Scoring sind hierbei
Verhaltensdaten aus den Abrechnungs- bzw.
Kontensystemen des Unternehmens wie
bspw. die Höhe der Außenstände, die durch–
schnittliche Debitorenlaufzeit, die Ausschöp–
fung des Kreditlimits oder die Anzahl unbe–
rechtigter Reklamationen auf Einzelkunden-
Ebene. Aber auch Kundenstammdaten und
mikrogeografische Daten werden im Rah–
men der Score-Card-Entwicklung verarbeitet
und hierbei hinsichtlich ihres Einflusses auf
das Bonitätsrisiko bewertet.
• Inkasso-Scoring:
Zielsetzung des Inkasso-
Scorings ist es, die Wahrscheinlichkeit zu
prognostizieren, mit der man bei in Überzie–
hung geratenen Kunden noch mit Zahlungen
rechnen kann. Wie der Name schon sagt,
dient diese Art des Scorings am Ende der
Prozesskette des Forderungsmanagements
als Basis für die Zuordnung der wirtschaft–
lichsten Inkassomaßnahmen und wird als
Entscheidungskriterium für die Übergabe an
das externe Inkasso herangezogen.
Input des Scorings: Die Zusam–
mensetzung des optimalen Daten–
pools zur Scorecard-Entwicklung
Das Grundprinzip eines jeden Scoring-Modells
besteht darin, auf Basis historischer Datenbe–
stände mittels mathematisch-statistischer Ver–
fahren valide Aussagen über einen bestimmten
Zustand oder ein Verhalten zu ermöglichen.
Die
Prognosegüte des Scoring-Modells ist hier–
bei unmittelbar abhängig von der Konsis–
tenz der der Berechnung des Modells zugrun–
deliegenden Datenquellen.
Um die Erfahrungswerte des eigenen Unter–
nehmens in die Kundenbewertung mit ein–
fließen zu lassen, ist es unbedingt erforderlich,
interne Datenquellen in die Implementierung
des Scoring-Modells zu integrieren. Wie bereits
erwähnt, spielen im Rahmen des Credit-
Scorings insbesondere die internen Datenbe–
stände aus den Abrechnungs- und Zahlungs–
systemen eine herausragende Rolle. Denn nur
aus diesen Informationsquellen lassen sich
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