Seite 63 - CONTROLLER_Magazin_2005_03

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Controller magazin
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Er s t anwendung der IFRS. Das Grundprin–
zip ist die vol l s tändige ret rospekt ive An–
p a s s ung . D. h.,
man mu s s al les s o dar–
s t e l l en , a l s hä t t e ma n s e i t Unter–
n e hme n s g r ündung immer s chon IFRS
ang ewende t ,
und zwa r so, wie sie zum
Ze i tpunkt der Erstveröffent l ichung, also
für ThyssenKrupp 2006 , a n z uwe n d e n
sind. Das ist bei einigen komp l exen Sach–
ve r ha l t en , z. B. Pens i onen , Pu r c h a s e
Account ing für Un t e r nehmens e rwe r be ,
selbs t für Un t e r nehmen mi t e inem über–
durchschni t t l ichen Rechnungswesen und
einigen Jahren US GAAP-Erfahrung fak–
t isch nicht mögl ich. Die Wahl recht e de s
IFRS
1
s ind in praxi keine. Ich e rwa r t e
eine we i t gehend uni forme Ausübung bei
den Er s t anwende rn .
ICV:
Gemäß IFRS 2 sind Akt ienopt ions–
pläne zum fair value zu bewer t en. Erfolgt
dieser Ansatz bei ThyssenKrupp heu t e
zum inneren Wert? Welche Auswi rkungen
ergeben sich aus einer IFRS-Anpassung?
TK:
Bei ThyssenKrupp exist ieren Pläne,
die mi t We r t zuwachs r ech t en (sog. Phan–
t om Stocks) ausge s t a t t e t sind. Die Be–
we r t ung der Rechte erfolgt derzei t nach
SFAS 123 mi t d em inneren Wert, wobe i
die Schwankungen de s inneren Wer tes
im Zei tablauf ergebni swi rksam erfasst
we rden . Relativ ge s ehen wirkt sich ein
Ansa t z de s Fair Value un t e r IFRS auf die
Pläne s chon aus . In abso l u t en Zahlen ist
der Effekt jedoch, g eme s s e n am Gesamt –
ergebni s de s Konzerns, ve rnach l äs s i gba r
ICV:
Viele Kritiker verwe i sen auf die nach
ihrer iVIeinung zu ger inge Prakt ikabi l i tät
de r IFRS- Ins t rument e wi e z. B. be im
Impa i rmen t t e s t . Andere ma c h e n au f d i e
t a t sächl i ch ode r vermeint l ich zu großen
Erme s s ensp i e l r äume z. B. bei der Akti–
vierung von Entwicklungs lei s tungen auf–
me r k s am mi t der Folge der Bildung von
Stillen Lasten. Sind dies ehe r akademi –
sche Diskuss ionen ode r art ikul ieren sie
die Ei nschä t zungen und Befürchtungen
der Un t e r nehmensp r ax i s ? Wie aus s age –
fähig sind vor d em Hintergrund solcher
Di skuss ionen die IFRS-Abschlüsse?
TK:
Nun, die Spi e l räume sche inen tat–
sächl ich auf den er s t en Blick recht groß
zu sein, u n d ma ng e l nd e Praxis bei den
Un t e r nehmen ma g zu der Einschä t zung
führen, die IFRS-Instrumente seien nicht
prakt ikabel . Ich denke , d a s s im Zeitab–
lauf zwei wesent l i che Dinge zu einer Än–
de r ung dieser Sichtweise führen we rden .
Zum einen wird die for t schrei tende Kon–
vergenz der int erna t iona l en Rechnungs–
l e gung s s t a nd a r d s die Mögl ichkei t für
Spiel räume verringern. Zum anderen wird
die gelebte Rechnungs l egung in Form
von sich he r ausb i l denden al lgemein an–
e r k a n n t e n I ndu s t r i ep r ak t i ken hel fen,
Spi e l räume e i nzuengen und die Instru–
me n t e der IFRS handl i cher zu ma c h e n .
Aber auch bei einer kurzfristigen Betrach–
t ung darf ma n nicht vergessen, d a s s da s
Gebot der Stetigkeit die Un t e r nehmen ,
auch bei größe r en Ermessensspi e l räu–
men , zwingt , die in d i esem Rahmen ge–
wäh l t en Pa r ame t e r willkürfrei beizube–
hal ten. Vor di esem Hintergrund stellt sich
me i ne s Eracht ens auch nicht die Frage
n a c h de r
Aus s age f äh i gke i t der Ab–
s ch l üs s e unter IFRS,
die anges i ch t s ei–
ne s s t r uk t u r i e r t en und obj ekt ivi er t en
Ans a t ze s der IFRS im Vergleich zu HGB
sicheriich steigt . Es stellt sich vi e lmehr
die Frage der Vergleichbarkeit e i ne s
Un t e r n e hme n s
von e i nem Jahr z um
nä ch s t en sowie die Vergleichbarkeit der
Un t e r nehmen un t e r e i nande r Diese abe r
wird au s me i ne r Sicht durch d a s Stetig–
ke i t sgebot und die Entwicklung von
Indus t r ieprakt iken gegeben sein.
ICV:
Bitte lassen Sie uns unse r e IFRS-
Be t r achtung ab r unden mi t einer Progno–
se der wei teren Entwicklung. Glauben Sie,
da s s die IFRS mittelfristig auch von den
amer ikani schen Börsen neben US GAAP
ane r kann t werden? Behal ten wir einen
einhei t l ichen IFRS-Stand oder mü s s e n wir
zukünftig mi t verschiedenen IFRS-Ausprä–
gungen wie z. B. „IFRS-EU" rechnen? Ent–
wickeln sich die IFRS zum Wel t s tandard?
TK:
Ich denke , wir dürfen den Druck der
i n t e rna t i ona l en Kapi t a lmärkt e auf die
Konve r genz d e r R e c h n u n g s l e g u n g s –
s t anda r d s und dami t der Bildung eines
allerseits akzept i er t en St anda rds nicht
unt er schä t zen .
Allerdings kann die hohe
B e d e u t u n g d e s US - ame r i kan i s chen
Kapitalmarktes dazu führen, da s s di e
Vorgaben und Wüns che der SEC auf
die Di skus s i onen zwi s chen FASB und
lASB und die Interpretation der IFRS
e i n e n üb e r p r opo r t i ona l e n Einf luss
hab e n werden .
Insofern wird ma n woh l
die Frage eines IFRS St anda rds , der ne–
ben US GAAP von de r SEC akzept i er t
wird, be j ahen können , al lerdings z um
Preis eines nicht une rheb l i chen Einflus–
ses der SEC. Unabhäng i g davon wird es
zumi nde s t mittelfristig auf Grund von
kul turel len und wi r tschaf t l ichen Unter–
schi eden ve r sch i edene IFRS-Ausprägun-
gen geben; ich verwei se dazu noch ein–
ma l auf da s Endor sementver fahren in
der EU bezügl ich lAS 39 ode r IFRIC 3 zu
Emi ss ions recht en . Ich befürchte, d a s s
wei terhin die neu geschaffenen oder noch
zu schaffenden Enforcementstel len in den
einzelnen Ländern der EU, zumi nde s t bis
zur Aufstel lung e ines EU-weit einheit–
lichen Enforcement s , übe r unterschied–
liche Sichtweisen zu au s gewäh l t en Sach–
verha l t en na t i ona l e Var ianten der IFRS
bi lden we rden . Vor d i esem Hintergrund
sche int es bis z um We l t s t andard noch
ein e twa s längerer Weg zu sein.
ICV:
Viele Prakt iker ve rb i nden mi t der
IFRS-Einführung die Hoffnung auf eine
mittelfristige Vereinhei t l ichung der Ab–
schlüsse bis hin zur „Einhei tsbi lanz" mi t
e r gänzenden Sonde r r echnungen für un–
terschiedl iche Rechenzwecke . Die ver–
sch i edenen Absch l üs se (Einzel- und Kon–
ze rnabsch l us s , Handels- und Steuer recht
usw.) be l a s t en die Un t e r nehmen . Hal ten
Sie die Hoffnung auf eine größe r e Verein–
hei t l ichung u n d Zu s ammen f üh r ung für
real ist isch?
TK:
Die
Einhei tsbi lanz auf Basis IFRS
ist
kein Phan t om. Sie ist in vielen Ländern,
da r un t e r auch bei einigen unse r e r EU-
Nachba rn , berei ts Realität u n d wird auch
um Deu t sch l and he r um wohl in vielen
Fällen Realität werden . In Deu t sch l and
s ehe ich leider wegen de r b e k a nn t e n
Reformunwilligkeit vorerst keine Chance.
Gründe sind die qualvol len Bemühun–
gen um die Reform der Un t e r nehmens –
be s t eue r ung , die auch eine grundlegen–
de Ne u a u s r i c h t ung de r Beme s s ung s –
grund l age für die Er t rags t euern erfordern
wü r de . Viele in Deu t sch l and s ehen hier
jede Form der Veränderung a priori nur
als potent iel l nega t iv an. Hinderlich wirkt
abe r auch ein of tmals falsch ver s t ande–
ne s Mi t t e l s t ands e t hos , bei dem jeder
Versuch der Int erna t iona l i s i erung und
Kapi talmarktor ient ierung als Angriff auf
die We t t bewe r bs f äh i gke i t a n g e s e h e n
wi rd. Unt er volkswi r t schaf t l i chen Ge–
s i c h t s p u n k t e n l e ide t u n s e r e We t t be –
werbsfähigkei t abe r ge r ade dann , we nn
wir u n s we i t e r d e n Luxus pa r a l l e l e r
Re chnung s l egung s s y s t eme leisten mi t
allen Konsequenzen für den Personal–
bedarf, die ITSys teme sowi e die Aus–
b i l dung de r Mi t a r be i t e r usw. Unse r e
Nachba r n we rden u n s dies s chon klar
ma c h e n .
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