Seite 95 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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auch in der Kr i senberatung die Ericennt-
nis feststel len, d a s s die Führungskräf t e
und be s onde r s die persönl ich haf t enden
Un t e r nehme r „zu spä t " Beratungsleistun–
gen in Ansp r uch n e hme n - da s he ißt zu
e inem Zei tpunkt , an d em kaum noch die
Mögl ichkei t zur Intervent ion bes t eh t . In
Zeiten, wo noch relativ einfach entgegen–
ge s t eue r t we rden kann, we r den Proble–
me nicht e rkann t . Erst, we nn es für ein
wi rkungsvol les Gegens t eue rn me i s t zu
s pä t ist, we rden Ge g e nma ß n a hme n er–
griffen.
Die
f o l genden Handlungsempf ehlun–
g en entha l t en eher „we i che" Maßnah–
men ,
da sie genau auf die Wa h r n e hmung
und ers te Prävent ion der Krise abzielen.
Sie sol l ten dahe r imme r als Ergänzung zu
den bet r iebswi r t schaf t l ichen Me t hoden
der Kr isenintervent ion und -prävent ion
ge s ehen we rden .
^ Informat ionsquel le g e nau prüfen:
Häufig sind Informat ionen nicht ob–
jektiv, sonde r n spiegeln bere i t s ein
b e s t immt e s Denkmus t e r oder eine
b e s t immt e Erwa r t ungsha l t ung wie–
der . Es ist dahe r imme r zu prüfen,
we l che Quel le d e n I n f o rma t i onen
z ug r und e liegt u n d we l che Interes–
sen und Sichtweisen diese Quellen
mögl i cherwe i se ve r t r e t en . Ma n den–
ke bei spiel swei se an die Aus sage ei–
ne s Ver triebslei ters, d a s s zukünf t ige
Neuauf t räge „sicher" seien, nur weil
der Kunde bei e inem Besuch geäu–
ße r t ha t , er we r de zur Zeit eine neue
Auf t ragsvergabe prüfen.
Verbre i tungsgrad der Information
un t e r s uchen :
Nicht imme r e rhä l t
ma n alle Informat ionen, die ein Pro–
bl em betreffen. Teilinformationen, die
auf den e r s t en Blick nu r für eine Min–
derhe i t i n t e r es san t sind und deswe–
gen womög l i ch vernachl äss igt wer–
den, können dennoch von ent schei –
dende r Bedeu t ung sein.
^ Alter und Vol l ständigkei t der In–
format ion g e nau prüfen:
Es sollte
imme r überprüf t we r den , wie alt In–
forma t i onen sind. Es ist festzustel–
len, d a s s Da t en
nicht
häufig genug
a ng e p a s s t we r den u n d Ent scheidun–
gen häufig auf a l t em ode r unvol l s tän–
d i gem Da t enma t e r i a l b e r uh e n . Es
k omm t bei spiel swei se vor, d a s s Pla–
nung s r e c hnung e n im j ahr esvedauf
nicht a ng e p a s s t we r d e n ode r Ent–
s che i dungen auf Basis von Daten–
ma t e r i a l getroffen we r den , bei d em
ma n unt er j ähr ige „Abgr enzungen"
nicht vo r g e nomme n ha t . Obwohl dies
zu den Pfl ichtübungen des Controlling
gehör t , können ge r ade hier e no rme
Defizite a u s g ema c h t we r den .
• Per spekt i venwechs e l :
Die Gefahr,
einen e inma l getroffenen Gedanken
zu beha l t en , ist sehr groß . Daher soll–
t e so früh wie mögl ich darauf geach–
t e t we r d e n , d a s s al le mög l i c h e n
Aspek t e u n d Blickwinkel eines Ent–
s che i dungsp r ob l ems und einer Situa–
t ion beach t e t we r den . Häufig wer–
den Gedanken in einer „Einzelkämp–
fer-Analyse" nur einsei t ig be t r ach t e t
und s ind s t ark du r ch vorgefest igte
Me i n u n g e n
u n d
E r w a r t u n g s –
ha l t ungen gepr äg t . Es sollte d a h e r
ve r such t we r den , sich bei der Beur–
tei lung von Daten und Ent scheidun–
gen regel recht „einen ande r en Hut
aufzusetzen"^ l
• Überprüfen der „objekt iven" Rich–
t i g k e i t d u r c h e x t e r n e Dr i t t e :
D i e s e h a b e n n i c h t d a s g l e i c h e
„Commi tmen t " in eine Bewe r t ung
und En t sche i dung und un t ed i egen
nicht in d em Ma ß e den beschr iebe–
nen Rat ional i tätsfal len.
Coaching in Anspruch nehmen :
Bis
he r wi rd in der Un t e r nehmen s p r ax i s
e i nem Coaching in psycho l og i schen
Ve r ha l t ensmus t e r n noch viel zu we–
nig Aufmerksamke i t geschenk t . So
kann ge r ade in frühen Phasen de r
Un t e r n e hme n s k r i s e ein „Bewuss t –
we r den " von psycho l og i schen Ver–
ha l t ensmus t e r n , denen jeder Mensch
un t ed i eg t , spä t e r e u n b ewu s s t e Re–
ak t i onen zu e r kennen helfen. Die In–
a n s p r u c h n a hme von Coaches ist da–
bei be s onde r s wi rkungsvol l , da keine
„öffentlich s i ch t ba r en" Berater invol–
viert sind und die Führungskraf t so
„das Gesicht wa h r e n " kann . Ein Coa–
ching kann ebenfal ls helfen, ande r s
auf die ex t e rnen und int ernen Akteu–
re einer Krise zu reagi eren.
Ins t i tut i ona l i s i eren e i n e s Advo -
catus Diaboli:
Die pos i t iven Seiten
einer Ma ß n a hme , Ideen etc . we r d e n
oft we i t gehend di skut ier t . Negat ive
As p e k t e we r d e n oft n i ch t vo r ge –
b r a ch t , z uma l we n n sie Pe r s onen
auße r ha l b des obe r s t en Führungs –
kreises des KMU auffallen. Auch kann
ma n schnel l als „Mi esmacher " gel–
t en , we n n auf die Nachtei le e ines
Aspek t s hingewi esen wi rd. Hier kann
d i e I n s t i t u t i o n a l i s i e r u n g
e i n e s
Advoc a t u s Diaboli helfen. Dieser h a t
CM
Controller
magazin 6/04
5 SCHLUSSBETRACHTUNG UND
ANMERKUNGEN
Unsere Ausführungen haben den Einfluss
psychologi scher Faktoren auf Führungs–
kräfte und Controller ge r ade kleiner und
mi t t lerer Un t e r nehmen in der Krise dar–
gelegt . Da bei KMU Führungskräf t e mei–
s t ens einzeln maßgeb l i che Ent scheidun–
gen treffen, kommt den psycho l og i schen
Besonde rhe i t en be s onde r e s Augenme r k
zu. Es wu r de gezeigt , wie ver schi edene
Effekte in de r Krise zur Wi rkung komme n
können bzw. ver s t ärkt we rden - mi t teil–
wei se ve r hee r enden Folgen auf die Ent–
s che i dungen und den Handlungsspiel –
r aum de s Un t e r nehmen s . Größt es Pro–
blem ist häufig da s fehlende „Wahrhaben
wol len" der Krise.
Die Übedegungen b a u e n auf relativ jun–
gen Erkenntni ssen de r Ent sche idungs –
lehre auf. Die ve r sch i edenen Forschungs–
zweige au s Psychologie und Betriebswirt–
schaft s ind noch nicht hinre i chend zu–
s ammenge f üh r t worden. Beobach t ungen
au s der Un t e r nehmensp r ax i s können je–
doch dazu be i t ragen, da s En t s t ehen von
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die Aufgabe - abs i chd i ch u n d mi t
Un t e r s t ü t zung der obe r s t en Lei tung
- , alle Nachtei le vor zubr i ngen .
^ Die Krise als Chance s ehen :
Ander s
als i nsbe sonde r e im ame r i kan i s chen
Wi r t s cha f t s r aum haf tet Führungs –
k r ä f t e n u n d U n t e r n e h m e r n in
Deu t sch l and ein Makel an, we n n d a s
von ihnen geführ te Un t e r nehmen in
eine Krise oder soga r Insolvenz gerä t .
Diese Sichtweise ve rh i nde r t häufig
ein rechtzei t iges Gegens t euern . Viel–
me h r wi rd bis zum letzten Mome n t
ve r such t , eine Schieflage des Unter–
n e hme n s herunt erzuspi e l en bzw. gar
zu v e r t u s c h e n . Dieser Ta t b e s t a nd
kann als we i t eres , Druck erzeugen–
de s Ph ä n ome n be t r a ch t e t we r den .
Dabe i k a n n j edoch g r und s ä t z l i c h
auch bei einer for tgeschr i t t enen Er–
folgskrise und soga r einer Liquiditäts–
krise der Hand l ungs sp i e l r aum mi t
e n t s p r e c h e nd e r Fachkenn t n i s und
Hilfe e r höh t we r den . So sollte bei–
spiel swei se ge r ade mi t der gül t igen
Inso l venzordnung erreicht we r den ,
Ge s t a l t u n g s s p i e l r ä ume für e i nen
Tu r na r ound des Un t e r nehmen s u n d
eine Neuaus r i ch t ung zu schaffen.^ ^
Die Krise kann d a nn auch helfen, not–
wend i ge Ma ß n a hme n zu ergreifen.