Seite 92 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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magazin 6/04 - Lars Sudmann / Wolfram Lenzen
Un t e r suchungen h a b e n jedoch ergeben,
d a s s die Mehrhe i t der bef ragten Perso–
nen im er s t en Fall von d em Konzertbe–
s uch abs i eh t , im zwe i t en Fall j edoch
Konzer tkar ten kauft. Der Erklärungsan–
sa t z der men t a l en BuchfiJhrung: Im er–
s t en Fall ist da s Konto „Konzer tbesuch"
schon mi t 100 € be l as t e t . Der Kauf einer
zwe i t en Karte fiJhrt zu e inem Wert von
200 € auf d em men t a l en Konto: dieser
Wert wird abso l u t als zu hoch empfun–
den . Im zwei ten Fall wird der Verlust auf
d a s men t a l e Konto „Bargeld" ve rbuch t .
Dies ist zwa r ärgerlich, ber i jhr t jedoch
nicht da s Konto „Konzer tbesuch". Mit
d em Konzer tbesuch wird ein posi t ives
Empf inden ve r bunden - wa r um sollte
ma n also nicht eine Karte kaufen?
Verfügbarkeitsheuristik:
Häufig werden
I n f o rma t i o n e n u n d E r i n n e r u n g e n
u n b ewu s s t aktiviert.
Un t e r suchungen
e r gaben , d a s s En t s che i de r die Wahr–
scheinl ichkei t und Häufigkeit, mi t der ein
b e s t immt e s Ereignis eintri t t , um so hö–
her anse t zen , je verfügbarer Beispiele für
diese Ereignis sind. Man denke an die
Me l dunge i ne s Fl ugzeugabs t ur zes . Fragt
ma n unmi t t e l ba r nach der Me ldung nach
Wahrscheinl ichkei ten für einen solchen
Abs turz , we rden die me i s t en Mens chen
üb e r höh t e Wer te angeben . Andersher–
um bedeu t e t dies, d a s s bei sch l ech t en
ode r gar keinen Er innerungen Häufigkei–
t en und Wahrscheinl ichkei ten möglicher–
we i se un t e r s chä t z t we rden . Darüber hin–
au s wird zuer s t auf die Informat ionen
Bezug g e nomme n , die ver fügbar sind,
und nicht auf diejenigen, die für eine
En t sche i dungs s i t ua t i on relevant sind.
Vereinfachung:
Einfachstes Beispiel ist
d a s Auf- und Ab r unden von Wer ten. In
vielen Si tuat ionen ma g dies sinnvoll sein.
Bei Vergleichen von meh r e r en Wer ten
ver schi edener Variablen kann dabe i je–
doch schnel l der Pfad der Rat ional i tät
verfassen we rden .
Se l ekt ive Wahrnehmung , s e l ek t i ve s
Ent sche iden und se lbs terfül l ende Pro–
gno s en :
Häufig we rden Informat ionen
ve rnach l äs s i g t ,
we i l s ie ni cht in die
aktue l l e Wahrnehmung s -Erwar t ung
pa s s en ,
je s t ä rke r diese Wah r nehmung s –
e rwa r t ung ist, ums o eher kann es zu
einer falschen Wa h r n e hmung komme n .
Es wird häufig die Informat ion heraus –
gepickt , die in d a s per sönl i che Theorie–
g e b ä ud e und da s gefasst Weltbild pa s s t
und die vor al lem im Einklang mi t den
bi sher igen e igenen Prognosen s t eht . Das
gleiche Ph ä nome n ergibt sich auch , wenn
es um die Beur tei lung von berei t s getrof–
fenen En t sche i dungen geht .
So ne igt der
Men s ch dazu, nur so l che Informatio–
n e n wah r z un e hme n , die e ine berei ts
getroffene Ent sche idung rechtfertigen.
Darüber h i naus k ommt es auch vor, d a s s
neue En t sche i dungen au s d em Gesichts–
punk t he r au s getroffen werden , d a s s sie
ve r gangene En t sche i dungen als richtig
erscheinen lassen oder so gehande l t wird,
d a s s im Sinne einer sich selbs t erfüllen–
den Prognose diese Prognose auch tat–
sächl ich eintri t t .
Primat- u n d Priming-Effekte:
Unter–
s uchungen h a b e n ergeben, d a s s bei Dar–
s t e l lungen generel l die zuer s t g e n a nn t e n
Informat ionen den Wah r nehmung s - und
Bewe r t ungsprozes s s t ärker beeinf lussen
als die spä t e r en Informat ionen (Primat-
Effekt). Klassisches Beispiel ist da s Expe–
r iment , bei d em einer Gruppe eine Person
mi t den Eigenschaf ten „intelligent, flei–
ßig, impulsiv, kritisch, eigensinnig und
neidisch" vorgestel l t wird. Einer wei teren
Gruppe wird diese Person mi t den glei–
chen Eigenschaf ten nur in umgekeh r t e r
Reihenfolge dargestel l t . Interessanterwei –
se beur tei l t die ers te Gruppe die Person
deut l ich posi t iver als die zwei te Gruppe.
Der Priming-Effekt beschreibt weiter, d a s s
v o r g e p r ä g t e W a h r n e h m u n g s - u n d
Bewe r t u n g s k o n z e p t e in e r h e b l i c h em
Ma ß e be s t immen , wie spä t e r nachfol–
g e nd e Informa t ionen wa h r g e n omme n
we rden . Sie fordern eine Gruppe auf, sich
die Worte „chancenreich" , „innovat iv",
„Gewinnpotent ial " u. ä. e i nzup r ägen und
e i ne zwe i t e Gr uppe , s ich die Wo r t e
„hohes Risiko", „Insolvenz", „Totalveriust"
u. ä. zu me r ken . Wie, g l auben Sie, beur–
teilen die be iden Gruppen jeweils im er–
s t en Mome n t ein ihnen d a n a c h vorge–
s tel l tes Konzept eines Un t e r nehmen s –
gründe r s zur Entwicklung eines neuen
Med i kamen t e s ?
Verankerungsheurist ik:
Bei Schätzun–
gen oder Bewer tungen neigen Mens chen
dazu , sich zunä ch s t an e inem Ursprungs–
we r t zu or ient ieren, d em s og e n a nn t e n
Anker, und ans ch l i eßend diesen Wert
un t e r Berücksicht igung wei terer Informa–
t ionen oder mi t tel s einer genaue r en Ana–
lyse meh r und me h r d em wah r en Wert
a n z up a s s e n . Dieser Anpa s s ung s p r oz e s s
fällt jedoch in der Regel zu k n a p p aus ,
wo d u r c h de r U r s p r u n g swe r t e in zu
großes Gewicht erhäl t . Man stelle sich
folgende Zahlenfolge vor: 1 x 2 x 3 x 4 x
5 x 6 x 7 x 8 = ? Geben Sie kurz eine
Schä t zung für d a s Resul tat der Multipli–
kat ion ab .
Expe r imen t e s ind mi t di eser Folge in ei–
ner Gruppe und der umgekeh r t en Zah–
lenfolge 8 x 7 x 6 x 5 x 4 x 3 x 2 x 1 = ? in
einer ande r en Gruppe durchgeführ t wor–
den . Die P r obanden sol l ten dabe i jeweils
in wenigen Sekunden d a s Ergebnis der
Mul t ipl ikat ionen s chä t zen . Obwohl bei–
de Gr upp e n v om r i ch t i gen Ergebn i s
(40.320) im Durchschni t t wei t ent fernt
lagen, fiel d a s Ergebnis bei der Gruppe
mi t der ers ten, auf s t e igenden Folge we–
sent l ich ger inger au s (Durchschni t t : 512)
als bei der zwei ten Folge (Durchschni t t :
2 . 250) . ' Der Grund dafür ist, d a s s in der
er s t en Folge zunä ch s t ger ingere Wer te
als Anker ange s e t z t we rden als in
der
zwei ten Folge.
Repräsentat ivi tätsheurist ik:
Eine hohe
Repräsentat ivi tät ist d a nn gegeben, we nn
eine
Beobachtung gut in ein Schema
pass t .
Pass t eine Beobach t ung oder eine
Informat ion gu t in ein gefest igtes Sche–
ma , führt dies rege lmäßig zu einer Über–
s chä t zung von Wahrscheinl ichkei ten. Ein–
fachs tes Beispiel ist da s Verweilen an
e inem Roulette-Tisch. Wenn als Ergebnis
z ehn Mal „Rot" erscheint , wird m a n nicht
d a nn auf „Schwarz" se t zen?
Di spos i t i onse f f ekt :
Der Di spos i t ions –
effekt beschre ibt , d a s s aufgrund de r rela–
t iven Bewe r t ung von Ereignissen und
Wer ten und einer a b n e hme n d e n Sensiti-
vi tät um einen en t s p r e chenden Bezugs–
punk t posi t ive Ereignisse ode r Gewinne
in der Nähe di eses Bezugspunk t e s über–
höh t wa h r g e n omme n we rden ode r reali–
siert werden, wä h r e nd nega t ive Ereignis–
se oder Vedus te in der Nähe de s Bezugs–
punk t e s nicht schnel l genug realisiert
we rden . Erzielt ma n nicht 100 € , son–
dern 200 € Gewinn mi t e inem neuen
Produkt , ist die Freude um so g r öß e r Ist
es abe r ebenso , wenn ma n nicht 1.000
€ , sonde r n 1.100 € Gewinn erzielt? Der
Vedus t von 1 0 0 € bei e i nem Akt ienkauf
schme r z t . Ist es abe r ein großer Unter–
schied, wenn der Verlust nicht 1.000 € ,
sonde r n 1 . 1 0 0 € be t r äg t ?
Sunk Cost-Effekt:
Der Sunk Cost-Effekt
be s ch r e i b t , d a s s be r e i t s e n t s t a n d e n e
Kosten, die beispielsweise in ein Projekt
geflossen sind, in die En t sche i dung be–
züglich der Bereitschaft, d a s Projekt auf-
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