Seite 42 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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Cont rol ler ma g a z i n
6/04 - Ralf Kesten
Problemat isierung der Kaufpreis–
finanzierung
In der Welt der DCF-Verfahren gibt es
keine Finanzierungsprobleme. Deshalb
können Controller auch keine praktika–
ble Hilfestellung zum Zusammenhang
zwischen Unternehmenswert und der
Finanzierung des vom Erwerber aufzu–
bringenden Kaufpreises erwarten. Die
Unternehmenspraxis ist jedoch durch
Konditionenvielfalt, Ungleichverteilung
von Wissen, subjektiven Zielvorstellun–
gen der Akteure sowie durch Trans–
aktionskosten charakterisiert. Sofern die
Frage der Kaufpreisfinanzierung zu pro-
blematisieren ist, empfiehlt sich die Ab–
kehr von den DCF-Verfahren und die
subjektbezogene Formulierung voll–
ständiger Finanzpläne,
die im Bereich
der dynamischen Investitionsverfahren
unter dem Akronym
„VOFI"
seit den
1980er jähren bekannt sind. Durch einen
VOFI lassen sich u.a. die individuellen
Ge ldaufnahme- sowie Geldanlage–
möglichkeiten eines potenziellen Käufers
erfassen und damit der Einfluss der
Kaufpreisfinanzierung auf den subjekti–
ven Wert des Eigenkapitals. In letzter
Konsequenz kann der Ansatz dahin–
gehend erweitert werden, die finanziel–
len Konsequenzen im erwerbenden Un–
ternehmen (bspw. Kreditaufnahme, Ein–
gliederung der erworbenen Assets, Akti–
vierung des derivativen Firmenwertes
und seiner planmäßigen Abschreibung
im Rahmen eines sog. Asset Deals) mit
bei der kritischen Kaufpreisermittlung fiJr
die Eigentümerposition zu berücksichti–
gen. Dadurch würde die Trennung von
isolierter Unternehmensbewertung und
davon losgelöster Beurteilung der Ein–
gliederung des Targets in die bisherige
Unternehmensstruktur des Erwerbers
aufgehoben.
Ergänzung durch Substanz- und
Liquidationswerte nur im Einzelfall
hilfreich
Subs t anz - und
Liquidat ionswer t –
verfahren werden von Theorie und mo–
derner Bewertungspraxis überwiegend
unter Nennung guter Gründe abgelehnt.
Die folgenden Überiegungen geben den
gescholtenen Verfahren im Einzelfall eine
gewisse Relevanz: Erfolgt ein Unter–
nehmenskauf nicht (nur) in der Absicht
eines Going-concerns, so sollte man sich
auch einen Überblick über die Liqui–
dat ionswerte verschaffen. Ein Liqui-
dations- bzw. Zerschlagungswert stellt
eine absolute Wertuntergrenze für die
Eigentümerposition dar Er ergibt sich
aus der im Rahmen einer Einzel–
bewertung festgelegten Summe aller
veräußerungsfähigen Assets auf den
Sekundärmärkten abzüglich der be–
stehenden Schulden und weiteren Auf–
wendungen im Rahmen des Liquidations–
prozesses (vgl. Abb. 5).
Manchmal werden Unternehmen vom
Erwerber in Business Units zerlegt und
dann portionsweise an Interessenten
weiterveräußert. Nicht immer lassen sich
für alle Units Anschlusskäufer finden, so
dass die Kenntnis der Zerschlagungs–
werte für die einzelnen Assets hilfreich
erscheint. Bei der Prognose von Zer–
schlagungswerten sollte man zudem an
gese t z l i che Auf lagen (bspw. für
Rekultivierungen oder Sozialpläne), an
die „Wiedergeldwerdungsdauer", die
Situation auf den Sekundärmärkten und
das durch Notverkäufe zusätzlich provo–
zierte Disagio bei einzelnen Wirtschafts–
gütern (bspw. bei Immobilien) denken,
was die Summe erzielbarer Liquidations–
werte erheblich beeinflussen kann.
Mit dem Substanzwertverfahren
ver–
folgt man das Ziel einer im Idealfall kom–
pletten Rekonstruktion des betrachteten
Unternehmens durch eine meist „fiktive
Neugründung auf der grünen Wiese" (vgl.
Abb. 6).
Ausgehend von prognostizierten Über–
schüssen des zu bewertenden Unterneh–
mens fragt man, was „in ein neu zu
gründendes Unternehmens hineinzu–
stecken" wäre, um einen identischen
Output (hier: Free Cash-flow) zu erzielen.
Da ein erfolgreiches Unternehmen zu–
meist erheblich mehr als die Summe der
entgeltlich erwerbbaren Assets darstellt,
können Substanzwertverfahren die Lücke
zwischen dem vollen Rekonstruktions–
wert und dem allein einwandfrei er–
mi t telbaren Tei lrekonstrukt ionswert
nicht schließen; sie müssen auf die Hilfe
der DCF-Verfahren zurückgreifen, die letzt–
lich das Problem der Bestimmung eines
Untemehmenskauf
I
X
mit Nutzungsabsicht
ohne Nutzungsabsicht
1
Weiterverkauf an Dritte
Liquidation
("Zerschlagung")
I
1
Kombination aus Liquidation
und Weiterverkauf an Dritte
Summe Veräußerungserlöse der einzelnen Vennögensgegenstände des betrachteten Unternehmens
(Einzelbewertung)
- vorhandene Schulden
- Verfahrenskosten der Liquidation
- sonstige Verpflichtungen durch Untemehmensauflösung (Sozialplan, Rekultivierung u.a.m.)
= Wert für die Anteilseigner bzw. Eigentümer
Ein Unt emehmen besitzt
mindes tens
den Liquidat ions- bzw. Zerschlagungswer t
Abb. 5: Bestimmung von
Liquidationswerten
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