Seite 40 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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Cont rol l er
magazin 6/04 - Ralf Kesten
des gesamten Unternehmenswertes.
Dieser extrem hohe Anteil lässt sich wei–
ter steigern, wenn man anstelle der ein–
fachen ewigen Rente eine zusätzliche
Inflationierung der normalisierten Cash-
flows betreibt. Ein solches Vorgehen ist
bedenklich, da alle positiven Überschüs–
se in der bereits als sehr unsicher einzu–
schätzenden fernen Zukunft liegen. Bei
etablierten Unternehmen kann der Anteil
im Zwei-Phasen-Modell immerhin noch
rund 80% ausmachen. Vor diesem Hin–
tergrund relativieren sich Fragen nach dem
Ansatz eines adäquaten Kalkulations–
zinssatzes (bspw. endlose Diskussionen
in Theorie und Praxis, ob man denn nun
mit 10 % oder 12 % diskontieren sollte)
ein wenig und signalisieren an anderer
Stelle
erheblichen Forschungsbedarf:
>• Wie kann man den hohen Anteil
der Going-concern-Phase am Unter–
nehmenswert besser fundieren bzw.
die Prognosefähigkeit wirkungsvoll
steigern?
> Können operative Risiken lediglich
pauschal über den Ansatz eines höhe–
ren Kalkulationszinssatzes abgedeckt
werden oder lassen sie sich an den
eigentlichen Risikoquellen (Nachfrage–
verhalten der Kunden, Gefahr durch
Subst i tute, Lieferantenstörungen,
Managementqualität usw.) messen?
Eine erste praktikable Antwort ist einer–
seits die Entwicklung und Nutzung kriti–
scher
Checklisten zur Markt- und Wett–
bewerbssituation
sowie zur Ressourcen–
ausstattung des zu bewertenden Unter–
nehmens. Eine zweite wichtige Orientie–
rungshilfe geben Benchmarkinganalysen
zu ähnlichen Vergleichsunternehmen und
die Hinterfragung ihrer Erfolgs- bzw. Miss–
erfolgsursachen. Doch befriedigend sind
diese Vorschläge sicher nicht.
Von erheblicher Bedeutung ist zudem
der Zeitpunkt, mit dem man den ewigen
Rentenzeitraum beginnen lässt. Hierbei
sollte daran gedacht werden, Investitions–
zyklen, die nach einem Unternehmens–
kauf meistens initiiert werden, zeitpunkt–
getreu abzubilden und ggf. eine
geson–
de r t e „Übergangs - bzw. Normali–
sierungsphase" im Bewertungsmodell
zu definieren.
Gerade die DCF-Verfahren
unterstellen bereits eine gegebene sowie
auf absolute Vorteilhaftigkeit geprüfte
Investitionspolitik im Target. Deshalb
sollte die geplante Investitionspolitik in
der neuen Beteiligung besonders auf
Plausibilität hinterfragt werden.
Grundsätzlich zu empfehlen ist der Be–
ginn der Going-concern-Phase erst dann,
wenn man gedanklich
einen „einge–
schwungenen Zustand"
voraussichtlich
erreicht haben wird. Dieser Zustand ist
nicht zu verwechseln mit Stagnation; er
kann auch in Form eines konstanten
Wachstums- oder auch Schrumpfungs–
prozesses bestehen. Entscheidend ist
vielmehr die
Leitidee von Kontinuität.
Ob sich diese gut begründet im „Zeitalter
der Diskontinuitäten" erfüllen lässt, mag
man bezweifeln. Allerdings gelingt es uns
ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr,
unterscheidbare Informationen wahrneh–
men und in Bewertungsmodellen diffe–
renziert verarbeiten zu können.
Integrierte Finanzplanung als wich–
tiges Controllinginstrument bei der
Bewertung
Eine Unternehmensbewertung auf Basis
eines DCF-Verfahrens sollte niemals ohne
eine integrierte Finanzplanung erfolgen.
Diese kann ein sehr wirkungsvoller Schutz
gegen übertriebene Kaufpreisvorstellun–
gen der Gegenseite sein und deren Rech–
nungen auf Unplausibilitäten überführen.
Kein Entscheidungsträger sollte sich mit
ein paar rudimentären Zahlenreihen zu–
frieden geben. Die integrierte Finanz–
planung umfasst mindestens
>• eine Auswer tung von Jahresab–
schlussdaten zur Ermittlung histo–
rischer Werttreiber bzw. Kennzahlen–
relationen, die das Target charakteri–
sieren;
> eine Plan-Ergebnisrechnung;
>• eine Plan-Bilanzrechnung;
>• eine Plan-Cash-flow-Rechnung,
>• ggf. ergänzt um steuerliche Sonder–
kalkulationen;
jeweils für den Detail- und den Global–
prognosezeitraum.
Damit eine integrierte Finanzplanung
Unplausibilitäten aufzudecken vermag,
sind
zwei verschiedene Ausprägungs–
formen
zu entwickeln.
> Die
praxiskonforme integrierte Fi–
nanzplanung
als Resultat einer Un–
ternehmenspianung, wie sie in dem
betrachteten Unternehmen tatsäch–
lich entwickelt und verabschiedet
wird. Mit dieser wird sichergestellt,
dass tatsächlich Free Cash-flows er–
wirtschaftet werden, da die operati–
ven Cash-flows direkt zu prognosti–
zieren bzw. über Annahmen zu den
Zahlungszielen auf den Absatz- und
Beschaf fungsmärkten abzulei ten
sind. Des weiteren lassen sich die
Auswirkungen auf von den Kapital–
gebern des Targets gewünschten
Kennzahlenrelationen identifizieren,
Ausschüttungsbeschlüsse, aber auch
Ausschüt tungssper rvorschr i f ten,
temporäre Geldanlage nicht sofort
entziehbarer Geldbestände und der–
gleichen mehr für eine möglichst in–
dividuelle Problemlösung abbilden.
Hierbei sind auch die geplanten Inve–
stitionen im Sachanlagebereich zu
beachten und ggf. Kapitaldeckungs–
maßnahmen festzulegen. Man kann
sicher zu recht sagen, dass diese
praxiskonforme Finanzplanung hin–
sichtlich der Fremdkapitalplanung
mit der Annahme einer autonomen
Finanzierungspolitik harmoniert.
>• Die
methodenkonforme integrierte
Finanzplanung
als zu leistende Vor–
arbeit für den korrekten Einsatz von
DCF-Verfahren. Soll der Unterneh–
menswert mit einem Entity-Verfah–
ren (bspw. APV oder WACC) ermittelt
werden, so muss die integrierte Fi–
nanzplanung die Vollausschüttungs-
hypothese für ein fiktiv vollständig
eigenfinanziertes Unternehmen nach–
bilden. Alternativ könnte man auch
vom praxiskonformen Finanzplan
ausgehen und diesen entsprechend
modifizieren (insb. Stornierung aller
mit einer teilweisen Fremdfinanzie–
rung verbundenen finanziellen Wir–
kungen wie Zins- und Tilgungszah–
lungen sowie der Ertragsteuerent–
lastung durch steuediche Abzugs–
fähigkeit der Zinsaufwendungen bzw.
des Tax Shields). Zu dieser „Eigen–
finanzierungsfiktion" gehört selbst–
verständlich auch die Annahme, dass
Eigenkapitaleinlagen durchzuführen
sind, falls die geplanten Investitionen
einer Periode mal nicht in vollem Um–
fang innenfinanziert werden können.
Durch Vergleich von praxi s- und
methodenkonformer integrierter Finanz–
planung ergeben sich Hinweise, wie weit
das betrachtete Unternehmen bzw. die
derzeitige Unternehmenspianung von
den Annahmen der DCF-Verfahren und
damit auch einer Wertorientierung in der
Unternehmensführung entfernt ist.
Last but not least kann die integrierte
Finanzplanung nach der Unternehmens-
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