Seite 37 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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Bruttogewinnansatz kommen die
Autoren zu dem Ergebnis, dass po–
tenziel le Akt ionäre eines misch–
finanzierten Unternehmens U2 einen
höheren Alternativertragsatz anzu–
setzen haben als potenzielle Aktio–
näre eines nur mit Eigenmitteln agie–
renden Unternehmens U1, wobei sich
der Ei genkapi t a l kos t ensa t z des
„leveraged Unternehmens" zusam–
mense tzt aus dem Eigenkapital–
ko s t en s a t z e ines „unl everaged
Un t e rnehmens " zuzi jgl ich einer
kapi tal s t rukturbedingten Risiko–
prämie, die unter anderem an den
Verschuldungsgrad gekoppelt ist und
optisch der bilanziellen Leverage-
formel ähnelt.
Die DCF-Verfahren greifen in ihren Mo–
dellvarianten sowohl die MM-Anpas–
sung als auch die CAPM-Bewertungs-
gleichung auf.
Von besonderer Relevanz
ist dabei die Unterscheidung zwischen
einer
sog.
Brutto- sowie einer Netto–
gewinnhypothese
(vgl. Abb. 3):
>• Über die lineare MJVl-Anpassung er–
fahren wir, dass ein Anstieg des öko–
nomischen Verschuldungsgrades die
Renditeforderung der potenziellen
Eigenkapitalgeber erhöhen sollte.
Denn bei unve rände r t e r Unter–
nehmenspolitik (und das heißt in der
Sprache der DCF-Verfahren: konstant
erwartete Cash-flows in allen künfti–
gen Perioden) wird das gleiche opera–
tive Risiko nun auf eine kleinere Men–
ge an Eigenkapital verteilt, was die
Position der wirtschaftlichen Eigen–
tümer riskanter erscheinen lässt .
Wird Eigen- durch Fremdkapital er–
setzt, wird derAnteil der „Festbetrags–
ansprüche" (Zinsaufwand) bei ge–
gebenem
„Kuchen
Cash-f low"
( = Brut togewinn) größer ; Eigen–
kapitalgeber könnten schneller leer
ausgehen. Reagieren die Eigenkapital–
geber auf eine veränderte Kapital–
struktur, so spricht man von der
B r u t t o g ewi nnhypo t h e s e .
Der
Charme der MM-Anpassung und der
ihr innewohnenden Bruttogewinn–
hypothese besteht letztlich darin,
dass sich Renditeforderungen sowohl
durch Theorie und in Zusammenhang
mit dem CAPM auch durch Empirie
objektivierter schätzen lassen, was
die Angreifbarkeit bei Bewertungen
erheblich reduzieren hilft.
Wird davon ausgegangen, dass Ver–
änderungen der Relation von Fremd-
zu Eigenkapital (in Bandbreiten) kei–
ne (nennenswerte) Reaktion bei den
Eigenkapitalgebern auslöst, wird eine
sog.
Nettogewinnhypothese
unter–
stellt: Eigenkapitalgeber formulieren
ihre Renditeforderung nicht in Ab–
hängigkeit vom Bruttogewinn als
Gesamtüberschuss für alle Kapital–
geber, sondern allein von den ihnen
zufließenden Zahlungen
(Flow To
Equity),
was streng genommen zur
Aufgabe der Annahme, man könne
sich sowohl als Aktionär als auch als
Nettogewinnhypothese:
EK-K.ostensatz variiert nicht
mit Veränderungen der
Verschuldung in Unternehmen
Brut togewinnhypothese:
EK-Kostensatz variiert
mit Veränderungen der
Verschuldung in Unternehmen
•Keine Nutzung von Erkenntnissen
der Kapitalmarkttheorie
•Individuelle Fixierung von EK-
Kostensätzen
•In Deutschland (noch) verbreitet,
aber stark rückläufig (insb. bei
börsennotierten AGs)*
•Nutzung von Erkenntnissen der Kapitalmarkttheorie
(u.a. MM-Theorem und CAPM)
•objektivierte Fixierung von EK-Kostensätzen über
Nutzung von Marktdaten (oder theoretisch bestimmt)
•Intemational stark verbreitet
Deutsches
E r t ragswer tver fah ren
Globalisierung von
Güter- & Kapitalmärkten
führt zur Dominanz der
DCF-Verfahren
in Deutschland!
autonome
Finanzierungspolitik
wertorientierte
Finanzierungspolitik
abweichende Unternehnieiiswerte
als „natürliche Folge"
Abb.
3:
Nettogewinn- versus Bruttogewinntiypotlnese
Fremdkapitalgeber an Unternehmen
beteiligen, führt. Die Nettogewinn–
hypothese kann nicht durch theore–
t ische Überiegungen unterfüttert
werden, so dass sie als sehr individu–
ell und subjektiv zu charakterisieren
ist. Sie führt in letzter Konsequenz zu
investitionsrechnerischen
„Bewer–
tungsverfahren mit Annahmen–
beliebigkeit",
denen ein theoreti–
sches Referenzsystem fehlt, was auch
die Diskussion mit den Akquisitions-
partnern erheblich erschweren dürf–
te. Denn wie kann die Wahl eines
Eigenkapitalkostensatzes zur Diskon–
tierung überzeugend begründet wer–
den? Der so beliebte Verweis auf be–
s tehende Konzernrichtlinien ver–
schiebt
nur den
Begründungszwang
auf eine andere Ebene. Und die sicher
oftmals redliche Antwort, man habe
seiner Intuition gefolgt, dürfte die
Argumentationsfunktion eher schwä–
chen. Auch die Formulierung von
Risikokriterien, die sich in einem
Scoringmodel l gewichten lassen,
kann das Problem nicht überzeugend
lösen,
denn es gibt keine Funktion,
die Scores in endgültige Zuschlags–
sätze begründet transformiert.
Wer mit DCF-Verfahren rechnet, hat die
Bruttogewinnhypothese zu akzeptieren
und di ese dann auch in s e i ne
Bewertungsmodelle zu integrieren. Dies
stellt freilich höhere Anforderungen an
die Datenbeschaffung und deren Validi–
t ä t
(bspw.
R e n d i t e e n t –
wi cklung des
ge s amt en Ak–
t i e n m a r k t e s ,
Umlaufrendi te
öffentlicher An–
leihen zur Fest–
l egung
des
B a s i s z i n s •
S a t z e s ,
Schät –
zung von Eigen–
kapi ta lkos t en–
s ä t z en schul –
denfreier Unter–
nehmen, Daten
von Vergleichs–
u n t e r n e hme n
im Falle einer Be–
we r tung von
ni cht bör sen–
no t i e r t en Fir–
men und der–
gleichen mehr).
autonome &
wertorientierte
Finanzierung
kompatibel
zu einander
identische
Unternehmenswerte
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