Seite 79 - CONTROLLER_Magazin_2003_06

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CM Controller magazin 6/03
Fremd-
und
Eigenkapitalkosten wäre
dann angebracht.
b) Änderung der Risikostruktur im Zeit–
ablauf: Bei großen Änderungen emp–
fiehlt sich eine
zeitliche
Differenzie–
rung.
c) Besondere Fremdkapitalaufnahme–
möglichkeiten: Insbesondere im deut–
schen Subventionsdschungel gibt es
ungezählte iVlöglichkeiten zur Förde–
rung durch den Staat. Dies gilt auch
für Reduktionen in den Kreditzins–
sätzen. Neben Existenzgründer–
krediten seien hier die Sonderkredite
für Windkraftanlagen genannt.
d) Berücksichdgung von Ertragsteuern:
Sehr viele betnebliche Investitionen
können bewertet werden, ohne dass
der kompliziert zu ermittelnde Steuer–
einfluss einbezogen werden muss . "
Wenn sich der Ersatz von mensch–
licher Arbeit durch eine Maschine vor
Steuern rechnet, so ist dies fast immer
auch nach Steuern vorteilhaft. Auch
die Frage, welches Fahrzeug gewählt
werden soll, kann normalerweise ohne
Berücksichtigung der Ertragsteuer–
effekte beantwortet werden.^"
In ganz wenigen Situationen hingegen
kann es notwendig werden, die Ein–
flüsse der Besteuerung zu modellie–
ren. Als Beispiel seien internationale
Unternehmen genannt, welche den
Standort für bestimmte Produktions–
stätten auch unter steueriichen Aspek–
ten auswählen."
In den geschilderten Fällen kann ein ein–
ziger Kalkulationszinsfuß überfordert
sein. Eine differenziertere Modellierung
kann dann notwendig werden, was dann
sehr einfach im vollständigen Finanzplan
umgesetzt werden kann. Aber auch in
diesen komplizierteren Fällen wird man
ex ante keine Finanzanlage planen, weil
jeder
Oberschuss
für Reduzierungen der
Kredite genutzt wird.
4. 3 Kapitalkosten in Simultan–
modellen
Theoretisch wären natüriich zur Bestim–
mung der exakten Kapitalkosten Simul–
tanmodelle zu fordern, die aus allen
Handlungsmögl ichkeiten und Finan–
zierungsmöglichkeiten die optimalen
Kombinaüonen herausfinden und als Teil
der Optimallösung die richtigen Kalku–
lationszinssätze als endogene Grenz–
zinssätze liefern.^'' Wer jedoch in der
Praxis auch nur für eine einzige umfas–
sende Handlungsmöglichkeit versucht
hat, die Daten zusammenzutragen, weiß,
dass die Sammlung der Daten für hun–
derte von Handlungsmöglichkeiten und
Finanzierungsmöglichkeiten illusorisch
ist. Die Ermitdung der Konsequenzen ei–
ner Handlungsmöglichkeit kann durch–
aus viele Mitarbeiter für viele Monate
beschäf t igen. Aufgrund von Daten–
änderungen und neuen Möglichkeiten
müsste diese Datensammlung zudem
permanent durchgeführt werden.
Zusätzlich müsste man fordern, dass die
Finanzierungsmöglichkeiten in Abhän–
gigkeit von der jeweiligen Kombination
der Handlungsmöglichkeiten modelliert
werden. Denn es ist eben nicht unerheb–
lich, ob z. B. ein Telekommunikations–
unternehmen einen bestimmten Betrag
in das hochriskante UMTS-Geschäft inve–
stiert oder den gleichen Betrag in das
Standardgeschäft. Die Kapitalkosten und
die Finanzierungsspielräume ändern sich
dramatisch. Auch dieses Problem wäre
in der Theorie nur schwer lösbar in der
Praxi s
übe rhaupt
ni cht .
Die
Ganzzahligkeit von Realinvestitionen (Un-
stetigkeit) wirft zusätzliche Probleme auf.
Die theoretisch richtige Lösung scheitert
somit in der Realität und der Entscheider
muss akzeptieren, dass sehr viele Inter–
dependenzen gar nicht oder nur unvoll–
ständig berücksichtigt werden.
Aber es gibt gute Nachrichten auch für
diejenigen, die unter drastischen Verein–
fachungen Fragmente von Simultan–
modellen für Programmentscheidungen
propagieren. Auch ihre Modelle werden
- diesmal ohne weiteren Realitätsveriust
- einfacher weil die gesamte Dimension
der Finanzanlagen entfallen kann. Die
Zahlungssalden werden ausgepuffert
über die Finanzierungssei te, indem
Fremdkapital und ggfs. Eigenkapital vari–
iert werden. Selbst wenn in einer frühen
Iterationsstufe ein Überschuss auftreten
sollte und damit die Möglichkeit zu einer
Finanzanlage, kann der Gewinn weiter
gesteigert werden, wenn zu früheren Zeit–
punkten weniger oder kürzer laufende
Kredite eingeplant werden und somit Fi–
nanzierungskosten gesenkt werden.
Übersteigt der Finanzierungsbedarf vor–
teilhafter Handlungsmöglichkeiten die
maximal beschaffbaren Mittel (Eigen–
kapital und Kredite), so ist ein Habenzins–
satz erst recht sinnlos, weil niemand
Finanzanlagen tätigen wird, wenn es
attraktive Realinvestitionen gibt bzw.
teure Kredite.
5. BEISPIEL ZUM WEGFALL DES
HABENZINSSATZES
Ein sehr einfach gehaltenes Beispiel soll
die Verbesserung durch den Wegfall
von Finanzanlagen demonstrieren. Der
Habenzinssatz betrage 3%, der Kredit–
zinssatz
1
0 %. Es wird der Endwert für die
Lösung mit Finanzanlagen und für die
Lösung über Kreditänderungen ermittelt.
Die Handlungsmöglichkeit weise folgen–
de Zahlungen auf:
Zeitpunkt t
0
1
2
Zahlungen
-100 210 -105
Lösung Finanzanlage
Zinsen
-10
3
Saldo
-100
100
-2
Lösung Kreditänderung
Zinsen
-10
10
Saldo
-100
100
5
Mit der Finanzanlage in t =
1
werden die
Überschüsse unzureichend bewertet,
woraus die Ablehnung der Handlungs–
möglichkeit folgen würde. Berücksichtigt
man die Möglichkeit der Kreditreduktion,
wird der Überschuss in seinem Wert für
die Unternehmung viel besser abgebil–
det und die Handlungsmöglichkeit ist
vorteilhaft.
6 ZUSAMMENFASSUNG
Good-bye Habenzinssatz. Der in fast al–
len Fachbüchern verwendete Habenzins–
satz hat keinen Platz in der Investitions–
rechnung. Denn da der Kreditzinssatz
fast immer höher ist als der Habenzins–
satz, wird ein Unternehmen vernünfti–
gerweise versuchen, mit Überschüssen
Kredite zurückzufahren. Da praktisch kein
Unternehmen ohne Kredite finanziert
wird, gibt es die Einsatzmöglichkeit für
einen Habenzinssatz, nämlich Finanz–
anlagen, nur in kurzfristigen Ausnahmen
(und in vielen Lehrbüchern"). Formal zu
retten wäre er nur wenn er auf die Höhe
des Kreditzinssatzes oder der Rentabili–
tät der letzten Realinvestition gehoben
würde. Dann wäre er aber überflüssig.
In den meisten unternehmerischen Rech–
nungen sollte somit der Kalkulations–
zinssatz als Mischzinssatz aus Kreditzins–
satz und der viel höheren Eigenkapital–
verzinsung eingesetzt werden. Mit einem
vol l ständigen Finanzplan kann die
Handlungsmöglichkeit dann detailliert
untersucht werden.
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