Seite 78 - CONTROLLER_Magazin_2003_06

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CM Controller magazin 6/03 - Peter Hoberg
anlagen praktisch nicht gebildet werden.
Der Grund ist wieder der gleiche: Erfolg–
reiches Cash-Management benötigt kei–
ne oder nur geringe Zwischenanlagen."
Zwischenergebnis:
Im kurzfristigen Bereich werden Schwan–
kungen in den Ein- und Auszahlungen
durch die Kredithöhe ausgepuf fert .
Finanzanlagen bleiben die Ausnahme.
Bei größeren Änderungen wird dann auch
die Höhe des Eigenkapitals angepasst
werden.
Damit ist klar, dass die Vorteilhaftigkeit
von Handlungsmöglichkeiten nicht im
Vergleich mit Finanzinvestitionen be–
stimmt werden kann, wie es häufig in der
Literatur aufgefiJhrt wird.'** Ähnlich wie
bei der Ermi t t lung der durch die
Handlungsmöglichkeit ausgelösten Zah–
lungen' ' muss also immer gefragt wer–
den, welche Vorgänge auf der Finan–
zierungsseite durch die Durchführung der
Handlungsmöglichkeit zusätzlich ausge–
löst würden. Es zählt also der Vergleich
zur Untedassensalternative. Wie oben
ausgeführt, ist dies nicht die Konkurrenz
zu möglichen Finanzanlagen, sondern
die Frage nach den zusätzlichen Kapital–
kosten, und zwar sowohl hinsichdich von
Fremdkapital als auch von Eigenkapital.
4. DIE KOSTEN FÜR ZUSÄTZLICHES
KAPITAL
Unternehmen finanzieren sich fast im–
mer über eine JVlischung aus Eigen- und
Fremdkapital. Die hohen Eigenkapital–
kosten, die aus der steuerlichen Benach–
teiligung und der Risikoprämie herrüh–
ren, führen insbesondere in Deutschland
dazu, dass die Unternehmen stark Fremd–
kapital einsetzen. Der Preis für das Fremd–
kapital hängt entscheidend von der Bo–
nität des Unternehmens ab. Die durch
Basel II veriangten Ratings werden durch
ihre stärkere Risikodifferenzierung die–
sen Einfluss noch verstärken. Kaum eine
Bank wird Dariehen vergeben, wenn das
Unternehmen nicht angemessenes Eigen–
kapital als Risikopuffer vorweisen kann.^°
Man kann also davon ausgehen, dass
eine Investitionsfinanzierung immer aus
einer Mischung von Fremd- und Eigen–
kapital bestehen wird. Unternehmen sind
bei großen Investitionen schon durch die
Banken gezwungen, auch die haftende
Eigenkapitalbasis zu verbreitern. An–
sonsten würden die Kredite verweigert
oder viel zu teuer.
Allerdings erfolgt die tatsächliche Finan–
zierung eines Unternehmens nur selten
projektbezogen (ggf. Sonderkredite für
Großprojekte). Üblicherweise wird der
gesamte Finanzbedarf ermittelt und ge–
deckt.^' Im Laufe der Zeit werden also
unterschiedliche Projekte von dem jeweils
gleichen vorhandenen Eigen- und Fremd–
kapital finanziert. In Abhängigkeit vom
Cash-Flow ändert sich die Eigenkapital–
quote täglich.
Mit jedem größeren Projekt ändert sich
jedoch die Risikostruktur des Unterneh–
mens, wodurch dann das Rating des
Unternehmens beeinflusst werden kann,
woraus eine Änderung der Fremdkapital–
kosten resultieren kann. Bei sehr großen
wichtigen Investitionen kann zudem
mehr Eigenkapital notwendig werden.
Entsprechend den Eigenschaften der In–
vestition ist also zu berücksichtigen,
welche Auswirkungen auf die Kosten für
Fremd- und Eigenkapital ausgeübt wer–
den. )e nach Entscheidungssituation und
Detailliertheitsgrad der vorhandenen
Daten können die Kapitalkosten nun un–
terschiedlich genau abgebildet werden.
4.1 Kapitalkosten bei einem einheit–
lichen Kalkulationszinsfuß
Im e inf achs t en , aber auch praxis-
orientiertesten Fall hat
ein einziger
Kalkulationszinsfuß die nicht perfekt
lösbare Aufgabe, die gesamte Finan–
zierungssphäre für eine Handlungs–
möglichkeit abzubilden.
Der Kalku–
lationszinsfuß muss für Eigen- und Fremd–
kapital die Auswirkungen des Risikos er–
fassen, [e höher das Risiko eingeschätzt
wird, umso teurer wird das Fremdkapital
(Basel II) und umso mehr Eigenkapital
muss als Risikopuffer rechnerisch in die
Ermittlung des Kalkulationszinsfußes ein–
fließen, was ihn natüdich erhöht. Leider
sind bei der Frage nach dem optimalen
Eigenkapitalanteil keine exakten Anga–
ben zu machen, wenn man keine wirk–
lichkeitsfremde Annahmen setzen will.
Ausgangspunkt könnten übliche, d. h.
beispielsweise von Ratingagenturen für
adäquat gehaltene Eigenkapitalanteile
der Branche sein. Auf dieser durchschnitt–
lichen Basis sind dann Rangfolgeaus–
sagen in der Art möglich, dass Handlungs–
möglichkeiten mit höherem Risiko einen
größeren kalkulatorischen Risikopuffer
benötigen.
Entsprechend dem notwendigen Eigen–
kapitalanteil wird der Kalkulationszinsfuß
als gewogenes Mittel aus Fremdkapital-
und Eigenkapitalkosten ermittelt. Bei
50% Eigenkapital und einer geforderten
Eigenkapitalverzinsung von 15 % sowie
Fremdkapi talkosten von 5% ergibt
sich der Ka lkul at ionsz ins fuß zu
0 , 5 * 15%- i - ( 1 - 0 , 5 ) * 5% = 10%.
Siemens zum Beispiel führt diese Ermitt–
lung des Kalkulationszinsfußes in Abhän–
gigkeit vom Risiko des jeweiligen Ge–
schäftsbereiches durch. Allerdings heißt
er dort
WACC (weighted average cost of
capital)
und enthält grob den Steuer-
effekt.^^ Aber auch in diesem Fall muss
festgestellt werden, dass eine theoretisch
saubere Risikomessung nicht vorliegen
kann, weil die Daten auf Vergangenheits–
analysen beruhen, deren Übertragbar–
keit auf die Zukunft problematisch ist.
Im Falle hoher Investitionen und/oder
solcher mit einer stark abweichenden
Risikostruktur sollte der für die Investiti–
on zu verwendende Kalkuladonszinsfuß
angepasst werden. Das Gleiche gilt bei
besonders kurzen oder extrem langen Lauf–
zelten. Unternehmen bilden daher häufig
Risikoklassen und fordern je nach Risiko–
höhe unterschiedliche Verzinsungen.
4.2 Die differenzierte Abbildung von
Kapitalkosten
Aus Sicht der Praxis reicht die Verwen–
dung eines Kalkulationszinsfußes - er–
mittelt als Mischzinssatz - für die Beur–
tei lung einer einzigen Handlungs–
möglichkeit fast immer aus. Dies gilt ins–
besondere dann, wenn Risiko- und
Laufzeitklassen für die anzuwendenden
Kalkulationszinsfüße gebildet werden.
Denn man darf nicht vergessen, dass die
Prognose der Zahlungen üblicherweise
mit weit größeren Ungenauigkeiten be–
haftet ist. Auf die Schätzung der Zahlun–
gen sol l te al so der Großtei l der
Bewertungszeit verwandt werden. Zur
Vorsicht können Kalkulationen im Rah–
men von Sensitivitätsanalysen auch mit
unterschiedl i chen Kalkulationszins–
sätzen durchgeführt werden.
In einigen Sonderfällen aber reicht ein ein–
ziger Kalkulationszinssatz nicht aus und
es muss eine Differenzierung erfolgen:
a) Besondere Risikostruktur: Wenn die
Handlungsmöglichkeit in ihrem Risi–
ko wesentlich vom Standard abweicht,
würde der übliche Kalkulationszinsfuß
in die Irre führen. Eine Trennung in
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