Seite 71 - CONTROLLER_Magazin_2003_06

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CM Controller magazin 6/03
DIE STICHPROBENPRÜFUNG
IN DER PRAXIS:
ein Unternehmens-Beispiel
von Michael
Schmidt,
Düsseldorf
Michael Schmidt ist tätig als Senior Advisor bei
der KPMG Deutsche Treuhand AG in Düsseldorf.
Innerhalb seiner Geschäftseinhei t Information
Risk Management des Geschäftsbereiches Busi–
ness Services konzentriert er sich besonders auf
die Inhalte und Fragestel lungen des Project Risk
Managements.
1. Hintergrund und Anwendungsfall
Ein Unternehmen der Stahlindustrie hat–
te sich dazu entschlossen, SAP R
/ 3
für
die Bereiche Logistik und Rechnungs–
wesen einzuführen. Nach einer umfang–
reichen Analyse der Geschäftsprozesse
wurden sämdiche Daten aus dem Alt–
system in das neue SAP R/ 3 migriert.
Innerhalb dieses Migrationsverfahrens
wurden auch bestehende Fertigungs–
aufträge übernommen. Bei einer Über–
prüfung der Fertigungsaufträge in SAP
R/ 3 fielen bei einigen eklatante Fehler
auf, so dass man sich dazu entschied,
zur Sicherstellung einer korrekten Über–
nahme eine vollständige Kontrolle aller
migrierten Fertigungsaufträge durch–
zuführen.
Diese Entscheidung wurde für notwen–
dig geha l t en , um zum einen die
Vedässlichkeit der Daten für die Ge–
schäftsabwicklung und das Controlling
sicherzustellen, zum anderen die recht–
lichen Anforderungen an die Ordnungs–
mäßigkeit der Rechnungslegung gewähr–
leisten zu können.
Die Problematik soll an einem einfachen
Beispiel dargestellt werden: Wird inner–
halb eines Produktionsprozesses ein Bau–
teil verbaut, ohne dass dies dem System
über eine Rückmeldung mitgeteilt wird,
fehlt dieses Bauteil als wertmäßiger Be–
standteil bei der Kalkulation bzw. Bewer–
tung der unfertigen Erzeugnisse (WIP).
Folglich führt dieser Sachverhalt dazu,
dass der WIP zu niedrig ausgewiesen
wird. Dieser Fall ist auch umgekehrt denk–
bar, nämlich dann, wenn Vorgänge an
das System rückgemeldet werden, die
tatsächlich nicht stattgefunden haben.
Dies würde dann zu einem überhöhten
Ausweis des WIP führen. Derartige Fehler
haben auch Auswirkungen auf die
Lagerbestandsführung und Disposition:
wenn Entnahmen von Bauteilen dem
System nicht mitgeteilt werden, führt
dies zwangsläufig dazu, dass die im
System geführten Läger höhere Mengen
ausweisen als tatsächlich vorhanden.
Sicherlich würde dieser Umstand bei der
nächsten Inventur bemerkt; unterjährig
jedoch läuft das Unternehmen Gefahr,
die für die Produktion notwendigen Kom–
ponenten nicht, nicht rechtzeitig oder
nicht in ausreichender Menge auf Vorrat
zu halten.
2. Ablaufprozess
Der Geschäftszweck des Unternehmens
liegt in der Produktion von Kaltbändern,
die an verschiedenen Stellen in der stahl–
verarbeitenden Industrie zur Weiterver–
arbeitung eingesetzt werden. Die Abb.
1
zeigt eine vereinfachte Darstellung des
Ablaufprozesses der Vorfertigung.
Zunächst wird das Warmband in der
Beize vom Rost befreit. Danach wird es
gewalzt, um es auf das gewünschte Fertig–
maß zu bringen. Beim Glühen erhält das
Material seine magnetischen Eigenschaf–
ten und seine Materialgüte. An dieser
Stelle ist das Kaltband entstanden. Der
Fertigungsprozess sieht jedoch noch als
letzte Stufe einen Isoliervorgang vor Dort
wird dem Material eine Lackschicht ein–
gebrannt. Damit wird einerseits ein Ver–
lust der magnetischen Eigenschaft des
Materials verhindert und andererseits ein
genereller Schutz gegen Einflüsse von
Glühen
Isolieren
End–
material
"Kalt–
band"
T
Abb. 1: Die Vorgangsstufen in der Vorfertigung
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