CM Controller magazin 6/03
2. 2 Anpassung der Führungs–
teilsysteme auf der Top-Management-
Ebene
In der zweiten Phase der Implementie–
rung müssen die Kennzahlen und das
Rahmenkonzept für das Werttreiber–
management im Unternehmen mit Le–
ben erfüllt werden. Ausgangspunkt ist
ihre Integration in den Planungsprozess,
in dem das Zielausmaß für die Kennzah–
len bestimmt wird.'^ Ein wesentliches
Element einer wertorient ierten Ziel–
planung stellt dabei die Nutzung des
Kapitalmarktes als Basis für die Ablei–
tung des Zielausmaßes dar Neben der
klassischen Bestimmung der Zielhöhe
über die historische Performance eines
Un t e rnehmens be r e i che s und über
Wet tbewerberbenchmarks
wird der
Kapitalmarkt in allen von uns betrach–
teten Konzernen als ergänzende Infor–
mationsquelle genutzt.
Dies erfolgt in
zweierlei Weise: Einerseits werden die
Kapitalkostensätze für das Eigen- und
Fremdkapital aus dem Kapitalmarkt
abgeleitet.
Die Fremdkapitalkosten ba–
sieren i.d.R. auf den tatsächlichen Zah–
lungsverpflichtungen des Unternehmens,
während die Rendi teforderung der
Eigenkapitalgeber modellhaft über das
Capital Asset Pricing JVlodel (CAPJVl)
er–
folgt.'" Andererseits wird der Börsenkurs
eines Unternehmens dazu genutzt, ein
absolutes Zielausmaß für eine Periode
abzuleiten.
Dabei wird davon ausge–
gangen, dass ein bestimmter Referenz–
kurs des Unternehmens (zumeist der
durchschnittliche Börsenkurs über ei–
nen längeren Zeitraum) die auf den
Betrachtungszei tpunkt abgezinsten
e rwa r t e t en Rückflüsse der Eigen–
kapitalgeber für sämtliche zukünftigen
Perioden widerspiegelt.
Über finanz–
mathematische Methoden lässt sich aus
dem Börsenkurs ein periodischer Zielwert
für
die wertorientierte Kennzahl ermit–
teln.'^ Die letzdich verbindliche Festle–
gung des Zielausmaßes für eine Periode
erfolgt über ein Abwägen der verschiede–
nen Deduktionsbasen (historische Per–
formance, Wettbewerberbenchmarks,
Kapitalmarkt) durch das Unternehmen.
Steht das Verfahren zur Bestimmung des
Zielausmaßes fest, so erfolgt im näch–
sten Schritt die
Integration der wert–
orientierten Kennzahlen und Wert–
treiber in das Anreizsystem des Unter–
nehmens.
Diese Integration ist eine wich–
tige Voraussetzung, um den Mitarbeitern
die Bedeutung der Steuerungsgrößen zu
vermitteln und ihre Aufmerksamkeit auf
diese zu lenken. Damit die Entscheidungs–
träger systematisch auf die Kennzahlen
bzw. Werttreiber einwirken können, sind
diese zudem in das Standardreporting
einzubinden, das unterjährig Informa–
t ionen über die Entwi cklung der
Steuerungsgrößen bereitstellt.
Neben den bisher skizzierten Implemen–
tierungsaufgaben, die auf eine Einbin–
dung der wertorientierten Steuerungs–
größen in die Führungsprozesse abzie–
len, gilt es im Verlauf der zweiten
Implementierungsphase auch damit zu
beginnen, die Mitarbeiter inhaldich in
das neue Steuerungskonzept einzufüh–
ren. Ohne intensive Schulungen ist kaum
davon auszugehen, dass die Mitarbeiter
in der Lage sind, die Kennzahlen adäquat
zu interpretieren.'* Auch akzeptieren die
Mitarbeiter ein neues Steuerungskonzept
als Basis der Incentivierung erst, wenn
ihnen die grundlegenden Zusammen–
hänge und Auswirkungen auf ihre Posi–
tion transparent sind.
2.3 Roll-out im Gesamtkonzern
Die in der Praxis implementierten wert–
orientierten Steuerungssysteme weisen
bezüglich der Implementierungstiefe
durchaus Unterschiede auf. Sofern eine
durchgängige Verankerung der Wert–
orientierung im gesamten Unternehmen
angestrebt ist, ergibt sich die Notwendig–
keit, im Rahmen des Implementierungs–
prozesses in eine dritte Phase einzutre–
ten. In dieser Phase erfolgt der Roll-out
des Steuerungssystems von der Top-
Management-Ebene auf die nachgeord–
neten Hierarchieebenen des Unterneh–
mens. Auch die Durchsetzung im Gesamt–
konzern wirft im Wesendichen drei (alt–
bekannte) Problembereiche auf. Zunächst
sind die Kennzahlen an die Steuerungs–
aufgaben und -kompetenzen dieser Un–
ternehmensbereiche anzupassen. Je wei–
ter man sich in der Hierarchie nach unten
bewegt, desto geringer werden die Ent–
scheidungskompetenzen der Mitarbeiter
Schnell sind Ebenen erreicht, auf denen
die Mitarbeiter keinen Einfluss mehr auf
sämt l i che Determinanten der wert–
orientierten Spitzenkennzahlen nehmen
können. Die bereits im Zusammenhang
mit der Erörterung der Implemen-
Uerungsaufgaben der ersten Phase ange–
sprochenen Werttreiberhierarchien lei–
sten hier gute Dienste: Ihre Nutzung er–
möglicht die Identifikation von potenzi–
ellen Kennzahlen, die für eine Steuerung
dieser Bereiche geeignet sind, gleichzei–
tig aber nicht den Bezug zur Spitzen–
kennzahl veriieren. Darüber hinaus ist
auch auf den nachgeordneten Hierarchie–
ebenen die Einbindung der Steuerungs–
größen in die verschiedenen Führungs–
prozesse s i cherzustel len: Die wert–
orientierten Zielwerte, die auf der Top-
Management-Ebene festgelegt wurden,
sind in konsistente Subziele herunterzu-
brechen und die Steuerungsgrößen sind
in das Anreizsystem und Standard-
Reporting zu integrieren. Schließlich
bes t eht gerade auf nachge l ager ten
Hi erarchi eebenen ein erheb l i cher
Schulungsbedarf: In diesen Unterneh–
mensbereichen arbeiten Mitarbeiter die
aufgrund ihrer Ausbildung und eigendi-
chen Aufgabenstellung von Haus aus nur
wenig Know-how im Umgang mit dem
Zahlenwerk des Rechnungswesens mit–
bringen.
3 IMPLEMENTIERUNGSHÜRDEN
UND
IMPLEMENTIERUNGS–
STRATEGIE
Im Mittelpunkt der vorangegangenen
Abschnitte stand die Diskussion der Auf–
gaben, die im Veriauf des Implementie–
rungsprozesses einer wertorientierten
Steuerung anfallen. Die Aufmerksamkeit
richtete sich damit auf die Fragestellung,
was es im Unternehmen im Rahmen des
Implementierungsprozesses zu verändern
gilt. Die nachfolgende Auseinanderset–
zung mit Implementierungshürden und
Implementierungsstrategien versucht
demgegenüber zu ergründen, wie bei der
Durchsetzung der intendierten Verände–
rungen vorgegangen werden sollte.
3. 1 Potenzielle Implementierungs–
hürden
Die Probleme, die sich für die erfolgreiche
Bearbeitung der im Drei-Phasen-Modell
skizzierten Implement ierungs felder
typischerweise ergeben, und mit ihnen
die Auswahl geeigneter Gegenmaßnah–
men hängen unserer Erfahrung nach eng
mit der institutionellen Ausgestaltung des
Implementierungsprozesses zusammen:
Mit der Ausarbe i tung des wert–
orientierten Steuerungskonzepts war in
den von uns betrachteten Unternehmen
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