CM Controller magazin 6/03 - Bernd Britzelmaier / Brigitte Eller
KONZEPTION EINER
KOSTENRECHNUNG
FÜR ARZTPRAXEN
von Prof. Dr. Bernd
Britzelmaier,
Hochschule Pforzheim, und Dipl. Ing. FH Brigitte
Eller,
FH Liechtenstein
1 Motivation und Zielsetzung
Die Sozialversicherungssysteme stehen
vor großen Finanzierungsproblemen,
was sich aktuell beispielsweise in „Null–
runden für niedergelassene Ärzte" offen–
bart. Daraus resultiert ein Zwang zu wirt–
schaftlichem oder
wirtschaftlicherem
Arbe i t en in den „Gesundhe i t s –
betrieben",
wozu auch Arztpraxen zäh–
len. Bei weitgehend gegebener Erlösseite
kann sich dabei das JVlanagement der
Arztpraxis derzeit nur auf die Kostensei–
te fokussieren. Einschränkend ist jedoch
zwingend zu bemerken, dass im Gesund–
heitswesen generell neben der wirtschaft–
lichen
auch die moralisch-ethische Sei–
te
zu beachten ist, was jedoch nicht Ge–
genstand dieses Beitrages sein soll. Die
nachfolgenden Ausführungen basieren
schwerpunktmäßig auf der österreichi–
schen Situation des Gesundheitswesens.
Getrieben durch offensives kosten–
bewusstes Arbeiten von Krankenkassen
und anderen öffendichen Einrichtungen,
aber auch durch ökonomische, finanziel–
le, wettbewerbliche, demographische und
nachfrageinduzierte Rahmenbedingun–
gen ist heute auch der niedergelassene
Arzt gezwungen, der unternehmerischen
Führung der Praxis größere Aufmerksam–
keit zu schenken. Auch in Arztpraxen
besteht der Anspruch, ein Instrument in
die Hand zu bekommen, das
Informatio–
nen über Geräteauslastung, Basisdaten
für Fallvergleiche, Kalkulationsdaten für
Produktneuentwicklungen, Kosten–
informationen von Leistungen
u.va.m.
liefert.
Ziel ist das Erreichen des Controlling-
Regelkreises und damit das Herstellen
einer Kosten- und Leistungstransparenz
vor allem in den Leistungserstellungs-
bere i chen wie den Bere i chen der
Patientenversorgung. Dieser Rahmen ist
Grundvoraussetzung, um schließlich
Unwirtschafdichkeiten im Leistungser-
stel lungsverbund wie z. B. Doppel–
untersuchungen, überflüssiges Röntgen,
unnötige Operationen und Medienbrüche
im zwischenbetrieblichen Informations–
fluss
bewerten zu können.
Daher wurde eine Kostenrechnung für
Arztpraxen als Basisinstrument konzi–
piert, das unterschiedl ichen Berufs–
sparten des niedergelassenen Ärzte–
standes eine Grundlage für unternehme–
risches Handeln bieten kann. Diese Ko–
stenrechnung für Arztpraxen integriert
in der vorliegenden Konzeption eine
prozesskos tenor ient ier te Teilkosten–
betrachtung in die Kostenanalyse als Er–
weiterung zur Vollkostenbetrachtung auf
Gesamtbetriebsebene.
Diese
prozessorient ierte Teilkosten–
betrachtung
erlaubt die Erkennung von
Kostensenkungspotenzialen durch mehr
Kosten- und Leistungstransparenz, Ver–
folgung der Kostenentwicklung auf
Leistungsebene ebenso wie Fallwert–
betrachtungen. Sie gibt Aufschlüsse über
die Ressourcennutzung (z. B. Geräteein–
satz) und liefert dem niedergelassenen
Arzt bessere Kalkulationsgrundlagen für
Produktneuentwicklungen ebenso wie
z. B. für Kontrollkalkulationen für Preise,
die in Honorarordnungen festgelegt sind.
Durch Standardisierung von Prozessen
und Kostensätzen soll ein vertretbarer
Impl ement i erungsaufwand erreicht
werden. Größtmögliche Automation kann
künftige Wartungskosten gering halten.
2 Vorgehensschritte und Leistungs–
modellierung
Ausgehend von der in Abbildung 1 dar–
gestellten
medizinischen Versorgungs–
kette
über das in Abbildung 2 in An–
lehnung an Porter skizzierte Metamodell
einer br anchenspez i f i s chen
Wert–
schöpfungskette
wird top-down nach
folgenden Vorgehensschritten zur Ent–
wicklung einer Prozesskostenrechnung
vorgegangen:
• Geschäftsprozessdefinition - Leis–
tungskettenmodellierung (Tätigkeits–
analyse),
• Daneben: Kostenarten- und Kosten–
stellengliederung;
• Teilprozessidentifikation (mit quan–
titativer und qualitativer Beschrei–
bung) in den Kostenstellen;
• Zusammenfassung der Teilprozesse
zu Hauptprozessen;
• Ermittiung der Kostenantriebskräfte
(Maßgrößen);
• Ermittlung der Prozesskostensätze.
Für die Kernbereiche von Arztpraxen wie
Diagnose, Therapie und teilweise auch
Prophylaxe wird die zentrale Wert–
schöpfungskette der Facharztpraxis ge–
wonnen (vgl. Abbildung 3). Als zentrale
Wertschöpfungskette kann sie bezeich–
net werden, da nahezu jede Patienten–
behandlung innerhalb dieser Vorgangs–
kette abgebildet werden kann.
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