CM Controller magazin 6/03 - Philipp D. Leising / Eric C. Zayer
Folgte daraus in der Vergangenheit, dass
Kaufleute (Controller) und kaufmänni–
sches Kalkül nur sehr geringen Einfluss
im F&E-Bereich ausübten, lässt sich dort
nach und nach ein immer stärker wer–
dender Einbezug strategischer und öko–
nomischer Ansätze feststellen. Klassische
Domänen des kaufmännischen Bereiches
wie die Analyse der Kunden- und Markt–
perspektive, die wirtschaftliche Bewer–
tung und Auswahl der F&E-Vorhaben,
sowie die Planung und Budgetierung von
Projekten werden immer bedeutender
Die Bedeutung guter Zusammenarbeit
der beiden Bereiche für den Erfolg des
Unternehmens und auch für die allge–
meine Zufriedenheit wurde bereits früh
erkannt und im Folgenden häufig bestä–
tigt (vgl. Gottl-Ottflienfeld 1923 oder
Domsch/Gerpott / Gerpott 1991) .
Ziel von Controllern und Forschern sollte
es daher sein, den F&E-Bereich gemein-
schaft:lich zu steuern und dabei den rich–
tigen Ausgleich zwischen möglichst gro–
ßen kreativen Freiheiten für den Forscher
und notwendiger Kontrolle und Steue–
rung durch den Controller zu finden.
Die Akteure im Bereich der F&E
Mitarbeiter im Bereich der F&E haben
eine unterschiedliche Nähe zu natur- und
ingenieurswissenschafdichem Hinter–
grund auf der einen und zu kaufmänni–
schem Denken auf der anderen Seite.
Dieser Sachverhalt lässt sich illustrativ
anhand eines Kontinuums darstellen
(siehe dazu Abbildung). Die klassische
Betrachtung des Widerstreits zwischen
„Forscher" und „Controller" differenziert
nicht weiter zwischen operativ Forschen–
den und F&E-Managern oder F&E- und
anderen Controllern.
Auf dem Kontinuum wurden die ver–
schiedenen Stellenbeschreibungen exem–
plarisch angeordnet - die Einordnung der
einzelnen Mitarbeiter auf dem Kontinu–
um bestimmt sich jedoch aus verschiede–
nen Dimensionen. Neben der konkreten
Stellenbeschreibung, welche die Aufga–
ben explizit festlegt, bestimmen auch
Anreizsysteme und das Selbstbild des
Mitarbeiters, beeinflusst von Ausbildung,
früheren Erfahrungen und aktueller Posi–
tion dessen Handlungen. So ist es durch–
aus möglich, dass ein F&E-Controller mit
naturwissenschaftlicher Ausbildung sich
stärker mit der Forschung identifiziert, als
ein kaufmännisch geprägter und am fi–
nanziellen Erfolg beteiligter F&E-Manager
Schwierigkeiten bei der Zusammen–
arbeit?
Häufig wird in der F&E-ControUing-Lite-
ratur in Einlei tungsabschni t ten auf
Schwierigkeiten der Zusammenarbeit
zwischen dem „Forscher" und dem „Con–
troller" oberflächlich hingewiesen. Diese
werden auf vielfältige Ursachen zurück–
geführt; Unterschiedliche Kulturen, die
sich inWertvorstellungen, Arbeitsweisen
und Kommunikationsformen äußern so–
wie grundlegend verschiedene Zielvor–
stellungen werden hier häufig zur Er–
klärung herangezogen.
F
&E-Mitarbeitern wird unterstellt, stär–
ker an der Erlangung neuer wissen–
schaftlicher Erkenntnisse interessiert
zu sein als an der Entwicklung von
wirtschaftlich erfolgreichen Produkten.
Dabei wird davon ausgegangen, dass ihr
Streben nach größtmöglichem Freiraum
in direktem Widerspruch zu dem Be–
mühen der Controller um Planbarkeit und
Kontrolle steht (vgl. Werner 1996 , S. 1).
F&E-Mitarbeiter werden als sensible,
eigenwillige, schwer-umgängliche und
schwerlenkbare Individualisten beschrie–
ben (vgl. Fuhrmann 1972, S. 596), die sich
am liebsten der Steuerung und Planung
durch den Controller gänzlich entziehen.
"Betriebswirtschaftlicher Fokus"
"Natur-/Ingenieurswissenschaftlicher Fokus"
Operativer
Forscher
F&E-
Manager
F&E-
Controller
Konzern-
Controller
Abb.: Forscher und Controller
Diese plakativen Aussagen der Literatur
lassen nur den Schluss zu, dass Control–
ler und F&E-Mitarbeiter nicht gut harmo–
nieren können - Widerstände und Kon–
flikte scheinen vorprogrammiert zu sein.
Das Verhältnis in der Realität
Ein erster Blick in die Unternehmen
scheint die Vermutung zu erhärten:
Con–
troller müssen tatsächlich die wirt–
schaftlich sinnvolle Verwendung von
Ressourcen sicherstellen.
Daher müs–
sen sie Budgets und Pläne fesdegen und
deren Einhaltung überwachen. Projekte,
die vordefinierte Meilensteine nicht er–
füllen, werden - häufig auf Betreiben der
Controller hin - eingestellt. Auch die Ver–
mutung über die Unterschiedlichkeit des
Selbstverständnisses zwischen Control–
ler und Forscher findet sich bestätigt,
was z. B. in Auft;reten, Argumentations–
linien und Vorgehensweisen deutlich
wird.
Ein zweiter Blick zeigt jedoch, dass es
nicht zwangsläufig zu unvereinbaren
Gegensätzen oder gar dauerhaften Kon–
flikten kommen muss:
Das Verhältnis ist
wesentiich besser als erwartet.
Befragt
nach ihrer Einschätzung des fachlichen
und zwi schenmenschl ichen Verhält–
nisses zwischen F&E-Controllern und
Forschern,
geben beide Gruppen über–
einstimmend eine positive Einschät–
zung ab.
F&E-Controller schätzen das fachliche
Verhältnis als „sehr gut" ein. Sie sehen
den Hauptnutzen ihrer Arbeit in der Be–
reitstellung von Daten für die Entscheider
der Hilfe bei der Budgetierung und der
kaufmännischen Beratung der F&E-Mit–
arbeiter Gerade in diesen Bereichen glau–
ben sie, dass ihre Diensdeistungen be–
sonders akzeptiert und geschätzt wer–
den. Andererseits sind sie sich bewusst,
dass sie ihre Funktion auf kaufmänni–
sche Aspekte beschränken müssen, ein
„Hereinreden" in naturwissenschaft;liche
Fragestellungen fände keine Akzeptanz.
F&E-Controller glauben, dass die
richtige
Balance zwischen Distanz und Integra–
tion
in den F&E-Bereich ein entscheiden–
der Erfolgsfaktor ist.
Die Aussagen der anderen Mitarbeiter in
der F&E bestätigt,
dass Controller haupt–
sächlich wegen ihres Überblicks über
den Stand der Projektkosten und ihre
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