Seite 45 - CONTROLLER_Magazin_2003_06

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CM Controller magazin 6/03
4. IST DAS OUTSOURCING WIRT–
SCHAFTLICH?
Für die Entscheidung, ob und in welchem
Umfang eine de jure und de facto vergabe–
fähige Leistung an Verwaltungsexterne
vergeben werden soll, hat sich die öffent–
liche Verwaltung - sofern nicht für be–
stimmte Bereiche weitergehende Rege–
lungen bestehen -
an dem haushalts–
rechtlichen Grundsatz der Wirtschaft–
lichkeit auszurichten.
Das Wie der Ver–
gabe
(Vergabeverfahren)
ist mit dem Ziel
hoher Transparenz als Grundlage eines
funkt ioni erenden We t t bewe rbs in
Vergabevorschriften geregelt." In diesen
ist auch festgelegt, dass
der Zuschlag
auf das wirtschaftlichste Angebot
zu
erteilen ist; der niedrigste Angebotspreis
ist allein nicht entscheidend. Dies gilt,
abgeleitet aus dem Haushaltsgrundsatz
der Wirtschaftlichkeit, ebenso für Berei–
che, die den Vergabevorschriften nicht
unteriiegen. Zwischen der Behörde als
Auftraggeber und dem wirtschaftlichsten
Anbieter wird ein privatrechtlicher Ver–
trag geschlossen'^ der die beiderseiti–
gen Leistungspflichten und Rechte be–
stimmt.'^ Über die Gestaltung der Ver–
tragsbedingungen hat die öffentliche
Verwal tung ihrer Gewähr l e i s tungs –
verantwortung nachzukommen, d. h. si–
cherzustellen, dass jene in ihrer Zustän–
digkeit liegenden öffentlichen Aufgaben
auch für den vom Auftragnehmer über–
nommenen Teil der Leistungserbringung
den staatlichen Vorgaben (bzgl. Quanti–
tät, Qualität, Dauerhaftigkeit, relative
Preisstabilität) genügend erfüllt werden.
In den Haushaltsvorschriften für Bund,
Länder und Kommunen ist für finanz–
wirksame ( = Einnahmen, Ausgaben oder
Vermögen beeinflussende) Maßnahmen
der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit fest–
geschrieben (§ 6 Haushaltsgrundsätze–
gesetz). Er verpflichtet zu angemessenen
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und
dahingehende Prüfung, inwieweit bisher
von der öffentlichen Verwaltung wahrge–
nommene Aufgaben bzw. erbrachte Lei–
stungen an Private ausgegliedert wer–
den können (Outsourcing von Leistungs–
prozessen).
In einer Wi r t schaf t l i chkei t sunter –
suchung werden grundsätzlich sämt–
liche entscheidungsrelevanten Kosten
und Nutzen der betrachteten Objekte
aufgestellt.
Das Entscheidungsproblem
„Eigenerstellung oder Fremdvergabe"
(Make-or-Buy) stellt sich der öffendichen
Verwaltung nur bei de jure und de facto
vergabefähigen Leistungen, d. h. es ist
davon auszugehen, dass sowohl die zu–
ständige Behörde als auch der vertrag–
lich gebundene private Anbieter die auf–
gestellten Mindest-Leistungskriterien
dauerhaft erfüllen und mit relativer Ko–
sten- bzw. Preisstabilität erbringen wür–
den (Überspringen der K.o.-Hürde). Die
auf Seiten der Behörde zu vergleichen–
den relevanten Kosten (und ggs. anfallen–
den Desinvestitionseriöse) der Hand–
lungsalternativen sind Gegenstand der
quant i tat iven einzelwirtschaf t l ichen
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Alle
anderen Kosten und Nutzen sind dage–
gen in der Regel gesellschaftlicher bzw.
gesamtwirtschaftlicher Art; sie sind auf–
grund ihrer subjektiven Relevanz und
somit ihrer politischen Dimension geson–
dert darzustellen.
4.11st das Outsourcing aus Sicht der
entscheidenden Verwaltung einzel–
wirtschaftlich vorteilhaft?
Bei der anzustellenden quantitativen
einzelwirtschaftlichen WirtschaftHch-
keitsuntersuchung finden die Verfahren
der Investitionsrechnung Anwendung,
denn sowohl die Entscheidung zugun–
sten der Eigenerstellung als auch jene
zugunsten der Fremderstellung bindet
langfristig finanzielle Mittel (Investition)
und setzt bezüglich der bisher praktizier–
ten, aber zukünftig nicht mehr durchge–
führten Alternative eventuell gebundene
finanzielle Mittel frei (Desinvestition).
Dabei sollte unter dem Wirtschaftlich–
keitsgesichtspunkt natüriich das einfach–
ste geeignete Verfahren gewählt werden.
Das wohl einfachste Verfahren ist die
Kostenvergleichsrechnung. Sie wird je–
doch richtigerweise vom Bundesminister
für Finanzen nur für finanzwirksame
Maßnahmen mit geringer finanzieller Be–
deutung ohne langfristige Auswirkungen
als geeignet angesehen" . Deshalb ist das
dynamische Verfahren der Kapitalwert–
methode zu wählen, das nach dem Bar–
wert-Konzept mit Zahlungsreihen arbei–
tet. Dabei sind folgende Punkte zu klären:
1. Welcher Zeitraum soll betrachtet
werden?
2. Welcher Kalkulationszinsfuß soll
zugrunde gelegt werden?
3. Welche Ein- und Auszahlungen sind
für das Entscheidungsproblem rele–
vant?
Der zu betrachtende Zeitraum:
Da ärzt–
liche Gutachten im Sozialrecht dauerhaft
erforderiich sind, müsste ein unendlicher
Zeitraum betrachtet werden. Begrenzend
wirkt hier jedoch ein eventuell vorgege–
benes Amortisationsziel. So sieht z. B.
dieAllgemeine Verwaltungsvorschrift zur
Landeshaushal tsordnung für Baden-
Württemberg einen
Amortisationszeit–
raum von höchstens fünf )ahren vor
(Ausnahmen bedürfen der Einwilligung
des Finanzministeriums)'^ Derzeitraum
sollte auf jeden Fall diejenigen jähre um–
fassen, in denen signifikante Änderun–
gen bei Aus- oder Einzahlungen hinrei–
chend wahrscheinlich sind. Je weiter die–
se allerdings in der Zukunft liegen, desto
unsicherer dürfte ihre Realisation sein.
Der Kalkulat ionszinsfuß:
Als Kai
kulationszinsft;ß wird in der Privatwirt–
schaft bei Einsatz von Eigenkapital in der
Regel der Habenzinssatz am Kapitalmarkt
zuzüglich eines Zuschlages für das unter–
nehmerische Risiko, bei Verwendung von
Fremdkapital der Fremdkapitalzinssatz
zuzüglich eines Zuschlages für das unter–
nehmerische Risiko gewählt. ' ' Grundlage
dieser Regeln ist die Möglichkeit eines pri–
vaten Investors, eine (risikobehaftete) In–
vestition durchzuführen oder es bleiben
zu lassen (also kein Fremdkapital aufzu–
nehmen oder vorhandenes Eigenkapital
am Kapitalmarkt anzulegen). Diese Alter–
native hat die öffentliche Verwaltung bei
der Gewährieistung von Pflichtaufgaben -
wie die Heranziehung ärztlicher Gutach–
ten im Sozialrecht zur Sachverhalts-
ermittlung - nicht. Außerdem dürfen im
Haushaltsplan angesetzte Mittel grund–
sätzlich nur für den angegebenen Zweck
verwendet werden. Nicht benötigte Mittel
fließen in den Haushalt zurück und redu–
zieren entweder die staatliche Kreditauf–
nahme oder bieten die Möglichkeit zur
Senkung von Steuern. Im ersten Fall wäre
als Kalkulationszinsfuß der durchschnitt–
liche Zinssatz für nicht erforderiiche Staats–
anleihen (bzw. staatliche Kredite) anzuset–
zen, im zweiten Fall - aus gesamt–
wirtschaftlicher Perspektive - die von pri–
vaten Subjekten der Volkswirtschaft durch
die eingesparten Steuern sicher d. h. min–
destens zu erwirtschaftende Rendite, näm–
lich der durchschnittliche Zinssatz für
Anlagen bester Bonität (also ebenfalls
Staatsanleihen) - natürlich jeweils ohne
Risikozuschlag. D. h. im Ergebnis: Bei
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen des
Staates sind in der Regel Eigen- und Fremd–
kapitalzinssatz gleich.
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