Seite 31 - CONTROLLER_Magazin_2003_06

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CM Controller magazin 6/03
Sinnvoll ist der Einsatz von Szenarien
insbesondere für die Unternehmen, die
in unsicheren Umfeldern operieren. We–
sentliche Faktoren, die für die Verwen–
dung von Szenarien im strategischen
Risikomanagement sprechen, können
wie folgt zusammengefasst werden:
/
Die Komplexität des Geschäftsum–
feldes ist stark gestiegen;
/ Die Branche ist durch ein hohes Maß
struktureller Veränderungen geprägt;
/
Relativ zahlreiche kostenintensive
Überraschungen sind in der jüngeren
Vergangenheit vorgefallen;
/ In der Unternehmensleitung werden
unterschiedliche zukünftige strategi–
sche Ausrichtungen diskutiert;
/
Der Wettbewerber setzt bereits Sze–
narien erfolgreich ein.
Der Einsatz von Szenarien bietet sich
immer dann an, wenn Unternehmens–
entscheidungen betroffen sind, die die
Unternehmenszukunft fundamental be–
einflussen.
4. SZENARIOPLANUNG: ZIELSET–
ZUNG UND VORGEHENSWEISEN
Ziel der Szenarioplanung ist die systema–
tische und zielgerichtete Erstellung von
alternativen Zukunftsbildern. Beabsich–
tigt ist nicht die Definition eines später
zutreffenden Szenarios, sondern das Her–
ausarbeiten einer Anzahl von Szenarien,
die den möglichen Zukunftsraum des
Unternehmens sinnvoll begrenzen.
In Theorie und Praxis exisderen vielfäld-
ge Vorgehensweisen für die Entwicklung
von Szenarien. Ihnen allen ist gemein–
sam, dass
die Schrittfolge im Kern aus
dem Herausarbeiten und Schreiben
von einer überschaubaren Anzahl von
mög l i chen , in sich kons i s t en t en
Zukunftsbildern besteht.
Wesentl iche Elemente der Szenario–
technik wurden in den 60er jähren ent–
wickelt. Sie wurde vor allem im Kontext
militärischer und strategischer Studien
geprägt.^ Bedeutung in der Unternehmens–
praxis eriangte die Szenariotechnik ins–
besondere durch die erfolgreiche Arbeit
der Planungsgruppe von Royal Dutch
Shell. Dort gelang es in den 70er jähren
durch den Einsatz von Szenarien die be–
vorstehende Ölkrise gedanklich vorweg–
zunehmen. ' Durch die frühzeitige Vorbe–
reitung von st rategi schen Optionen
konnte die Wettbewerbsposition von
Shell nachhal t ig gesteigert werden.
Neben Shell gelten General Electric und
Lockheed als Wegbereiter der szenario–
basierten Planungsmethoden.
Studien zeigen, dass bereits in den 80er
lahren der Einsatz der Szenariotechnik
bei den großen Kapitalgesellschaften in
den USA weite Verbreitung gefunden
hatte.^ Seit dem sind Szenarien in zahlrei–
chen internationalen Großunternehmen
v. a. Bes tandtei l des s t rat egi schen
Planungsprozesses.
Die Szenarioplanung ist in den Folge–
jahren weiter entwickelt worden. Propa–
giert wurde vor allem der Einsatz relativ
aufwändiger analytischer Instrumente,
wie z. B. die vielen Formen der Cross-
Impact Analyse zeigen. Die Szenario–
planung bekam den Ruf, eher für eine
kleine Gruppe von Spezialisten in Groß–
unternehmen geeignet zu sein. Dies ist
bedauedich, da viele Unternehmen die
Szenariotechnik mit Blick auf einen ver–
meintlichen hohen intellektuellen und
zeitlichen Aufwand meiden, obwohl sie
den Handlungsbedarf zur aktiven Aus–
einandersetzung mit Unsicherheiten
realisiert haben.
Grundsätzlich kann in den Evolutions–
stufen zwischen einer eher intuitiv sub–
jektiven und einer eher formal analyti–
schen Vorgehensweise zur Szenario–
erstellung unterschieden werden.
Die intuitiv subjektive Vorgehensweise
betont das
kreative und innovative
Element im Prozess der Szenario–
erstellung.
Sie verzichtet auf den exten–
siven Einsatz von standardisierten Ana–
lysetechniken. Die Erstellung der Szena–
rien erfolgt intuitiv und subjektiv im Kon–
text der identifizierten Einflussgrößen.
Die Qualität der Arbeitsergebnisse wird
maßgeblich bestimmt durch die beteilig–
ten Personen. Daher sollte das Szenario–
team über eine hohe Fach- und Sozial–
kompetenz sowie Akzeptanz im Unter–
nehmen verfügen. Wesentliche Vertreter
der eher intuitiv subjektiven Vorgehens–
weise sind Royal Dutch Shell und das
sog. SRI-lnstitut.'
Die formal analyüsche Vorgehensweise
verwendet neben qualitaüven zahlreiche
z. T. anspruchsvolle
quantitative In–
strumente zur Modellierung von Sze–
narien (z.
B. Trend- oder
Cross-Impact-
Analysen). Anhänger dieser Vorgehens–
weise (z. B. INTERAX und BASICS) weisen
darauf hin, dass die Verwendung von
analytischenlnstrumenten einesystema–
tischere Erörterung möglicher Zukunfts–
bilder ertaubt. Es wird argumentiert, dass
die umfassende Durchdringung der i.d.R.
relativ großen Anzahl von relevanten Ein–
flussfaktoren und deren Wechselwirkun–
gen vom menschlichen Gehirn ohne in–
strumenteile Unterstützung nur schwer
geleistet werden kann.
5. PRAGMATISCHES PHASEN–
MODELL
Nachfolgend be s chr i eben wird ein
Phasenmodell für die Erstellung von Sze–
narien und deren Integration in das stra–
tegische Risikomanagement. Die darge–
stellte Schrittfolge soll durch ein hohes
Maß an Praktikabilität gekennzeichnet
sein, um insbesondere deren Einsatz auch
in kleineren Unternehmen zu ermög–
lichen.'"
Sie verkörpert überwiegend
die o.g. subjektiv intuitive Vorgehens–
weise,
ergänzt um ausgewählte einfache
analytische Instrumente.
Vier Phasen können unterschieden wer–
den (vgl. Abb. 2: Pragmatisches Phasen–
modell):
/
Problemanalyse,
/
Umfeldanalyse,
/
Szenarioentwicklung,
/
Szenarioreflektion.
Die Problemanalyse (Phase 1) und die
Umfeldanalyse (Phase 2) dienen der Vor–
bereitung der eigentlichen Szenario–
entwicklung und -formulierung (Phase 3)
sowie der Integration der Szenarien in
das strategische Risikomanagement
(Phase 4).
5.1 Problemanalyse
Die erste Phase dient vor allem der Fest–
legung des Szenariofokus sowie der Kon–
kretisierung des Szenarioteams und der
gewählten Vorgehensweise.
In Analogie zur Planung der Geschäfts–
strategie ist die Betrachtungsebene der
Szenarien vornehmlich die der strate–
gischen Geschäftseinheit (SGE).
Aus–
gangspunkt der Szenarioerstellung sind
die
wesentlichen relevanten Fragestel–
lungen der Zukunft einer SGE
in der
jeweiligen Industrie (Szenariofokus).
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