Seite 29 - CONTROLLER_Magazin_2003_06

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CM Controller magazin 6/03
DIE SZENARIOPLANUNG ALS
INSTRUMENT EINES
STRATEGISCHEN
RISIKOMANAGEMENTS
von Frank
Broetzmann,
Berlin
Frank Broetzmann, Leiter der
Bus i ness Risk Serv i ces in
Berlin und den neuen Bundes–
ländern der Ernst & Young
Wi r t sc t i a f t sp r ü f ungsgese l l -
schiaft, ist seit sechs Jahren in
der Beratung mit den Schwer–
pun k t en
Un t e r n e hme n s –
steuerung und Organisat ion
tätig. Davor übte er bei der
Mercedes-Benz AG verschie–
dene zentrale und dezentrale
Control l ing-Funkt ionen aus.
1. WACHSENDE UNSICHERHEITEN
ZUKÜNFTIGER ENTWICKLUNGEN
Viele Unternehmensplanungen beruhen
auf nur einer einzigen Vorstellung über
die zukünftige Umfeldentwicklung, die
sog.
„offizielle" Zukunft des Unter–
nehmens.^
Dies ist dann sinnvoll, wenn
unterstellt werden kann,
dass die Um–
feldentwicklung einer bekannten und
relativ stabilen Entwicklungsrichtung
ohne nennenswe r t e Trendbrüche
folgt. Genau davon kann jedoch heute in
den meisten Industrien nicht mehr aus–
gegangen werden. Es ist zunehmend un–
real i s t i sch anzunehmen , das s das
„iVlorgen" mit dem „Heute" weitest–
gehend identisch sein wird.
Die Unsicherheiten haben in allen rele–
vanten Umfeldern der Unternehmen zu–
genommen. Politische, gesellschaftliche,
technologische und ökonomische Ent–
wi cklungen sowi e We t tbewerber –
verhaltensweisen sind immer schwieri–
ger einzuschätzen. Eine wesendiche Ur–
sache der wachsenden Unsicherheiten
ist die
steigende Komplexität wirtschaft–
lichen Handelns.
Die Vielfalt und Dy–
namik der wirtschaftl ichen Einfluss–
faktoren nimmt zu. Die steigende Kom–
plexität reduziert die Prognosefähigkeit
zukünftiger Entwicklungen nachhaltig.
Die Unsicherheiten stellen keine zeitwei–
ligen Abweichungen von einer noch
grundsätzlich gegebenen Vorhersehbar–
keit von Entwicklungen dar, sondern sind
als ein strukturelles Merkmal der heuti–
gen Wirtschaftswelt zu begreifen.^
Die Unternehmen, die sich dessen be–
wusst sind, suchen nach Wegen, die Un–
sicherheiten besser zu bewältigen. Ange–
strebt wird eine möglichst frühzeitige
Identifikation und Bewertung der strate–
gischen Risiken sowie eine systemati–
sche und vor allem rechtzeitige Bereit–
stellung von geeigneten Handlungs–
alternativen. Szenarien sind ein ideales
Instrument, ein solches strategisches
Risikomanagement zu unterstützen.
2.
STRATEGISCHES
MANAGEMENT
RISIKO-
In der Untemehmensführung ist Risiko–
management nichts grundlegend Neu–
es, ist doch unternehmerisches Handeln
im Kern nichts anderes als das Manage–
ment von Chancen und Risiken.^ Relativ
neu ist die Aufmerksamkeit, die dem
Thema Risikomanagement heute ent–
gegengebracht wird. Dies geschieht in
Deutschland nicht zuletzt aufgrund ge–
setzlicher Anforderungen.
Im Jahr
1
998 wurde das Gesetz zur Kon–
trolle und Transparenz im Unternehmens–
bereich (KonTraG) verabschiedet . Mit
§ 9 1 , 2 AktG fordert der Gesetzgeber ein
Risikofrüherkennungssystem im Rah–
men eines umfassenden Risikomanage–
mentsystems. Zentraler Gedanke ist die
Einrichtung eines Überwachungssystems,
um frühzeitig bestandsgefährdende Ent–
wicklungen für das Unternehmen zu er–
kennen.
Die gesetzgeberischen Vorgaben für das
Risikomanagement sind in der Folge kon–
kretisiert worden. Demnach beinhaltet
das Risikomanagement die Summe der
organisatorischen Regelungen und Maß–
nahmen für die Analyse und Bewälti–
gung unternehmerischer Risiken. Risiken
sind umfassend und systematisch zu
identifizieren und zu bewerten sowie mit
geeigneten Maßnahmen zu überwachen.
Die betriebliche Praxis wird den definier–
ten Vorgaben derzeit überwiegend noch
nicht gerecht. Aktuelle Studien zeigen
die
Diskrepanz zwischen Anspruch und
Wirklichkeit."
Risiken werden bei zahl–
reichen Unternehmen dokumentiert, an–
statt sie systematisch zu steuern.
Aber selbst
bei den in der Praxis im–
p l ement i e r t en Ri s i komanagemen t –
systemen, die die gesetzgeberischen Vor–
gaben formal erfüllen, besteht ein großes
Verbesserungspotenzial. Die erarbeiteten
Risikodarstellungen sind in der Regel
nicht oder nur unzureichend verzahnt
mit den bestehenden Planungs- und
Steuerungssystemen des Unternehmens.
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