Seite 81 - CONTROLLER_Magazin_2003_02

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CM Controller magazin 2/03
Budgetierungsverfahren verlassen. Als
Grund für diese anhal tende Monopol–
stel lung der Budgetplanung in der
Praxis können u.a. folgende Faktoren
vermutet werden:
^ Widerstand von Management und
speziell der Finanzfunktion - Top-
Management, CFOs und Controller
teilen die Voriiebe für finanzielle, fixe
und periodenorientierte Pläne. Bud–
gets suggerieren eine voraussehbare
Zukunft ohne „Überraschungen" -
eine gefährliche Illusion;
^ Budgetierung ist bislang eine „Glau–
bensfrage" - einmal an Budgets ge–
wöhnt, haben wir Probleme, uns an–
dere, vollständig anders funktionie–
rende Führungsparadigmen vorzu–
stellen;
^ Top-down-Steuerung und Kontrolle
sind t radi t ionel l domi n i e r ende
Steuerungsformen, die bis vor eini–
gen lahrzehnten allgemein ausrei–
chend waren. Erst durch den Wettbe–
werbsdruck der letzten Jahrzehnte
werden diese Prinzipien in den mei–
sten Industrien in Frage gestellt. Die
f undamen t a l en
t radi t ione l l en
Managementprinzipien erweisen sich
aber als außerordent l i ch wider–
standsfähig gegen Veränderung.
Es zeigt sich zudem, dass die Budgetie–
rung höchst anfällig für Ineffizienzen ist,
die deren Kosten erhöhen und ihre Wirk–
samkeit verringern. Trotz substanzieller
Innovationen im Bereich der Budgetie–
rung in den letzten 20 bis 30 Jahren - so
wie Activity based und Zero ba s ed
Budgeting - hat sich in dieser Zeit nicht
viel an der traditionellen Budgetierung
geändert. Die Ineffizienzen der Budgetie–
rung wiederum sind so tief in Organisati–
on und Verhalten verankert, dass sie nur
mit großer Anstrengung im Rahmen von
Change Management - Ini t iat iven be–
hoben werden können.
1. Wofür
Steht
das Beyond Budgeting-
Modell?
. 1
Ein Budget kann als fixierter, in weit–
gehend finanziellen Größen ausgedrück–
ter Leistungsvertrag zwischen Unter–
nehmensführung und ausführenden
Managern bezeichnet werden. Der inhä–
rente Zweck des Budget-„Vertrages" ist
es, die Verantwortlichkeit für abgestimm–
te Ergebnisse an divisionale, funktionale
und Bereichsmanager zu delegieren. Um
an die Effektivität eines solchen Leistungs–
vertrags glauben zu können, müssen wir
jedoch davon überzeugt sein, dass
^ die Definition oder Verhandlung fi–
xierter finanzieller Ziele der beste Weg
ist, um Profitpotenzial zu maximie-
ren,
^ finanzielle Anreize Motivation und
Commitment fördern,
^ jährliche Pläne der beste Weg sind,
um Aktionen zu steuern und Markt–
chancen zu maximieren,
^ das höhere Management am besten
in der Lage ist , Al lokat ions-
entscheidungen bezüglich der Res–
sourcen zu treffen, um deren Effizi–
enz zu optimieren,
^ das höhere Management effektiv Plä–
ne und Aktionen im Sinne von Kohä–
renz koordinieren kann,
••• finanzielle Berichte relevante Infor–
mationen für effektive Entscheidungs–
findung liefern.
Bei kritischer Betrachtung dieser und
anderer, der budgetbasierten Steuerung
zugrunde liegender Annahmen zeigt
sich, dass diese in Wirklichkeit auf funda–
mentale Mängel der in den meisten
Unternehmen üblichen Management-
Praxis hinweisen.
Als Antwort auf den Bedarf der Praxis
nach einem alternativen Modell zur
Unternehmenssteuerung unter Verzicht
auf Budgets, wurde von 1998 an vom
CAM-I Beyond Budgeting Round Table
(BBRT) das vorliegende Beyond Budge-
ting-Managementmodell entwickelt. Der
BBRT ist eine mitgliederfinanzierte Orga–
nisation zur Erforschung und Entwick–
lung der Unternehmenssteuerung „jen–
seits der Budgetierung". Das Modell hat
seinen Ursprung in Fallstudien anfangs
ausschl ießl ich europäischer, heute zu–
nehmend auch aus den USA und ande–
ren Ländern s t ammende Unterneh–
men. In den Entwicklungsprozess des
Modells flössen Interviews, Gruppen–
diskussionen und Praktikerberichte, Stu–
dien und Erhebungen des BBRT mit ein.
Der von den Mitgliedern des BBRT und
seinen Forschungsleitern vorgestellte
Ansatz kann als überraschend radikal
und in seinem Anspruch „revolutionär"
gewertet werden. Er stößt naturgemäß -
als noch junger Managementansatz - in
der Diskussion unter Praktikern und auch
Wissenschaftlern auf Unverständnis,
Ungläubigkeit, aber auch Überraschung
undzunehmendeAnerkennung. Für Con–
troller könnte sich Beyond Budgeting
a l s e i ne s de r s p a n n e nd s t e n und
einflussreichsten Themen dieses Jahr–
zehnts erweisen, wird hier doch die Pra–
xis al lgemein übl icher Controlling–
prozesse komplett infrage gestellt und
ein neues Controlling-„Paradigma" vor–
geschlagen.
Bei Beyond Budgeting geht es, so der
BBRT
Lim
„die Befreiung fähiger Men–
schen von den Ketten des Top-down
Leistungsvertrages und um sie zu befähi–
gen, die Wissensressourcen der Organi–
sation zu nutzen, um auf profitable Wei–
se Kundenzufriedenheit zu erreichen und
konsistent den Wettbewerb zu über–
treffen." (Vgl. Hope, J./Fraser, R., 2001) .
2. Beyond Budgeting ist kein neues
Planungsprinzip
Eine Gefahr beim Verständnis von Beyond
Budgeting liegt dann, es als Planungs–
konzept fehlzuinterpretieren. Eine beson–
ders im deutschen Sprachraum verbrei–
tete „defensive Argumentationslinie" ge–
genüber Beyond Budgeting bezeichnet
den Ansatz als „überzogen" und „nicht
für alle Organisationen" geeignet. Zugrun–
de liegt zumeist die Annahme, dass be–
stehende Steuerungsprozesse (implizit:
Budgetierungsprozesse) auf dem euro–
päischen Festland bereits vielfach diffe–
renzierter bzw. effektiver gestaltet sind
als bspw. in England und den USA. Dank
mehrfacher Budgetrevisionen im Ge–
schäftsjahr und des Einsatzes von Tech–
niken wie dem Zero-Based Budgeting sei
eine be s s e r e Qual i tät des Budge-
tierungsverfahrens erreicht oder zumin–
dest erreichbar Eine strikte Ablehnung
der Budge t i erung , wie im Beyond
Budgeting-Modell explizit vorgeschlagen,
sei daher eine überzogene Forderung,
und die Verfolgung eines Ansatzes im
Sinne eines „Better Budget ing" oder
„Advanced Budgeting" ausreichend, um
bestehende Probleme in Planungs- und
Steuerungsprozessen zu überwinden.
Bei dieser Argumentation wird überse–
hen, dass Beyond Budgeting zwar auf
der Beobachtung basiert, dass Unterneh–
men ohne Budgets besser gemanagt
werden können und langfristig erfolgrei–
cher sind. Hierzu ist jedoch mehr als nur
die Überarbeitung der Planungsprozesse
einer Organisation nötig. Diesem Aspekt
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