CM Controller magazin 2/03
Römer-Kolumne
GERÄT DER CONTROLLER
BEI VERLUST IN EINE
WAHRNEHMUNGSFALLE?
von Gerhard
Römer,
Hamburg
Häufig amortisiert
s\ch
ein
Investitionsobjekt weitaus langsamer
als
geplant. Erwartete Zahlungsströme bleiben aus, Illiquidität könnte
drohen. Der Controller steht dann nicht selten vor der Frage, ob er an
seiner ursprünglichen Empfehlung festhalten oder ob er
dafür plä–
dieren soll, l(ein gutes Geld dem schlecht gewordenen hinterher
zu werfen.
Dann müssten die Anschaffungsausgaben für die Fehl–
investition sofort abgeschrieben werden.
Die absolute Höhe der Anschaffungsausgaben sollte eigentlich kein
Indiz für eine positive Entscheidung über ein Investitionsobjekt sein.
Aber psychologisch kann sie recht bedeutsam werden: Zwar streben
alle nach Gewinn und versuchen, Verluste zu vermeiden. Aber ganz
allgemein wird das
Vermeiden von Verlusten für wichtiger angese–
hen als das Erzielen von Gewinnen.
Deshalb wird zur Vermeidung
von Verlusten häufig ein höheres Risiko eingegangen als zur Erzielung
eines Gewinns.
Dazu
2
Beispiele:
Jemand hat 1.000 € gewonnen und wird nun
aufgefordert, mit einem Münzwurf seinen Gewinn zu verdoppeln oder
komplett zu verlieren. Ein anderer hat 1.000 € Verlust gemacht. Auch
er wird aufgefordert, per Münzwurf seinen Verlust auszugleichen oder
zu verdoppeln.
Psychologische Untersuchungen belegen, dass im ersten Fall die
Probanden dahin tendieren, ihren Gewinn zu sichern und den Münz–
wurf ven/veigern. Im zweiten Fall geht eineMehrheit der Probanden das
Risiko des Münzwurfs ein. Dieses Ergebnis erscheint nicht rational.
Denn beide Fälle zeichnen sich durch eine 50:50-Ghance aus. Aber sie
werden unterschiedlich wahrgenommen:
wenn ein Gewinn wahr–
genommen wird, ist nur eine Minderheit bereit, ein Risiko einzu–
gehen. Wenn aber ein Verlust wahrgenommen wird, ist eine
Mehrheit geneigt, durch einen Münzwurf die Chance zu nutzen,
den Verlust auszugleichen.
Das Motiv für die 2. Handlungsweise
besteht in der Chance, dass ein Verlust überhaupt nicht realisiert
würde.
Insofern spielt die absolute Höhe des Investitionsvolumens sehr wohl
eine Rolle, ob der Controller den aktuellen Entwicklungsstatus des
Investitionsobjektes eher als vorteilhaft oder unvorteilhaft wahrnimmt.
Dieser Status beeinflusst die Risikobereitschaft seiner Empfehlung.
Psychologisch lässt sich dies so erklären, dass es unterschiedliche
Einstellungen zumRisiko bei Gewinn oder Verlust gibt. So gibt es eine
psychologische Nutzenkurve eines Gewinns, die nicht deckungsgleich
mit der objektiven Nutzenkurve steigt oder fällt. Ebenso gibt es eine
psychologische Schadenskurve, die nicht mit derobjektiven Schadens–
kurve Schritt hält. Aber
im Verlustfall wird diese psychologische
Schadenskurve stärker wahrgenommen als die entsprechende
psychologische Nutzenkurve im Gewinnfall.
Somit erscheinen die
möglichen Verluste gravierender als die möglichen Gewinne.
Mit diesem Denkansatz lassen sich (nachträglich) zahlreiche Ab–
weichungen von einer rationalen Entscheidungsstrategie erklären:
Informationen über eine negative Richtungs-Veränderung beeinflussen
und prägen eine Controller-Empfehlung (unbewusst!) nachhaltiger als
Informationen über eine positive Richtungs-Änderung.
Bei jeder Richtungsänderungs-Empfehlung kommt es dann auf den
Ausgangspunkt, auf die Höhe der Anschaffungsausgaben an. Dieser
Punkt lässt sich nicht mit objektiven Merkmalen kennzeichnen, er
unterliegt zum größten Teil einer subjektiven Interpretation. So wie man
ein Glas Wasser als „halbleer" oder als „halbvoH" bezeichnen kann, so
kann der Controller eine riskante Entscheidungssituation wahrnehmen
- als vorteilhaft oder als nachteilig,
Um diesem Entscheidungsdilemma zu entgehen, sollte der Controller
einen Perspektivwechsel vornehmen. Es geht nicht mehr darum,
Verluste zu vermeiden - sie sind ja bereits eingetreten. Sondern es
geht quasi um eine neue Investitionsentscheidung. Mit ihr soll die
(ursprüngliche) Controller-Empfehlung auf ein psychologisch besse–
res Niveau angehoben werden. Ausgangspunkt sind nicht mehr die in
der Vergangenheit geplanten Zahlungsströme, sondern die - von
heute aus gesehen - zukünftig erwarteten Ein- und Auszahlungen, so
dass dem psychologischen Einfluss der hohen Anschaffungsausgaben
für Investitionen mit demArgument der sunk costs entgegengetreten
werden kann.
Zuordnung CM-Themen-Tableau
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